Auf zwei Planeten (Science-Fiction). Kurd Laßwitz

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Auf zwei Planeten (Science-Fiction) - Kurd Laßwitz


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Sie etwas?« fragte Se.

      »Jetzt, nachdem Sie Ihre Finger fortgenommen haben, nichts. Kann man denn den Stoff überhaupt nicht fühlen?«

      »Wenigstens nicht mit der groben Haut von euch Menschen.«

      Saltner führte die zusammengebundenen Hände mit dem Schleier an seine Lippen.

      »Doch«, sagte er, »mit den Lippen fühle ich, daß etwas zwischen meiner Hand und meinem Mund ist.«

      »Nun strengen Sie einmal Ihre Riesenkräfte an, und reißen Sie die Hände voneinander.«

      »Oh, das wäre schade um den Funkenschleier.«

      »Versuchen Sie es nur.«

      Saltner zerrte seine Hände auseinander, aber je heftiger er zog, um so enger schloß sich der Knoten, und er merkte jetzt, wie sich die kleinen Sternchen in seine Haut eingruben.

      »Ja«, sagte Se, »der Stoff ist unzerreißbar, wenigstens kann er kolossale Lasten halten. Diese unsichtbar feinen Fäden, von denen jeder wohl einen Zentner tragen kann, sind für viele unserer Apparate ein unentbehrlicher Bestandteil. Jetzt sind Sie also gefesselt und können ohne meine Erlaubnis nicht mehr fort.«

      »Um die bitte ich auch gar nicht, ich finde es reizend hier«, sagte Saltner und beugte sich über die Lehne des Diwans, auf welche er die gebundenen Hände stützte.

      Se faßte seinen Kopf zwischen ihre Hände und bog ihn zu sich nieder, während sie ihm in die Augen sah, als wollte sie seine Gedanken ergründen.

      »Seid ihr eigentlich dumm, ihr Menschen?« fragte sie plötzlich.

      »Nicht so ganz«, sagte Saltner, indem er sich noch tiefer herabbeugte.

      »Der Strich!« rief Se lachend und schob seinen Kopf leicht zurück. »Geben Sie die Hände her.«

      Sie löste im Augenblick den Knoten und ergriff wieder die gläsernen Stäbchen, mit denen sie in einem Gefäß auf besondere Weise hantierte.

      »Sie haben mir noch immer nicht gesagt«, sprach Saltner, nach seinem Pult zurückgehend, »was für ein Stoff das ist, auf dem die Stickerei sitzt.«

      »Eine Stickerei ist es überhaupt nicht, sondern es sind Dela – wie heißt das? Aus Muscheln, kleine Kristalle, die sich darin bilden.«

      »Also etwas Ähnliches wie unsere Perlen –«

      »Aber sie leuchten von selbst. Und der Stoff ist Lis.«

      »Lis? Da bin ich ebenso klug.«

      »Lis ist eine Spinne, sie webt ein fast unsichtbares Netz.«

      »Und wie findet man das auf? Wie webt man die Fäden?«

      »Im polarisierten Licht, sehr einfach, und mit besonderen Maschinen. Und die Dela sind nicht daraufgesetzt, sondern sie liegen in Schlingen zwischen dünnen Schichten des Gewebes.«

      »Sie nannten die Dela Kristalle – wie ist es denn möglich, daß sie dieses Eigenlicht dauernd aussenden, ähnlich wie unsre Glühwürmchen?«

      »Sie müssen natürlich von Zeit zu Zeit ins Strahlbad, dann leuchten sie wieder ein paar Tage.«

      »Ins Strahlbad?«

      »Nun ja, sie werden einer starken, künstlichen Bestrahlung ausgesetzt. Das Licht trennt einen Teil der chemischen Stoffe der Kristalle voneinander, und indem diese sich nachher langsam wieder vereinigen, entsteht das Selbstleuchten.«

      »Also was wir Phosphoreszenz nennen. Und was haben Sie dort für eine Handarbeit?«

      Se antwortete nicht sogleich. Sie stellte gerade eine Kopfrechnung an, die sich auf ihre Arbeit bezog, und betrachtete dabei den Sekundenzeiger der Zimmeruhr.

      Da klang die Klappe des Fernsprechers, und gleich darauf vernahm man die Stimme von La. Sie fragte an, ob die ›Menschen‹ für einige Herren der Insel zu sprechen seien.

      »Es wird mir sehr angenehm sein, die Herren zu sehen«, sagte Saltner. »Mein Freund ist augenblicklich nicht anwesend, aber ich werde ihn sogleich rufen.« –

      12. Kapitel

      Die Raumschiffer

      Inhaltsverzeichnis

      Grunthe beschäftigte sich auf der Oberfläche der Insel mit Messungen. Was ihn sowohl wie Saltner besonders wunderte, war der Umstand, daß die vom Ballon aus beobachtete Erdkarte auf dem Dach der Insel selbst durchaus nicht sichtbar war. Wie kamen die Martier überhaupt auf die Idee, eine solche Riesenkarte anzubringen, und auf welche erstaunliche Weise war sie hergestellt? Aber gerade darüber konnten die Forscher auf ihre Fragen keine Auskunft erhalten.

      Grunthe liebte es, sich soviel als möglich im Freien aufzuhalten, um sowohl die technischen Einrichtungen der Insel als auch die Erscheinungen der Natur am Nordpol zu studieren, ja er hatte schon mit Unterstützung einiger Martier Bootfahrten auf dem Binnenmeer und ebenfalls bis zum gegenüberliegenden Ufer vorgenommen, ohne jedoch auf weitere Spuren von Torm zu treffen. Er hatte dabei bemerkt, daß die Polinsel infolge ihrer versteckten Lage zwischen den übrigen höheren Inseln von den Ufern des Bassins aus überhaupt nicht wahrnehmbar und somit gegen zufällige Entdeckung geschützt war. So ernsthaft ihn diese Studien beschäftigten, war es ihm doch nebenbei sehr angenehm, mit einem triftigen Vorwand sich von dem Konversationszimmer fernzuhalten. Denn hier waren einen großen Teil des Tages über Se oder La, manchmal auch eine oder die andre der übrigen auf der Insel wohnenden Frauen anwesend, und die Aufgabe der Höflichkeit, sich mit diesen zu unterhalten, überließ er gern Saltner, der sich derselben mit Vorliebe unterzog. Im Freien dagegen war er ziemlich sicher, keiner von den Damen zu begegnen. Außerhalb der Schutzvorrichtungen, die sie von einem Teil der Erdschwere befreiten, war ihnen der Aufenthalt zu lästig; und sie wußten wohl, daß der schwerfällige Schritt und die gebeugte Haltung, die ihnen dort die eigene Körperlast auferlegte, ihre Anmut keineswegs erhöhten. Insbesondere den Menschen gegenüber, die sich hier ungezwungen in ihrem Element fühlten, zeigten sie sich nicht gern in dem Zustand physischer Unfreiheit.

      Da Saltner wußte, daß sich Grunthe in der Nähe aufhielt, konnte er ihn leicht benachrichtigen.

      Die Zahl der auf der Insel befindlichen Martier war nicht unbedeutend, sie mochte gegen dreihundert Personen betragen, worunter sich ungefähr fünfundzwanzig Frauen, aber keine Kinder befanden. Die Lebensweise dieser Kolonie entsprach nicht den Gewohnheiten der Martier auf ihrem eigenen Planeten; es waren nicht Familien, die sich hier angesiedelt hatten, sondern die Kolonisten bildeten eine ausgewählte Truppe mit militärischer Organisation, wie sie von den Martiern zur Vornahme wichtiger öffentlicher Arbeiten ausgerüstet wurde. Aber auch hier war dem Bedürfnis der Nume nach möglichst großer individueller Unabhängigkeit Rechnung getragen. Die einzelnen hatten sich je nach ihrer persönlichen Neigung zu Gruppen zusammengefunden und danach ihre Wohnung auf der Insel gewählt. Jede dieser Gruppen wurde durch einen der älteren Beamten geleitet, der die Ordnung der Arbeiten verteilte. Ihm stand eine der Damen zur Seite, welche gewissermaßen die häusliche Wirtschaft der Gruppe führte, die Verteilung der Nahrungsmittel beaufsichtigte und die regelmäßige Funktion der Automaten kontrollierte, während jedes Mitglied einer Gruppe eine bestimmte Zeit der Bedienung dieser Automaten widmete.

      Die Pflege der beiden Gäste hatten die Gruppen des Ingenieurs Fru und des Arztes Hil übernommen, denen als weibliche Assistenten La und Se angehörten. Es war natürlich, daß Saltner und Grunthe hauptsächlich mit den Mitgliedern dieser Gruppe verkehrten, wozu sich noch als täglicher Gast der Direktor der Kolonie, Ra, gesellte. Mit den übrigen Gruppen waren sie bisher nur gelegentlich in Berührung gekommen.

      Die Martier, welche im Begriff standen, ihren Besuch bei den Gästen zu machen, gehörten der Gruppe des Ingenieurs Jo an, dessen Tätigkeit Grunthe und Saltner hauptsächlich ihre Rettung verdankten. Selbstverständlich hatten sie nicht versäumt, ihm alsbald nach ihrer Wiederherstellung ihren herzlichsten Dank abzustatten.

      Mit


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