Gesammelte historische Romane von Jakob Wassermann. Jakob Wassermann

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Gesammelte historische Romane von Jakob Wassermann - Jakob Wassermann


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nicht verstanden, über Dinge verhört, die ihnen unerklärlich waren, und um sie zu einem Geständnis zu bringen, das ebenfalls unverstanden bleiben mußte, wurde eine Tortur angewendet, die mit neuen, in Espanola selbst von etlichen werktätigen Katholiken erfundenen Instrumenten arbeitete. Dann wurden sie zum Feuertod verurteilt und auf offenem Platz verbrannt, das erste Autodafé in der neuentdeckten Welt. Kurz darauf begab sich ein Mirakel. Man fand die von den Indios geraubten Reliquien dadurch wieder, daß man aus einem dem Ort der Untat nahgelegenen Feld Rüben aus der Erde zog, aber diese Erdfrüchte hatten nicht die gewöhnliche Gestalt von Rüben, sondern waren in Kreuzesform gewachsen.

      Das war alles nur düsteres Vorspiel.

      Um jene Indios, die die gesetzlich bestimmte Abgabe an Gold, oder in goldlosen Distrikten an Baumwolle (vierteljährlich eine Arroba, etwa 24 Pfund), entrichtet hatten, vor unbilligen Mehrforderungen zu schützen, hatte der Admiral vor seiner Abreise angeordnet, daß sie als Quittung eine Messingplakette am Hals tragen sollten, so wie bei uns die Hunde mit Steuermarken herumlaufen. Das hielt jedoch die Bedrücker nicht ab, den Tribut nach eigenem Ermessen hinaufzuschrauben, und wenn er nicht voll bezahlt werden konnte, hatten sie Ermächtigung, eine entsprechende Leistung an Feldarbeit zu verlangen, was nichts anderes hieß als Sklaverei. Zu diesem Zweck hatte sich Columbus, um es mit keiner Partei zu verderben, beraten von den Nutznießern, von der Königin Freibriefe zur Landverteilung geben lassen. Diese sogenannten Repartimientos waren nicht nur die Veranlassung zu erbitterten Kämpfen und langwierigen Prozessen unter den Kolonisten, sondern sie ließen auch den Indios keinen andern Ausweg als den Krieg bis aufs Messer, da ihnen durch einen bloßen Federstrich ihr Ackerland, ihre Weiden, ihre Gärten einfach weggenommen wurden, so daß der gestern noch Wohlhabende heute als Bettler Haus und Hof verlassen mußte. Der Haß gegen die Fronherren und die Sehnsucht nach Befreiung von dem unerträglichen Joch vereinigte selbst jene Stämme, die seit Jahrhunderten in Fehde lebten. Als der Adelantado einen Indio, den er als Dolmetscher und Wegweiser benutzte, an den Kaziken Mayobane abschickte mit der Aufforderung, er solle ihm, da er doch stets ein Freund der Spanier gewesen sei, den Häuptling Guarionex ausliefern, der bei ihm Schutz und Zuflucht gesucht hatte, wo nicht, werde er seine Dörfer mit Feuer und Schwert verheeren, erhielt der Bote die Antwort: »Sage den Christen, daß sie schlecht, grausam und wortbrüchig sind. Mich verlangt nicht nach der Freundschaft von Leuten, die unschuldiges Blut vergießen und Land rauben, das ihnen nicht gehört. Guarionex ist mein Gast, ich werde ihn schützen, möge der General kommen und ihn holen, wenn er kann.« Diese Weigerung, willkommener Vorwand natürlich, führte zum Ausrottungsfeldzug gegen die Stämme der Vega real und im weiteren Verlauf gegen die in den Gebirgen des Innern. Während seiner Abwesenheit von der Stadt Isabella hatte Bartolomé Colón seinen Bruder Diego, einen unfähigen und schüchternen Mann, mit der Führung der Geschäfte betraut. (Man sieht, ein Bruder zog den andern in die Höhe.) Damit hatte die Partei der Unzufriedenen einen gewichtigen Appell, denn die schreiendsten Mißstände traten alsbald zutage, und die Folge war eine Verschwörung, deren Haupt ein gewisser Franzisco Roldan war. Um jeden Preis sollte die verhaßte Herrschaft der Brüder Colón gestürzt werden. Dieser Roldan war ein ausgemachter Glücksritter. Der Admiral hatte ihn, da er zu den wenigen gehörte, die lesen und schreiben konnten, erst zum Alcalden, dann zum Oberrichter, Juez major, von Isabella ernannt, das Land verschaffte ihm aber die Reichtümer nicht, die er sich erhofft hatte, nicht einmal der Gehalt war ihm seit Monaten ausgezahlt worden. Als nun in der Verwaltung alles drunter und drüber ging, schien ihm der Zeitpunkt günstig, dem Adelantado den Gehorsam aufzusagen, und er floh mit seinen Anhängern in die Landschaft Xaragua, wo sich nicht nur sämtliche spanischen Rebellen und Freibeuter, sondern auch die aufständischen Kaziken um ihn versammelten. Er gab kund, was er tue, geschähe im Namen und zum Vorteil der Königin, die eigentlichen Verbrecher seien die genuesischen Brüder, die seien eidbrüchig, die saugten die Provinzen und Länder aus, und nachdem er Waffen und Geschütze aus dem Arsenal geraubt hatte, ging er daran, das Fort Concepcion zu belagern, in welchem sich die Hauptstreitkräfte des Adelantado befanden.

      So sah es in seinem geliebten Espanola aus, als der Admiral Ende August 1498 auf die Insel zurückkehrte. Sogleich meldete er der Königin die von Roldan angestiftete Empörung und daß er jede Verständigung verweigert, keinerlei Verzeihung gewährt habe (was eine bewußte Unwahrheit war). Er bat, daß Roldan nach Spanien vorgeladen werde, wo Ihre Hoheiten ihn richten sollten, und schrieb, verhüllte Anklage, die Verwirrung in der Kolonie den Hindernissen zu, die man ihm bei seiner Ausreise in den Weg gelegt hatte. (Wobei er verschwieg, daß er Monate damit zugebracht hatte, das Paradies und das Reich des Großchans zu suchen.) Auch auf die Züchtigung des infamen Ximeno Breviasca kam er zurück, wohl ahnend, daß man ihm daraus einen Strick gedreht hatte, und gab der Hoffnung Ausdruck, daß ihm weder dieser noch ein anderer Umstand durch Verleumdung zum Nachteil in der königlichen Gunst gereichen werde. (Alles um ihn wankte bereits, er suchte nach allen Seiten Stützen zu gewinnen.) Die natürlichen Hilfsquellen der Insel, so beteuerte er, verlangten weiter nichts als Fleiß, um den Bedürfnissen der Siedler zu genügen, allein diese seien träg und ausschweifend. Man möge ihm doch erlauben, mit jedem Schiff, das in die Heimat fahre, die unnützen und unheilstiftenden Leute zurückzuschicken und durch mäßige und arbeitsame ersetzen zu lassen. (Dann hätte er sich bis zum äußersten dagegen wehren sollen, daß man ihm Ketten-und Galeerensträflinge mit auf die Reise gab, aber das hat er resigniert über sich ergehen lassen.) Er ersuchte um einen in der Rechtsprechung erfahrenen Mann, dem an Roldans Stelle das Amt des Oberrichters zu übertragen sei (das Verblendetste, was er tun konnte: seinem Feind den Dolch in die Hand drücken, der ihn selber treffen sollte), und zum Schluß äußerte er den Wunsch, daß ihm noch für zwei Jahre die Sklaven einfuhr nach Spanien gestattet werden solle, wogegen er sich verpflichte, daß er nur Kannibalen, Mörder und Revolutionäre auf den spanischen Märkten werde feilbieten lassen. Nur!

      Der Admiral hatte gut befehlen, Roldan und seine Spießgesellen hätten sich nach Spanien einzuschiffen, es fiel diesen gar nicht ein, zu gehorchen. Er hatte die Absicht gehabt, den Adelantado auf neue Entdeckungen in den Golf der Perlen auszuschicken, aber es war nicht möglich, er mußte die treugebliebene Mannschaft in seiner Nähe behalten. So entschloß er sich, mit Roldan zu unterhandeln und schrieb ihm im Oktober einen eigenhändigen Brief, worin er ihn an die Freundschaftsdienste erinnerte, die er ihm früher erwiesen, ihn beschwor, um des allgemeinen Besten willen von seinem aufrührerischen Tun zu lassen, und ihm und seinen Gefährten, wenn sie kämen, für ihre persönliche Unverletzlichkeit sein Wort verpfändete.

      Roldan verhöhnte das Anerbieten und war unverfroren genug, dem Admiral seinerseits Bedingungen zu diktieren. Er verlangte nicht mehr und nicht weniger als die Entlassung des Adelantado (der erst unlängst unter diesem Titel vom Hof bestätigt worden war), für sich die Wiedereinsetzung in Amt und Würden und die Übergabe zweier Forts und zweier Schiffe. Trotz dieser herausfordernden Unverschämtheit hütete sich Columbus wohl, die Verhandlungen abzubrechen. Er ging in der Nachgiebigkeit so weit, daß er dem Rädelsführer des Aufstands und seinen Mitverschworenen Zeugnisse ihres Wohlverhaltens und beim Schatzamt Anweisungen auf Gehalt und Sold bis zum Tag der Ankunft in Spanien auszustellen versprach; ferner sollte jedem nach seinem Rang eine Anzahl Sklaven mitgegeben werden und denen, die sich mit indianischen Frauen verheiratet hatten, wurde erlaubt, diese entweder als Sklavinnen mitzunehmen oder einfach zurückzulassen, was soviel hieß, als wären die Ehen überhaupt nicht geschlossen. Diese Übereinkunft unterzeichneten Roldan und seine Leute im November vor dem Fort Concepcion, anstatt aber nun die Ausrüstung der versprochenen Schiffe mit Energie zu betreiben und so die gefährliche Bande schnell vom Hals zu kriegen, betraute der Admiral, schon wieder rosig gestimmt, seinen trägen und schwachmütigen Bruder Diego damit, während er selbst in Begleitung Bartolomés eine Rundreise durch die Insel unternahm, um, wie eine rügelsame Hausfrau, nach dem Rechten zu sehen. Er hatte sich wahrscheinlich in dem Glauben gewiegt, die Zustände seien nicht so arg wie man sie ihm geschildert hatte, indessen überzeugte er sich bald, daß sie noch viel ärger waren. Felder und Gärten verödet; die Indios hatten ihre Heimstätten und Pflanzungen verlassen, wo sich der Admiral und seine Leute blicken ließen, flohen sie wie erschrockene Vögel meilenweit; von regelmäßigen Abgaben konnte nicht mehr die Rede sein, in den Goldwäschereien wurde nicht mehr gearbeitet, ganze Täler sahen aus wie Brandstätten, große Plantagen wie Schlachtfelder. Da wurde der Admiral und Vizekönig von Tag zu Tag stiller, und vielleicht fragte er sich in einem lichten Moment, warum


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