KAIJU WINTER. Jake Bible

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KAIJU WINTER - Jake Bible


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ist deshalb nur noch in eine Richtung offen.«

      »Verstehe, Deputy …?«

      »Mikellson«, antwortet der Mann. Deputy Eric Mikellson, groß, breitschultrig und jung, lehnt sich vor. Sein Blick schweift durch das Auto. »Haben Sie in Champion zu tun, Special Agent …?«

      Linder grinst, zieht seinen Ausweis aus der Tasche und klappt ihn auf, damit Mikellson ihn lesen kann.

      »Special Agent Linder«, antwortet er. »Woher wussten Sie denn, dass ich beim FBI bin?«

      »Habe ich nur geraten.« Mikellson zuckt mit den Schultern. »Sie sehen halt wie einer von der Regierung aus und Ihr Auto ebenfalls.« Er deutet mit dem Kopf auf die Luftfilteranzeige, die am Armaturenbrett klebt. »Habe gerade ein Webseminar über die Dinger angeschaut und weiß deshalb, dass die nur den Regierungsstellen geben werden, damit diese bei den Evakuierungen helfen können.« Er nickt zu den Polizeiwagen. »Uns haben Sie dabei wohl vergessen.«

      »Hat die Asche Ihnen schon den Motor kaputtgemacht?«, fragt Linder.

      »Noch nicht«, antwortet Mikellson. »Ist aber nur eine Frage der Zeit.«

      »Das ist heute alles«, meint Linder lachend und sieht zu den Streifenwagen hinüber. »Denken Sie, dass ich vielleicht trotzdem durch kann? Ich habe in Champion zu tun.«

      »Das bezweifle ich«, erwidert Mikellson lachend. »Das Einzige, was es in Champion überhaupt zu tun gibt, ist Fischen, Jagen und Campen.« Er schaut in den verfrühten Winterhimmel und die ständig fallende Asche hoch. »Und das kann man jetzt alles nicht mehr machen.«

      »Ja, stimmt«, meint Linder nickend und holt unter dem Beifahrersitz einen braunen Briefumschlag hervor. Er öffnet ihn und nimmt das Foto eines kleinen Jungen heraus. »Haben Sie diesen Jungen schon mal gesehen?«

      Mikellson streckt die Hand nach dem Bild aus und Linder lässt es daraufhin widerstrebend los. Der Deputy sieht sich das Foto ein paar Sekunden lang intensiv an und schüttelt dann den Kopf.

      »Kann ich nicht behaupten, Special Agent«, sagt Mikellson.

      »Linder«, entgegnet dieser grinsend. »Sie können ruhig Linder zu mir sagen.«

      »Also, Linder, er erinnert mich spontan an niemanden«, antwortet Mikellson. »Aber wir haben hier im Sommer so viele Kinder, dass es schwer ist, sie alle auseinanderzuhalten. Den Winter über vergesse ich sie normalerweise alle und hab dann wieder Platz im Kopf für die neuen Gesichter, die zum Frühlingsende hier aufkreuzen.«

      »Natürlich, das kann ich gut verstehen«, meint Linder und tippt mit dem Finger auf das Bild. »Aber das hier ist ein altes Foto, das gemacht wurde, als er sechs Jahre alt war. Der Junge müsste jetzt ungefähr siebzehn sein. Ich suche bereits seit seiner Geburt nach ihm, und ein Tipp hat mich hierhergeführt. Er ist wahrscheinlich viel größer und hat vielleicht sogar mittlerweile einen Bart. Und er lebt bei einer älteren Frau, glaube ich zumindest. Rote Haare, grüne Augen, sieht wie ein altes Fotomodell aus dem L.L. Bean-Katalog aus. Oder zumindest sah sie einmal so aus.«

      Mikellson gibt Linder das Foto zurück und schüttelt den Kopf. »Sorry, Linder. Ich würde Ihnen ja gerne helfen, aber leider kann ich's nicht. Diesen Jungen habe ich noch nie gesehen, und um ehrlich zu sein – es gibt wirklich viele gut aussehende ältere Frauen hier. Die sind in unserer Gegend keine Seltenheit.« Mikellson lacht kurz auf und schlägt dann mit der Hand gegen die Autotür. »Tut mir leid, dass Sie Ihre Zeit damit vergeudet haben, hier raus zu fahren. Sie werden ja bestimmt bei den großen Evakuierungen im Süden gebraucht, oder?«

      Linder betrachtet den Deputy eine Sekunde lang und lächelt dann breit. »Oh, ich glaube nicht, dass ich Zeit verschwendet habe«, sagt er und deutet dann auf die Streifenwagen. »Haben Sie was dagegen, wenn ich durchfahre und mal mit Ihrem Sheriff rede? Ich verspreche Ihnen auch, ihn nicht allzu lange zu belästigen.«

      »Sie«, erwidert Mikellson daraufhin. »Sheriff Stieglitz ist eine Frau.«

      »Tatsache?«, fragt Linder erstaunt. »War mir gar nicht bewusst, dass Montana so fortschrittlich ist.«

      »Wir befinden uns in Lincoln County«, erklärt Mikellson. »Wenn man für den Job qualifiziert ist, kann man ihn auch haben. So läuft das hier. Und es ist nebenbei bemerkt das einundzwanzigste Jahrhundert.«

      »Dann darf ich also zu Sheriff Stieglitz fahren? Ich werde ihr auch nicht weiter auf die Nerven fallen«, sagt Linder. »Großes Pfadfinderehrenwort.«

      Mikellson starrt Linder ein paar Sekunden lang an und nickt dann. Anschließend tritt er vom Auto zurück und zieht sich die Maske über Nase und Mund.

      »Machen Sie nur«, entgegnet Mikellson, dreht sich um und winkt dem anderen Deputy zu, der bei den Streifenwagen steht.

      Der Mann legt den Kopf schief, zuckt mit den Schultern und steigt dann in seinen Polizeiwagen. Der Motor stottert beim Starten, fängt sich dann aber wieder, und der Deputy fährt weit genug rückwärts, um Platz für Linders Auto zu machen.

      »Danke, ich weiß das wirklich zu schätzen«, sagt Linder, als er die Automatikschaltung betätigt. »Es dauert auch nur ein paar Minuten, dann bin ich wieder unterwegs und Sie sind mich los. Ich weiß, dass Sie im Moment wichtigere Dinge im Kopf haben, als sich um einen blöden FBI-Agenten Gedanken zu machen, der ausgerechnet dann auftaucht, wenn Sie versuchen, Ihre Freunde und Nachbarn in Sicherheit zu bringen.«

      »Uns ist zurzeit nicht gerade langweilig, das stimmt schon«, sagt Mikellson, während er Linder vorbeiwinkt. »Passen Sie auf und behalten Sie die Luftfilteranzeige im Blick, denn die Asche kommt immer dichter runter.«

      »Danke, Deputy Mikellson.« Linder nickt ihm zu, rollt sein Fenster wieder hoch und fährt langsam an den beiden Streifenwagen vorbei.

      Der zweite Deputy wartet noch eine Minute lang und fährt seinen Wagen dann zurück in die ursprüngliche Position, sodass beide Spuren des Highways 37 wieder gesperrt sind.

      »Wer war denn das?«, fragt Deputy Shane Weaver, der seinen aufgeschwemmten Körper mühsam aus dem Wagen bugsiert und seine Gesichtsmaske zurechtrückt. »Stephie hat doch gesagt, dass wir keinen durchlassen sollen.«

      »FBI«, entgegnet Mikellson. »Er sucht nach jemandem.«

      »In diesem Mist?«, fragt Weaver mit ausgebreiteten Armen, während die Asche weiter fällt. »Nach wem sucht er denn?«

      »Nach jemandem, der nicht gefunden werden will«, erwidert Mikellson.

      ***

      Sheriff Stephie Stieglitz steht mit ruß- und schweißverschmierter Stirn auf dem Gehweg vor Sheena's Diner und sieht einer Familie dabei zu, wie diese in einen der Schulbusse steigt, mit denen sie die Bevölkerung von Champion evakuieren. Der Vater hilft dem kleinsten Kind gerade die Stufen hoch, während die Mutter die Hand der älteren Schwester hält und wartet, dass sie einsteigen können. Das Mädchen wirft noch einen Blick über die Schulter und verengt die Augen – ihr Lachen ist hinter der OP-Maske versteckt.

      Stephie zieht ihre eigene Maske kurz herunter, damit das Mädchen ihr beruhigendes Lächeln sehen kann. Champion ist ein sehr kleiner Ort und Stephie kennt daher jede einzelne Person, die in den schmutzigen gelben Schulbus steigt. Das kleine Mädchen, Brita Hoverson, ist letzten Montag gerade erst sieben Jahre alt geworden. Genau an dem Tag, als Yellowstones Supervulkan anfing, Asche in die Luft zu spucken.

      Nach Stephies Meinung ein ziemlich dämliches Geburtstagsgeschenk.

      »Hey, Stephie«, ruft Deputy Mikellsons Stimme vom Funkgerät an ihrer Hüfte.

      Stephie zieht ihre Maske wieder hoch und nimmt das Funkgerät in die Hand. »Was gibt's, Eric? Hältst du noch mit Shane die Stellung?«

      »Es ist Besuch zu dir unterwegs«, antwortet Mikellson und verzichtet auf weiteren Small Talk. Das erregt sofort Stephies Aufmerksamkeit. Eric Mikellson ist nämlich für seinen Charme und seine Höflichkeit bekannt. Wenn er diese nicht spielen lässt, ist die Lage äußerst ernst.

      »Was für Besuch denn?«, fragt Stephie


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