KAIJU WINTER. Jake Bible

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KAIJU WINTER - Jake Bible


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Verstehen Sie, was ich meine?«

      »Aber sicher«, erwidert Linder nickend. »Auf jeden Fall.«

      Er streckt seine Hand aus und Stephie schüttelt sie.

      »Es war mir ein Vergnügen, Sheriff«, sagt er, als er auf den ersten Bus zugeht. »Hoffentlich werden Sie eine Reise ohne Zwischenfälle haben.«

      »Danke, Mr. Linder«, antwortet Stephie. »Und auch viel Glück für Ihre Suche.«

      Linder hält inne und sieht Stephie ein paar Sekunden lang an, bevor er den Kopf schüttelt. »Danke, Sheriff. Glück kann ich wirklich gebrauchen.«

      Schnell geht er auf den ersten Bus zu und zieht dann das Foto des Jungen heraus, als er die Stufen hochgeht und sich neben den Fahrersitz stellt.

      »Hallo allesamt, mein Name ist Special Agent Tobias Linder vom FBI. Ich will hier niemandem Schwierigkeiten bereiten, sondern möchte nur kurz wissen, ob Sie diesen Jungen schon einmal gesehen haben.«

      ***

      »Grandma!«, ruft Kyle Morgan. »Eric ist da! Wir müssen los!«

      Mit seinen siebzehn Jahren misst Kyle bereits über einen Meter achtzig und wächst immer noch. Sein blonder Haarschopf schaut unter der Baseballkappe hervor und eine Krankenhausmaske versteckt sein breites Grinsen, als er dem Streifenwagen zuwinkt, der gerade neben dem Blockhaus zum Stehen kommt, das er sich mit seiner Großmutter Terrie Morgan teilt.

      Wobei sie diesen Nachnamen eigentlich schon lange nicht mehr benutzt haben. Die meisten Leute wissen genug, um sie sicherheitshalber »die Holdens« zu nennen, wenn Fremde in der Nähe sind. Ihre wahre Identität ist in Champion ein offenes Geheimnis, aber eins, das alle akzeptieren. Der Norden von Montana ist eine Gegend, in die Menschen auf der Flucht vor einer Vergangenheit ziehen, die sie lieber komplett vergessen wollen – von daher haben Kyle und Terrie gleich von Anfang an sehr gut hierher gepasst.

      »Hey, Kyle«, ruft Mikellson und steigt aus dem Streifenwagen. »Du und Terrie solltet eigentlich inzwischen schon längst im Ort sein.«

      »Hi, Eric«, sagt Kyle, der zu ihm hinübergeht und ihm die Hand schüttelt. »Biscuit ist hinter irgendwas hergelaufen und Grandma ist ihm natürlich mal wieder nachgerannt.«

      »Wir können aber leider nicht warten, bis dein Hund wieder auftaucht, Kyle«, antwortet Mikellson. »Das weißt du doch oder?«

      »Grandma geht hier ohne Biscuit aber bestimmt nicht weg«, sagt Kyle lachend, »und das weißt du auch. Manchmal glaube ich, dass sie den Hund lieber mag als mich.«

      »So ein Schwachsinn«, entgegnet Mikellson. »Jeder in Champion weiß doch, wie vernarrt Terrie Morgan in ihren Enkel ist.«

      »Terrie Holden, meinst du«, sagt Kyle nachdrücklich.

      »Tja, genau deshalb bin ich hier«, erwidert Eric und deutet mit dem Kopf auf das zweistöckige Blockhaus. »Können wir kurz reingehen, um der Asche zu entkommen? Ich hab das Scheißzeug nämlich allmählich richtig satt.«

      »Immer langsam mit den Kraftausdrücken, Eric Mikellson«, fährt ihn Terrie Morgan plötzlich an, die hinter einem riesigen Husky-Wolfsmischling namens Biscuit um die Ecke des Blockhauses auftaucht. »Was um alles in der Welt machst du denn hier? Solltest du nicht eigentlich die Straße bewachen?«

      »Wir haben ein Problem«, erklärt Mikellson. »Es ist jemand aufgetaucht, der nach euch sucht.«

      Terrie Morgan, eine gut aussehende Frau Anfang sechzig, ist fast ebenso groß wie ihr Enkel. Ihr hellrotes Haar ist inzwischen fast ganz weiß und unter ihrem aschebedeckten Cowboyhut zu einem Dutt gedreht. Ihr Gesicht ist von der Sonne und dem Wind verwittert, hat aber etwas von der glühenden Jugend und Charakterstärke beibehalten, die unter der Bevölkerung von Nordmontana so häufig zu finden ist. Ein Teil ihrer Stärke verfliegt allerdings sofort angesichts von Mikellsons Worten.

      »Beweg deinen Hintern sofort ins Haus«, sagt Terrie, »und erzähl mir, was los ist.« Sie dreht sich um, schlägt sich gegen die Oberschenkel, und Biscuit geht sofort bei Fuß – die gesamten fünfzig Kilo Hund trotten im Gleichschritt neben ihr her, während sie alle ins Haus gehen.

      Terrie nimmt vorsichtig den Hut vom Kopf und setzt ihn auf eine Ablage neben der Tür. Sie ziehen sich die ascheverstaubten Jacken aus und hängen sie auf, während Biscuit zu der großen Hirschledercouch rennt, hochspringt, sich vier Mal um die eigene Achse dreht und dann mitten in einer Aschewolke hinlegt.

      An den Wänden des Blockhauses hängen Tierschädel aller Art und aller Größen neben kleinen und großen Fotos von Kyle mit Terrie und auch von Terrie und Kyle mit einer Frau, die jünger als Terrie ist und die den beiden stark ähnelt. Es sind auch viele Bilder dabei, auf denen Terrie Arm in Arm mit Stephie zu sehen ist; auf manchen ist Kyle mit dabei, auf anderen nicht. Offensichtlich ist das Blockhaus auch das Zuhause von Sheriff Stephie Stieglitz.

      »Verpackt ihr denn gar nichts in Kisten?«, fragt Mikellson verwirrt, als er sich im Haus umsieht und nur ein paar Reisetaschen und Koffer neben der Tür gestapelt sieht, während der Rest der Blockhauseinrichtung genauso aussieht wie immer.

      »Wozu denn?«, fragt Terrie resignierend. »Wenn der Supervulkan hochgeht, wird das Haus garantiert unter Metern von Asche begraben. Da ist es doch wohl ganz egal, ob nun alles in Kisten verpackt ist oder nicht. Wir werden ja schließlich nicht so bald wieder zurückkommen, falls überhaupt jemals.«

      »Stimmt«, meint Mikellson und setzt sich an den Frühstückstisch der offen konzipierten Küche.

      »Wird das ein gemütlicher Plausch?«, fragt Terrie mit in die Taille gestemmten Händen. »Sag doch einfach, was los ist!«

      »Special Agent Tobias Linder ist gerade in den Ort gefahren«, erzählt Mikellson. »Bist du dir sicher, dass du dich nicht lieber hinsetzen willst?«

      »Scheiße«, ruft Terrie und überrascht damit sowohl Kyle als auch Mikellson. »Entschuldigung.«

      Sie setzt sich hin und bedeutet dann Kyle, sich ebenfalls einen Stuhl zu nehmen. »Wo ist er denn jetzt genau?«, erkundigt sich Terrie.

      »Das Letzte, was ich gehört habe, war, dass er mit Stephie geredet hat«, antwortet Mikellson. »Sie wird ihn schon irgendwie wieder loswerden, aber ich weiß nicht, wie lange das dauert.«

      »Wer ist denn Special Agent Tobias Linder überhaupt?«, fragt Kyle.

      Mikellson sieht Terrie überrascht an, aber die Frau schüttelt nur stumm den Kopf und der Deputy fragt nicht weiter nach.

      »Er ist vom FBI«, sagt Terrie zu Kyle. »Er ist einer der Gründe dafür, dass wir hier leben.«

      »Ich habe gedacht, dass das FBI beim Zeugenschutzprogramm hilft«, meint Kyle. »Wieso haben wir denn dann Angst vor ihm?«

      »Ich habe keine Angst vor dem Mann«, sagt Terrie barsch. »Niemals.«

      Kyle sieht von seiner Großmutter zu Mikellson, seufzt dann und verschränkt die Arme.

      »Also, wer ist er?«, fragt Kyle.

      »Ärger«, antwortet Terrie.

      »Und eine Behinderung«, erklärt Mikellson. »Wenn er im Ort bleibt, bedeutet das, dass ihr keinen von den Bussen nehmen könnt.«

      »Ich würde sowieso viel lieber mit dem Bronco fahren«, entgegnet Terrie. »Bei dem Gedanken daran, in einen dieser Schulbusse gequetscht zu werden, wird mir ganz übel. Und Biscuit wird's bestimmt auch nicht gefallen.«

      Als er seinen Namen hört, schaut der riesige Mischling sofort hoch und bellt leise. Dann rollt er sich wieder zusammen und schließt die Augen.

      »Siehst du?«, sagt Terrie. »Er ist jetzt schon ganz gestresst.«

      »Ihr zwei habt mir immer noch nicht gesagt, wieso wir uns vor diesem Linder-Typen verstecken«, wirft Kyle ein. »Vielleicht hat Mom ihn ja hergeschickt. Die US-Marshals und das FBI arbeiten doch andauernd zusammen. Vielleicht ist er ja gekommen, um zu helfen, die Busse zu dem Konvoi zu eskortieren.«


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