Die Mission der Maru Tai. Mara Laue

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Die Mission der Maru Tai - Mara Laue


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er darauf keine Antwort bekommen hatte. Oder war er nur höflich, machte Small Talk und thematisierte deshalb Dinge, die ihm schon bekannt waren? Sie stellte fest, dass sie rein gar nichts über die Skusann wusste, außer dass und wo sie existierten. Sie sollte das schleunigst ändern, bevor sie bei Lepathu in ein vermeidbares Fettnäpfchen trat. Schließlich trafen sie sich nicht nur beim Essen, sondern teilten dieselbe Kabine.

      Sie plauderte noch eine Weile mit ihm über unverfängliche Dinge, bis er seine Mahlzeit aufgegessen hatte und sich verabschiedete. Yora blieb noch und wischte nachdenklich die restliche Gemüsesoße mit Brotstücken vom Teller. Lepathu hatte noch andere Dinge nicht gewusst, die er nach sieben Jahren unter Menschen hätte wissen müssen. Zum Beispiel dass die ersten Schiffe der Chamäleon-Klasse erst vor fünf Jahren in Dienst gestellt worden waren. Solche Dinge wurden in der gesamten Flotte publik gemacht.

      Der Rest – Yora mochte nicht glauben, dass seine mangelnden Kenntnisse auf rassistische Ausgrenzung zurückzuführen waren, die er hatte erdulden müssen. Ja, es gab Ressentiments gegenüber anderen Völkern, aber mehrheitlich Menschen wie Yora, die ihnen aufgeschlossen gegenübertraten. Sie beschloss, sich seine Personalakte genau anzusehen. Ein Vorteil ihres Postens bestand darin, dass sie dazu jederzeit befugt war.

      Lieutenant Giorgia Sansonetti, ihre Stellvertreterin im Sicherheitsteam, trat an ihren Tisch. »Darf ich Sie einen Moment stören, Ma’am?«

      »Bitte.« Yora deutete auf den Platz, den Lepathu vorher geräumt hatte. Sansonetti setzte sich. »Was gibt es?«

      »Ich habe auf meinem Kontrollgang vorhin bemerkt, dass ein nicht registrierter Frachtraum zwischen den Räumen elf und zwölf existiert, der sich nicht öffnen lässt.«

      Yora nickte. »Captain Chen hat die Anweisung erteilt, diesen Raum zu ignorieren.« Verdammt! Das hatte sarkastisch geklungen. Wie die Kritik an Chens Befehl, die Yora tatsächlich meinte. Aber man kritisierte Befehle von Vorgesetzten nicht gegenüber Untergebenen.

      »Verzeihung, Ma’am, aber«, Sansonetti räusperte sich, »kommt Ihnen das nicht ...« Sie suchte nach Worten. »Finden Sie das nicht merkwürdig?«

      Yora fand nicht nur das merkwürdig. Aber das konnte sie gegenüber Sansonetti nicht zugeben. Denn man diskutierte Befehle ebenfalls nicht mit Untergebenen. Der Preis der Führungsposition. Die sich in diesem Moment recht einsam anfühlte.

      »Captain Chen wird ihre Gründe haben«, antwortete sie Sansonetti. »Wir befolgen ihre Befehle.«

      Sansonetti verstand den unsubtilen Hinweis. »Ja, Ma’am.« Sie grüßte und ging.

      Yora fühlte sich ein wenig beruhigt, weil der geheime Frachtraum auch Sansonetti misstrauisch gemacht hatte. Aber sie hatte sich immer noch nicht entschieden, wie sie in der Sache vorgehen wollte. Ob sie überhaupt etwas unternehmen sollte. Immerhin war die Chamäleon-Klasse für alles Mögliche einsetzbar. Das schloss auch Geheimaufträge des Flottenkommandos oder sogar der Regierung mit ein. Was, wenn es sich um eine solche Geheimsache handelte? Wenn Yora allzu intensive Nachforschungen anstellte, könnte das die Mission gefährden. Wenn sie es nicht tat, könnte sie einem Verbrechen Vorschub leisten.

      Sie beschloss, den Raum im Auge zu behalten und vorläufig Chens Befehl zu befolgen, sich nicht weiter um ihn zu kümmern.

      Die vier Bildschirme im Speisesaal blendeten eine leuchtendrote blinkende Umrandung ein, das Zeichen, dass wichtige Nachrichten übertragen wurden. Eine Sekunde später zeigte ein Bild innerhalb dieses Rahmens den Planeten Tema aus dem All. Nicht nur Yora stockte der Atem, denn der Planet war von Tausenden Schiffen der Arsan-Flotte umzingelt, die ununterbrochen auf ihn feuerten. Die Geschosse prallten unmittelbar außerhalb der Atmosphäre auf ein Hindernis, das unter dem Beschuss weiß-grün schimmerte. Unten im Bild lief ein Spruchband, das »Eilmeldung!« verkündete.

      »Diese Bilder erreichten vor einer Stunde unseren Sender«, sagte ein Sprecher aus dem Off. »Die Quelle – ein aggyonischer Raumkreuzer, der Hilfsgüter nach Tema liefern wollte – berichtet, dass insgesamt zwölftausend Schiffe der Arsan-Flotte den Planeten eingekreist haben und ihn unter Dauerbeschuss halten. Tema kann sich gegenwärtig noch mit einem den gesamten Planeten umspannenden Abwehrschild schützen, wie wir auf der Aufzeichnung sehen. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis er zusammenbricht und die Temanai der offenbar geplanten Invasion schutzlos ausgeliefert sind. Der IMU-Rat wurde bereits zusammengerufen, um zu beraten, welche Gegenmaßnahmen zu ergreifen sind. Doch wie sich die Lage darstellt, gibt es nur zwei Optionen: Krieg oder Flucht vor der Versklavung durch den Arsan-Bund.«

      Und wohin hätten die Evakuierten fliehen können? Mit kamurbetriebenen Waffen und Antrieben gäbe es für die Arsan-Völker keine Grenzen mehr. Früher oder später würden sie auch jene Planeten zu erobern versuchen, auf denen die Evakuierten Zuflucht gefunden hatten. Davon abgesehen gab es auf keiner Welt genug Raumschiffe, um die gesamte Bevölkerung mit allem zu evakuieren, was sie brauchten, um einen anderen Planeten zu besiedeln oder auch nur, um ihre persönlichen Sachen zu einer bereits besiedelten Welt zu bringen, dessen Volk sie aufzunehmen bereit wäre. Auf der Erde müssten nach Yoras Schätzung mindestens achtzig Prozent der Bevölkerung zurückbleiben. Und wer wollte entscheiden, wer in die trügerische Freiheit fliehen durfte und wer der Eroberung der Arsan-Völker ausgesetzt wurde?

      Allerdings hatte sich durch diese neue Entwicklung für die MARU TAI der Flug nach Tema erübrigt, denn die Arsan-Schiffe würden sie kaum passieren lassen, um ihre Hilfsgüter abzuliefern. Außerdem hätten die Temanai zu dem Zweck ihren Schutzschild zumindest in einem Teilsegment deaktivieren müssen, um das Schiff durchzulassen. Und das hätten die Arsans gnadenlos ausgenutzt.

      Yora blickte zu Commander Wendt, der immer noch an seinem Tisch saß und unverwandt auf einen der Bildschirme starrte. Sein Gesicht zeigte einen besorgten Ausdruck, und seine Lippen bewegten sich, als würde er lautlos etwas sagen. Möglicherweise sprach er ein Gebet. Das hatten die Temanai auch nötig.

      »In den vergangenen Tagen«, fuhr der Nachrichtensprecher fort, »sind bereits Vermutungen laut geworden, dass die Naturkatastrophe auf Tema das Ergebnis gezielter Sabotage war. In Anbetracht des Angriffs der Arsan-Flotte kann man das wohl als Fakt betrachten. Die Frage ist jetzt, was die IMU tun sollte oder überhaupt tun kann, um die dadurch entstandene Bedrohung abzuwenden oder zumindest in Schach zu halten. Der regierende Rat von Terra rät allen Menschen, Vorkehrungen für eine Evakuierung zu treffen, betont aber, dass kein Grund zur Panik besteht. Bis die Arsan-Flotte Tema erobert hat, vergehen nach fundierter Schätzung von Expertinnen und Experten mindestens vier Wochen. Bis sie ihre Schiffe mit Kamurkristallen bestückt haben werden, wird es mindestens weitere zwei Monate dauern, wenn nicht länger. Die Regierung rät: Handeln Sie besonnen.«

      Yora hatte genug gehört. Der Rat zur Besonnenheit war zwar gut, aber er verfehlte seine Wirkung. Zumindest bei den im Speisesaal Anwesenden spürte sie Angst, Wut und Besorgnis. Abgesehen davon teilte sie die Schätzung der zur Vorbereitung verfügbaren Zeit nicht. Sicherlich war diese Angabe nur ein Beruhigungsmittel für den nichtmilitärischen Teil der Bevölkerung, denn wer in der Flotte diente, wusste selbstverständlich, dass man immer vom schlimmsten Fall ausgehen und auf diesen vorbereitet sein musste, wenn man überleben wollte.

      Sie trommelte den wachhabenden Teil ihrer Sicherheitscrew zusammen und ging mit den Leuten in den letzten verbliebenen Aufenthaltsraum des Schiffes. Alle Crewmitglieder, die dienstfrei hatten, hatten sich inzwischen dort eingefunden, um die unerwartet aufgetauchte Bedrohung zu diskutieren. Die Präsenz der Sicherheitsleute sorgte dafür, dass die Diskussionen gesittet verliefen und nicht zu hitzig wurden oder dass jemand von Panik übermannt wurde. Inhaltlich drehte sich alles um die gleichen Dinge, über die Yora sich auch schon Gedanken gemacht hatte.

      Nur in einem waren sich alle einig: dass die MARU TAI unverrichteter Dinge umkehren würde.

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