Die Mission der Maru Tai. Mara Laue

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Die Mission der Maru Tai - Mara Laue


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      »Ich kümmere mich darum. Begeben Sie sich zur Personenschleuse drei, Lieutenant. Dort trifft in ein paar Minuten unser neuer Chefingenieur ein. Damit Sie sich nicht wundern: Er ist ein Skusann.«

      Neuer Chefingenieur? Abgesehen davon, dass man Yora in ihrer Eigenschaft als Sicherheitschefin von einem Wechsel in der Crew im Vorfeld hätte unterrichten müssen, damit sie die Person gemäß den Vorschriften überprüfte: »Was ist mit Lieutenant Commander Gonzales?«

      »Sie wurde aufgrund eines familiären Notfalls vorübergehend von ihren Pflichten an Bord beurlaubt und befindet sich bereits auf dem Rückweg zur Erde. Der Skusann ist der einzige Ingenieur, der auf Frachtbasis sieben-drei-drei zur Verfügung stand und für die Basis entbehrlich ist.«

      »Wie ist sein Name?«

      »Lepathu. Und, Lieutenant, weil keine andere Unterkunftsmöglichkeit mehr frei war, werden Sie Ihr Quartier mit ihm teilen.«

      Das auch noch! Chen hasste sie, keine Frage, denn mit Sicherheit hätte es eine andere Unterbringungsmöglichkeit gegeben. »Ja, Ma’am«, bestätigte Yora in dem gleichmütigsten Tonfall, den sie zustande brachte. »Gibt es sonst noch etwas, das ich wissen müsste, Ma’am?«

      »Nein.«

      Chen hatte die Verbindung unterbrochen, bevor Yora antworten konnte. Sie erwog, für den Skusann ein eigenes Quartier einzurichten; über Chens Kopf hinweg. Aber vermutlich wartete der Captain nur auf so eine Gelegenheit, um Yora ordentlich einheizen zu können. Immerhin war die Unterbringung des Skusann in Yoras Quartier eine dienstliche Anweisung, die zu ignorieren einer Befehlsverweigerung gleichkam. Also war es besser zu gehorchen.

      Sie seufzte und ging zu ihrer Kabine. Sie aufzuteilen war nicht besonders schwer, denn sie bestand, neben der Nasszelle und einem Nahrungs- und Getränkespender, aus einem kombinierten Schlaf- und Wohnbereich. In die Möbel waren Antigravmodule eingearbeitet, mit denen sie bequem vom Boden gelöst und ohne Anstrengung verschoben werden konnten.

      Yoras Bett stand ohnehin in einer Raumecke. Sie schob einen Sessel und ihre Arbeitsstation daneben. Sie ließ das Notbett und die Ersatzarbeitsstation aus der gegenüberliegenden Wand klappen und stellte den zweiten Sessel zwischen beide. Anschließend ließ sie Trennwände hochfahren. Wenn man nun die Hauptkabine betrat, befand man sich einer Trennwand mit zwei Eingängen zu separaten Räumen gegenüber. Lagerfächer für Kleidung und persönliche Gegenstände waren in jeder Kabinenaußenwand eingearbeitet.

      Yora räumte ihre Sachen aus den Schränken der einen Raumhälfte in die andere und begutachtete ihr Werk. Weil die Raumteilungssegmente eigentlich nur der persönlichen Gestaltung dienten, gab es keine Tür, die man hätte schließen können. Eine echte Privatsphäre war also nicht möglich, bis die Hilfsgüter auf Tema abgeliefert waren und das Schiff innen wieder seine normalen Dimensionen annehmen konnte. Aber das würde schon gehen. Yora verließ die Kabine.

      »Schleusenwache an Sicherheitschefin«, kam eine Meldung über ihr Armbandsprechgerät.

      »Ja«, meldete sie sich, was sowohl signalisieren sollte, dass sie die Meldung empfing wie auch, dass sie wusste, worum es darin ging.

      »Hier ist ein Skusann, der behauptet, er gehöre ab heute zur Crew.« Die Stimme der Schleusenaufsicht klang misstrauisch. Kein Wunder.

      »Ich komme«, versicherte sie und stieg in den Lift, der sie zur Schleuse 3 brachte.

      Als sie ankam, stand der Skusann vor dem großen Hauptbildschirm im Schleusenraum, der die Umgebung des Schiffes zeigte, und beobachtete die Roboterkolonnen, die aus dem Frachtzentrum strömten und Container zur MARU TAI beförderten. Yoras erster Eindruck von ihm war: blau. Zwar wusste sie, dass alle Skusann eine blaue Haut hatten, aber sie war noch nie zuvor einem Vertreter dieses Volkes begegnet.

      Skusaros, ihr Heimatplanet, umkreiste die Sonne Alwaid im Sternbild Drache, 365 Lichtjahre von der Erde entfernt. Zu den Skusann gab es wenig Kontakt, nicht nur wegen der relativ großen Entfernung. Zwar hatten sie sich vor fünf Jahren der Ikan Muron Union angeschlossen, aber sie blieben dennoch weitgehend für sich. Als ob die Bedrohung durch die Völker des Arsan-Bundes sie nichts anginge. Eine Einstellung, die nicht ganz ungerechtfertigt war, denn zwischen der Grenze des Territoriums, das die Arsans beanspruchten, und Skusaros lagen über fünfhundert Lichtjahre. Da die Arsan-Völker bei ihren Eroberungen systematisch vorgingen, würden noch Jahrzehnte vergehen, bis sie Skusaros erreichten, falls sie jemals so weit kämen.

      Ein Umstand, der bei manchen Leuten die Überlegung hatte laut werden lassen, die Skusann seien womöglich Feiglinge. Ihr Beitritt zur IMU habe sie zwar zu Feinden der Arsans gemacht, aber einen Angriff von ihnen hatten sie noch lange nicht zu befürchten, weshalb sie mit dem Beitritt kein Risiko eingegangen waren. Darüber hinaus galten sie als undurchsichtig und unberechenbar.

      Yora hatte noch nie gehört, dass einer von ihnen Karriere bei einem anderen Volk der IMU gemacht hatte. Doch auf Lepathu musste das wohl zutreffen, denn er trug die hellgraue Uniform der Terranischen Raumflotte und besaß gemäß deren Abzeichen den Rang eines Lieutenants. Er drehte sich um, als er Yoras Schritte hinter sich hörte, und ihr Eindruck von »Blau« wurde verstärkt.

      Seine kräftige königsblaue Hautfarbe kam durch die Haarlosigkeit seines Schädels besonders intensiv zur Geltung. Seine aprikosengroßen Facettenaugen erstrahlten in verschiedenen Blautönen, die durch die Lichtbrechung in den Facetten irisierend erschienen. Das gesamte Gesicht wirkte wie ein Luftballon. Hautüberzogene Knochenplatten umrahmten es, die wie die gespreizte Halskrause einer Kobra wirkten und auf der Stirn über den Augen handbreite Wülste bildeten, die sich zur Stirnmitte verjüngten. Dadurch wirkte das gesamte Gesicht im ersten Moment, als habe man einen Ballon mit einem blauen Herzen umrandet.

      Obwohl es bis auf die Facettenaugen eindeutig humanoid war, fehlten die bei Menschen üblichen Vorwölbungen von Mund und Nase. Die Nase bestand nur aus drei mit einer Hautfalte verschließbaren Löchern unterhalb der Augen, eine lippenlose schmale Öffnung bildete den Mund und zog sich von einer Wange bis zur anderen.

      Der Skusann stand stramm. »Lieutenant Lepathu meldet sich zum Dienst, Meeem!«

      Yora brauchte einen Moment, ehe sie begriff, dass er mit »Meeem« »Ma’am« gemeint hatte, denn sein Flottenenglisch hatte einen deutlichen Akzent.

      Yora grüßte zurück. »Willkommen an Bord, Lieutenant Lepathu. Ich bin Yora Davidoff, Sicherheitschefin. Ihren Überstellungsbefehl, bitte.«

      Der Skusann zog ein Datenpad aus der Brusttasche seiner Uniform und reichte es ihr. Seine vier Finger, die ohne eine erkennbare Hand direkt an seinem Arm saßen, wirkten wie kleine Tentakel, von denen jeder ungefähr zwanzig Zentimeter lang war. Oder wie kleine Schlangen, die sich um das Pad gewunden hatten und es schlängelnd losließen, als Yora es ergriff.

      Sie aktivierte das Pad. Als Erstes wurde das unfälschbare Siegel des Flottenoberkommandos eingeblendet, danach der Versetzungsbefehl, gemäß dem Lieutenant Lepathu mit sofortiger Wirkung der MARU TAI als Chefingenieur zugeteilt wurde. Darauf folgte das DNA-Profil des Skusann.

      Yora nahm ihren Handscanner vom Gürtel und scannte Lepathu. Das Sekunden später eingeblendete DNA-Profil stimmte mit dem auf dem Pad hinterlegten überein. Sie nickte. »Nochmals: Willkommen an Bord. Folgen Sie mir bitte. Ich zeige Ihnen Ihre Unterkunft und danach alles andere.« Sie ging zum Lift.

      Lepathu nahm die Reisebox auf, die er neben sich abgestellt hatte, und folgte ihr.

      Sie betraten den Lift. In der Enge der Kabine wurde Yora erst richtig bewusst, dass der Skusann sie um ungefähr einen halben Meter überragte. »Wir werden uns eine Kabine teilen«, eröffnete sie ihm. »Um den größtmöglichen Stauraum für die Hilfsgüter zu haben, wurde alles an Platz freigeräumt, was möglich war. Was bedingt, dass auch Unterkünfte zusammengelegt wurden.«

      »Das ist sinnvoll«, stimmte Lepathu der Maßnahme zu. Er richtete eines seiner Augen auf Yora, während das andere weiterhin geradeaus blickte. »Ich hoffe, das macht Ihnen nichts aus.«

      Es machte ihr eine Menge aus. »Warum sollte es?«

      »Weil sich Menschen nach meinen Informationen


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