Jedem das Seine - Band I. Nataly von Eschstruth

Читать онлайн книгу.

Jedem das Seine - Band I - Nataly von Eschstruth


Скачать книгу
welche geradezu Unbegreifliches leisten und enorme Kolli auf Kopf und Rücken tragen, stampfen vorüber; Verkäufer aller Arten und Nationen bieten laut schreiend ihre Waren an, ein alter, sehr bunt und malerisch gekleideter Türke bietet strohgeflochtene, korbartige Taschen und Pfauenfedern feil und ein paar verschleierte Frauen, von sehr ernst dreinschauendem Perser begleitet, handeln und feilschen ohne Ende mit ihm, bis ein paar kräftige Neger sich mit buntem Glitzerkram, Ketten, Spangen und Nadeln dazwischendrängen.

      Welch ein Leben und Treiben!

      Es ist kaum möglich, all das unendlich Mannigfaltige mit dem Blick zu umfassen. Matrosen von Kriegs- und Handelsschiffen fast aller Nationen hasten lachend und schwatzend vorüber, jüdische Schnorrer schreien und preisen ihre Waren an, Araber, Derwische, elegante Europäer mit Frau, Kindern und Dienerschaft, Armenier, Griechen, katholische Mönche, eilige Touristen ... alles schiebt und windet sich in schier sinnverwirrender Weise durcheinander.

      Die Zeit fliegt trotz der drückenden Hitze wie ein Traum. — Mortimer hatte die Uhr gezogen, um zu sehen, ob es sich noch lohnen würde, unter das bunte Zelt eines türkischen Kaffeehauses zu treten, als sich eine Hand auf seine Schulter legt und Hans Schlüchtern ihn in seiner lebhaften, herzlichen Weise begrüsst. Neben ihm steht ein sehr distinguiert aussehender Herr in weissem Flanellanzug, mit einem breitrandigen Strohhut, welcher ein sehr blasses, von dunkelblondem Bart umrahmtes Gesicht beschattet, aus welchem ein paar kluge, aber ersichtlich müde Augen äusserst liebenswürdig dem jungen Offizier entgegenschauen ...

      Es ist Herr Benno Haulsen, der Chef Schlüchterns, ein reicher Grosskaufmann, welcher schon seit langen Jahren in Skutari seinem bedeutenden Handelshause persönlich vorsteht.

      Er begrüsste Mortimer sehr herzlich und lud ihn voll echt orientalischer Gastfreundschaft allsogleich ein, das Mittagsmahl im Kreise seiner Familie in Prinkipo einzunehmen.

      „Wir sind zwar mit der Reihe der Jahre schon halbe Türken hier geworden, was Sitten und Gebräuche anbetrifft“ — sagt er scherzend, „aber nur zweimal in der Woche warm zu essen, wie dies selbst bei den reichsten Moslim geschieht, hat meine kleine Frau doch noch nicht fertig gebracht! Ich weiss freilich nicht, ob sie auf einen Gast vorbereitet ist, aber ich hoffe, Herr von der Marken, Sie rechnen heute nur mit dem guten Willen und nehmen mit dem, was da ist, fürlieb!“

      Selten hatte eine Bekanntschaft den jungen Offizier so lebhaft interessiert, wie die Haulsens, denn seit Schlüchtern ihm erzählt, dass der Grosskaufmann im Hause Suleiman-Achmeds bekannt sei, war es wie eine geheime Sehnsucht über ihn gekommen, durch diese Vermittlung einmal einen Blick in das geheimnisvolle Innere eines türkischen Haushalts tun zu können.

      Unter dem Sonnensegel war es schattig und ein frischer Lufthauch wehte von dem leicht sich kräuselnden Wasser des Goldenen Horns empor.

      Das Schiff setzte sich gemächlich in Bewegung, die drei Herren hatten sich Zigaretten entzündet und blickten über die blau sich kräuselnden Spiralen der Wölkchen hinweg nach den Ufern, woselbst die Stadt so lustig, bunt und üppig gleissend lag, dass sie beinah’ die Augen blendete.

      Gold und Geglitzer überall!

      Farben, Blumen, — flatternde Fähnchen — und ein Leben, so heiss pulsierend wie bei einem Fieberkranken!

      Die Hitze war nicht lästig, sie hatte etwas Lösendes, unsagbar Wohliges hier auf den azurfarbenen Wassern, man hatte das Gefühl, die Arme zu dehnen und nichts anderes als nur das eine zu denken: Geniessen! In all dieser Pracht und Herrlichkeit glücklich sein! Ohne Grübeln, ohne Überlegen, — in den Tag hineinträumen wie jene drei Orgelspieler, welche sich unter den dunklen Zypressen ausgestreckt haben und, die Arme unter dem Kopf und den Tschibuk im Munde, den Abend erwarten, wo sie unter den Eschenholzläden der Cadines, der vornehmen türkischen Damen, ihre gutbezahlten Ständchen bringen werden!

      Und weiter und weiter glitt das Schiff; die Mehrzahl der bunt zusammengewürfelten Fahrgäste verliess es in Haidar-Pascha und nur das bessere Publikum setzte die Fahrt nach Prinkipo fort.

      Bald tauchte das lieblichste aller Eilande aus dem kristallklaren Wasserspiegel empor.

      Wundervoll lauschige Gärten zogen sich bis zum Strand hinab.

      Dunkle Lorbeeren und Zypressen malten ihre blaugrünen schattigen Konturen gegen den lichtgebadeten Himmel, Mandel- und Myrtengebüsche, Oleander und Granaten mit ihren leuchtendroten Blütenbüscheln webten sich dazwischen und der betäubend starke Duft von vielen Tausenden der köstlichsten Rosen, Nelken, Orangen und Levkoyen schwoll in heissen Wogen über die stille Flut selbst bis hierher an das Schiff.

      Inmitten der Insel erhoben sich sanftgewellte Bergrücken zu ansehnlicher Höhe, die romantischen Bauten von Klöstern und Schlössern grüssen herüber, entzückende, weissschimmernde Villen, malerische bunte Kioske mit mächtigem Goldgitter lachen durch die schlanken Palmwedel, und vor den Marmorstufen der Treppen schaukeln sich zierliche Nachen, bereit, die verschleierten Schönen, die verbannten Prinzessinnen aus dem Harem des Suleiman-Achmed in verschwiegener Nachtstunde aufzunehmen. —

      Tief versteckt im lauschigen Grün liegt die Villa Haulsen, und nach Stunden schon ist Mortimer so heimisch dort geworden wie ein langjähriger Freund, welcher, sehnsüchtig erwartet, endlich Einkehr gehalten.

      Die Hausfrau ist eine sehr heitere, elegante, liebenswürdige und humorvolle Frau, welche jede Unterbrechung in der Einsamkeit dieses fremden Landes als wahren Genuss ansieht und voll freudiger Hast anordnet, dass das luftige Fremdenzimmer für den Herrn Leutnant instand gesetzt werde.

      Mortimer will voll bescheidenen Dankes ablehnen, aber seine Gründe sind so wenig stichhaltig, dass er von allen Seiten ausgelacht wird und sein Bleiben in Villa Haulsen selbstverständlich wird, er ahnt es selber kaum wie! —

      Die Kinder sind herzige kleine Blondköpfe, welche voll zutraulicher Neugierde allsogleich Freundschaft mit dem lustigen Onkel schliessen, welcher so viel Verständnis und Interesse dafür hat, dass die Köchin Dora von einer guten alten Aga gelernt hat, Rosenbonbons zu kneten, und dass Sabub, der Gartenbursch’, heute morgen einen Delphin gefangen hat; zwar nur einen ganz kleinen, aber er hat Platz in dem Badebassin, „und das ist der Vorteil seiner Kleinheit!“ hat Sabub sehr richtig bemerkt.

      Natürlich muss das liebe Tier sofort besichtigt werden, die Mama und die blasse, sehr zarte und graziöse Engländerin, welche in nichts der stolzen und spottenden Prinzessin aus Tausend und einer Nacht gleicht, sowie Schlüchtern schliessen sich der Expedition an. —

      Dann sitzt man auf der Veranda, um deren schlanke Säulen eine wahre Wildnis stark duftender Blüten rankt, trinkt Mokka und amüsiert sich, zuzusehen, wie der Hausherr sich bemüht, seine Wasserpfeife „in Zug“ zu setzen; es ist noch immer heiss und die Damen, welche in hellen, spitzenduftigen Toiletten bequem in den breiten Rohrsesseln liegen, behaupten, es sei noch kein Genuss, um diese Stunde im Garten zu promenieren!

      Wenn die Sonne untergehe, habe der Ausblick auf das Meer etwas Bezauberndes, und das Genussreichste, was dieses paradiesische Fleckchen Erde biete, sei und bleibe eine Gondelfahrt im Mondschein, welche alles erfülle, was sich die Phantasie je von der Romantik einer Bosporusfahrt träumen lasse!

      Eine Gondelfahrt!

      Mortimer ist so begeistert von diesem Gedanken, dass es seine liebenswürdigen Wirte ganz selbstredend finden, sie schon an diesem nämlichen Abend auszuführen. Herr Haulsen kann leider nicht daran teilnehmen, da er mit dem letzten Schiff nach Konstantinopel zurück muss, wo ihn am nächsten Morgen dringende Geschäfte erwarten.

      Er verspricht, von der Landungsbrücke eine jener grossen, schweren Barken zu senden, in welcher eine grössere Anzahl Menschen Platz hat und welche zwar etwas langsamer und plumper über das Wasser gleitet als die flinken kleinen Kaiks, aber dafür auch eine absolute Sicherheit gewährt.

      In lustigem Geplauder und Nichtstun verstreicht die Zeit und ein frischer Luftzug, welcher plötzlich die gestreifte Markise hebt, meldet an, dass der glühendrote Sonnenball dem Horizont entgegensinkt.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст


Скачать книгу