Bleib doch, liebes Hausgespenst. Marie Louise Fischer

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Bleib doch, liebes Hausgespenst - Marie Louise Fischer


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legte den Finger an die Nase und dachte nach, „… kann ich ihm auch nicht helfen“, sagte sie endlich.

      „Wie kannst du nur so herzlos sein!“ Schon wieder wurden Monikas Augen feucht.

      „Reg dich bloß nicht auf! Soll ich dir mal sagen, was mit dir los ist? Du hast einfach zu wenig Schlaf.“

      „Aber ich leg mich jeden Mittag hin!“

      „Ja, ich weiß … du verschläfst die schönste Zeit des Tages, um Nacht für Nacht von Amadeus geweckt zu werden. Und dann fließt du auch noch über vor Mitleid um diesen Lauser.“

      „Aber kannst du dir denn nicht vorstellen, wie das ist, Ingrid? Wenn man gar keine Abwechslung hat, nicht essen, nicht schlafen und nicht lesen, ja, nicht einmal lernen oder arbeiten kann? Wenn niemand einen beachtet und einem nichts anderes einfällt als dumme Streiche … na ja, ein paar kluge waren ja auch darunter. Aber kannst du dir nicht vorstellen, wie öd das sein muß und wie langweilig? Hast du denn gar kein Mitleid mit Amadeus?“

      Ingrid schüttelte den Kopf. „Nein“, bekannte sie ehrlich, „höchstens mit dir!“

      Es läutete zum Schulschluß, und kurz darauf kamen die anderen aus dem Klassenzimmer gestürmt. Allen voran stürzte Norbert auf die Freundinnen zu und nahm sie beiseite.

      „Was ist los?“ wollte er wissen. „Warum heulst du, Moni?“

      Sie zog die Nase hoch. „Tu ich ja gar nicht!“

      „Moni ist unglücklich“, erklärte Ingrid in dem belehrenden Ton eines langmütigen Erwachsenen, „weil Amadeus ein so ödes Leben führen muß …“

      „Ja, tut er denn das?“ fragte Norbert erstaunt.

      „… und weil seine unsterbliche Seele keine Erlösung findet“, fügte Ingrid hinzu.

      „Aber wie oft soll ich euch noch sagen … er hat gar keine Seele. Er ist nichts als ein Kobold!“

      Monika funkelte ihn an. „Und woher willst du das wissen?“

      „Alle Sym … sym … sy …“ Norbert kratzte sich am Kopf. „Verflixt, ich komm jetzt nicht drauf!“

      „Meinst du vielleicht … Symptome?“ half Ingrid ihm.

      „Ja, genau. Alle Symptome sprechen dafür. Das haben wir doch nun schon oft genug durchgekaut. Mein Vater sagt …“

      „Aber er kennt ihn doch gar nicht!“

      „Das ist deine eigene Schuld, Monika! Natürlich wär’s besser, mein Vater könnte sich selber überzeugen. So kann ich ihm immer alles nur erzählen, und das noch in verbrämter Form … durch die Blume sozusagen.“

      Ingrid stimmte ihm zu. „Ich finde auch, Moni, wenn du wirklich so besorgt um Amadeus bist, dann solltest du unbedingt Norberts Vater mal einladen. Der versteht was von …“ Sie machte eine kleine Pause.

      „Übernatürlichen Erscheinungen!“ ergänzte Norbert.

      „Der könnte dir bestimmt helfen!“.

      „Und bestimmt wird er auch versprechen, daß er nichts darüber schreibt … jedenfalls nicht so, daß man das Haus am Seerosenteich erkennt.“

      Monika war schon halb überzeugt. „Meint ihr wirklich?“

      „Ja“, sagten Ingrid und Norbert gleichzeitig.

      Sie lachten, verhakten die kleinen Finger, schwenkten schwungvoll die Arme und riefen gleichzeitig miteinander: „Goethe! “ – „Schiller! “

      „Schade.“ Nachdenklich wickelte Monika eine Strähne ihres glatten roten Haares um den Finger. „Es hat nicht geklappt.“

      Ingrid wehrte ab. „Aber das ist doch nur ein dummer Aberglaube … daß man, wenn man auch das zweite Wort gleichzeitig richtig sagt, sich was wünschen kann. Das heißt: Wünschen kann man sich immer was. Es ist nur die Frage, ob es auch eintrifft. Laßt uns lieber was Vernünftiges reden.“

      „Ich schlage vor, wir gehen dabei in Richtung Heimat“, sagte Norbert.

      Sie zogen sich an. Ingrid schlüpfte in ihren schicken Regenmantel mit Südwester, Monika und Norbert in ihre Anoraks. Alle drei wechselten sie die Hausschuhe gegen Regenschuhe um.

      „Wartet! Ich muß noch meine Sachen packen!“ Monika lief noch einmal in das Klassenzimmer und kam mit ihrer Tasche zurück.

      Als sie das Schulgebäude verließen, waren einige der Busse, die die Kinder aus der weiteren Umgebung von Gerretsried nach Hause brachten, schon abgefahren. Das ärgste Gewühl war vorbei. Aber immer noch stiegen Kinder, sich schubsend, lachend, schimpfend und grölend, in die wartenden Busse.

      Ein kleines Mädchen stand abseits und schluchzte bitterlich.

      Norbert gab ihr einen freundschaftlichen Schubs. „Na, was ist mit dir? Willst du nicht einsteigen?“

      „Ich hab meinen Bus verpaßt … er ist schon weg!“ heulte die Kleine.

      „Pech!“ meinte Monika mitfühlend. „Fährt nicht einer von den anderen ungefähr in die Richtung?“

      „Nein! Ich weiß nicht! Ich glaub nicht!“

      „Danach solltest du dich aber mal erkundigen!“ meinte Ingrid.

      Norbert griff in seine Hosentasche. „Weißt du was, hier hast du ein …“ Er brachte ein silberglänzendes Fünfzigpfennigstück auf der flachen Hand zutage und sah Monika und Ingrid fragend an. „Wie nennt ihr das noch mal?“

      „Ein Fuffzigerl!“ antwortete Monika prompt.

      „Ein Fuffzigerl!“ ahmte Norbert sie nach. „Dort drüben ist eine Telefonkabine …“

      „Telefonhäuserl“, dolmetschte Monika.

      „Ruf zu Hause an, daß irgend jemand dich abholt!“

      „Ihr habt doch ein Telefon?“ fragte Ingrid.

      Das Schluchzen der Kleinen war versiegt; sie nickte. „Der Nachbar!“

      „Und ein Auto?“

      „Naa“, sagte die Kleine breit, „der Nachbar!“

      „Na, hoffentlich holt er dich! Wenn er nicht kann, wartest du eben bis zum Nachmittagsbus. Hauptsache, die Deinen wissen Bescheid.“

      „Ja, vergelt’s Gott. Ich dank euch auch recht schön!“ Erleichtert lief die Kleine zur Telefonzelle.

      „Wie kommst du mir vor, Norbert?“ fragte Ingrid neckend, während sie sich auf den Weg machten, „Du bist ja so großmütig wie Amadeus in seinen besten Augenblicken.“

      Norbert zuckte die Achseln. „Die Kleine hat mir einfach leid getan. Jemand mußte sich ja um sie kümmern.“

      „Das war sehr nett von dir, Norbert!“ Monika schenkte ihm ein Lächeln. „Aber, Himmel, bin ich froh, daß ich mich nicht Tag für Tag in so einem blöden Bus durch die Gegend schaukeln lassen muß. Hundertmal lieber gehe ich zu Fuß … selbst wenn’s regnet!“

      Ingrid und Monika wohnten beide in Heidholzen, Ingrid im eigentlichen Weiler, Monika in einem Haus, das auswärts lag. Aber sie hatten ein gutes Stück Wegs gemeinsam. Norbert lebte mit seinen Eltern am entgegengesetzten Ende von Gerretsried. Aber es hatte sich eingebürgert, daß er die beiden Mädchen bis zu eben jener Kreuzung, wo sie sich zu trennen pflegten, begleitete.

      „Das ist doch heute ein ganz famoser Regen!“ stellte er fest, legte den Kopf in den Nacken und versuchte, Regentropfen mit dem Mund aufzufangen. „Man spürt doch richtig, wie er alles zum Grünen und Blühen bringt!“

      Monika lachte. „Ich s-püre nur“, ahmte sie den Freund gutmütig nach, „wie naß ich werde! Seht euch nur meine Knie an … und deine auch, Norbert! Bei diesem Wetter solltest du dir den Umweg sparen!“

      „Und wer würde


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