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Rudolf Stratz
Rettet Wien! Roman aus der Zeit der Türkenbelagerung 1683
Saga
Rettet Wien! Roman aus der Zeit der Türkenbelagerung 1683Coverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 1936, 2019 Rudolf Stratz und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788711507414
1. Ebook-Auflage, 2019
Format: EPUB 2.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.
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1
Es war an einem Frühlingstag des Jahres 1683 viel Getümmel und Geschrei bunten morgenländischen Volks im Hafen von Rosetta in Ägypten. Der geflügelte Markuslöwe wehte von den Masten der mächtigen venetianischen Handelsgaleeren, die da ankerten, und auf dem Ufer standen erbittert und hochmütig, in kostbaren Pelzmützen und Pelzschauben die Kaufherren und Edelherren der Lagunenstadt vor der tobenden Masse der Turbane.
„Was fällt euch bei, mitten im Frieden Schiffe der Republik Venedig wegzunehmen?“
„Alle Segler in allen Häfen des Osmanenreichs, in Europa, in Asien, in Afrika werden beschlagnahmt!“
„Mit welchem Recht?“
„Weil wir sie brauchen!“
„Wozu?“
„Das wisst ihr!“ Der wild-schnurrbärtige Aga der Mamelucken trat, die Hand am Krummsäbel, aus der Mitte seiner Moslem. Kriegerisch wie eine Sturmfahne flatterte im Seewind der Hinterzipfel seiner hoben, silbergestickten Mütze. „Der Kalif ruft alles, was im Islam Waffen tragen kann, nach Konstantinopel!“
„Und ehe der Nil wieder steigt, wird der Sitz des Kalifen nicht mehr in Konstantinopel sein!“ schrie es frohlockend aus dem himmelblauen Gewoge der Mamelucken, „sondern in der Hauptstadt der Ungläubigen!“
„In Wien!“ Der Aga riss glühenden Auges sein Schwert halb aus der Scheide. „Die Zeiten erfüllen sich, von denen der Prophet — Lob ihm! — verheisst: ,Die Ungläubigen werde ich peinigen mit schwerer Pein!‘ Was in drei Erdteilen zu Allah betet, zieht gegen Wien!“
„Der Kaiser des Abendlands wird entthront!“
„Sein Dom in Wien wird zur Moschee!“
„Alle Christen werden ausgerottet!“
„Schiffe! Schiffe nach Konstantinopel!“ brüllte es und wehte heiss wie Atem aus Raubtierrachen in die braunen Gesichter der Venetianer. Ein grellgelb gekleideter, blauschwarzer Mohr watschelte dick wie eine Tonne durch das Gewühl und krähte mit Fistelstimme:
„Ferat Bassa befiehlt die Venetianer vor sein Angesicht!“
„Ich höre und gehorche“, sprach der Aga zu dem Obereunuchen des Statthalters von Rosetta. Seine blauen Krieger umringten die Christen, um sie vor dem wütenden Ameisengewimmel des Volks in dem engen Gassengewirr zu schützen. Scheu wich alles zur Seite. Wer einen Mamelucken auch nur unsanft berührte, war sofort des Todes. So erreichte der Zug das weisse Zinnenschloss des Bassa auf dem Hügel.
Ferat Bassa, der Herr über Stadt und Hafen, hockte in einem zimmtfarbenen Seidenkaftan mit gekreuzten Beinen auf dem Divan. Vor seinen schon greisen Augen flimmerten durch die offenen Fenster des grossen Saals die flachen weissen Dächer in der heissen Mittagssonne und grünten die Palmen- und Orangen- und Zitronengärten an den breiten, grauen Schlammufern des niedrigen Nils und blaute draussen endlos das Mittelmeer. Neben ihm sass, in einem weiten schneeweissen Gewand, sein Sohn, ein siebzehnjähriger Jüngling mit grossen dunklen Augen in einem schönen, bräunlichen, weichgeschnittenen Gesicht. Ein Neger fächelte von hinten mit einem Pfauenwedel den beiden weissen Turbanen Kühlung.
Der Bassa hob in schläfrigem Dünkel das Haupt zu den vor ihm stehenden venetianischen Edeln, die in ebenso kühlem Stolz auf ihn herabschauten.
„Eure Schiffe bleiben beschlagnahmt!“ sprach er leidenschaftslos auf Türkisch, und der Dolmetscher, der, die Arme über der Brust gekreuzt, in unterwürfiger Haltung neben ihm stand, übertrug es in das Italieniche. „Euch selbst steht die Heimkehr in euer Land auf einem französischen Segler frei!“
Die Herren aus Venedig blickten hinab auf das Raaengewirr des Hafens. Da, wo der Markuslöwe und das Kreuz von Genua, der Löwe von Brügge, die drei Fackeln von Sevilla als Wimpel an den Masten wehten, da war der Kai so blau wie die See von Mamelucken. Aber die dazwischen ankernden Kauffahrteifahrer, die die drei Lilien der Bourbonen in der Flagge führten, träumten still und unbehelligt in der Sonne.
„Und warum vergreift ihr euch nicht auch an den französischen Schiffen?“
„Ihr Christen alle seid unsere Feinde!“ Der Bassa wandte seinen schon silberweissen Bart nach dem schönen Jüngling an seiner Seite. „Mein Sohn Emin hier ist der Jüngste und Letzte. Seine sechs Brüder sind im Kampf gegen euch geblieben!“
„Auch die Franzosen sind Christen!“
„Aber sie sind die einzigen unter euch, die allem nicht feind sind, was aus Asien und aus Afrika nach Europa kommt!“ sprach der Bassa. „Zum Dank schonen wir ihre Schiffe!“
„Und was sollen wir daheim sagen, wenn wir ohne unsere Schiffe zurückehren? Der Rat von Venedig lässt nicht mit sich spassen!“
„Ich werde euch einen geheimen versiegelten Brief an die Republik Venedig mitgeben. Im Namen des Sultans von Ägypten, des Vasallen des Kalifen in Konstantinopel. Darum liess ich euch rufen. Lasset den Dogen allein den Brief lesen!“
„Der Doge versteht kein Türkisch!“
„Der Brief wird lateinisch geschrieben sein, wie es zwischen uns und den Christen Brauch ist. Ich habe seit Jahr und Tag hier in der Festung einen gefangenen Malteserritter, der der lateinischen Sprache kundig ist. Holt ihn herbei!“ Der Bassa befahl es dem Fächersklaven hinter ihm und verabschiedete mit einer flüchtigen Handbewegung an die Brust die Venetianer. Erst als sie schon auf der Schwelle waren, wachte auch sein junger Sohn aus seiner Traumverlorenheit auf und führte die schmale Rechte mechanisch an Stirn und Brust.
„Kennst du den Malteser?“ frug, als die beiden allein waren, der Vater den Sohn. Der Jüngling schaute träumerisch hinaus auf das flammende blaue Mittelmeer.
„Er arbeitet ja tagsüber im Garten!“ sagte er. „Ich habe ihn oft gesehen.“
Die schweren Türvorhänge schlugen auseinander. Der Gefangene trat ein, in einem raschen und federnden Gang der blossen braunen Füsse unter dem verschwitzten und verschmutzten Kamelbaarkittel, der plump bis zu den Knien die sehnige Magerkeit seines Körpers umschlotterte. Zwei lange verharschte Narben kreuzten sich ihm von den Kämpfen im Mittelmeer auf der von Sonnenbrand nussbraunen Stirne. Zu deren beiden Zeiten fiel ihm dunkles Haar in langen Strähnen bis über die Schultern. Das war das Zeichen aller Edeln in Europa. Aber wenn dort die Freien ihren Spitzbart pflegten, überwucherte ihm hier der Bart das Antlitz als wirre Wildnis, aus der nur heissblütig die dunklen Augen flackerten, und liessen ihn auf den ersten Blick älter erscheinen, als seine dreissig und etlichen Jahre. Der Ritter zeigte nichts von der Unterwürfigkeit der schwarzen Sklaven, die ihn hergeführt hatten und auf einen Kopfwink ihres Herrn auf lautlosen Sohlen aus dem Saal huschten. Er stand in einer freien, fast verächtlichen Haltung, das Haupt im Nacken, vor dem Bassa und sah ihm fest ins Auge.
„Wie kommt es, dass du Latein verstehst?“
„Ich wollte als Knabe Mönch werden und wurde in einem Christenkloster erzogen!“
„Wo war das?“
„In einem fernen Land, weit von hier, fliesst ein Fluss, so breit wie der Nil im Frühjahr. Er heisst der Rhein. An ihm steht die Burg meines Geschlechts, nach der ich den Namen Rimburg führe.“
„Wie