Rettet Wien! Roman aus der Zeit der Türkenbelagerung 1683. Rudolf Stratz

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Rettet Wien! Roman aus der Zeit der Türkenbelagerung 1683 - Rudolf Stratz


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und die Musketiere, die Schiffsknechte und die Galeerenruderer, die Rudermacher und Büchsenmeister und Hilfsgesellen.

      Der Segler des Islam rauschte schon heran. An seinen Masten glitten flatternde grüne Fahnen mit rotem Halbmond in die Höhe, und zugleich stieg vierfach an beiden Masten der Fitzarnalda das weisse Christenkreuz in rotem Feld empor.

      Die beiden Schiffe schossen im Sturm mit geblähten Segeln aneinander vorbei. Ihre Breitseiten blitzten und donnerten im Augenblick der Begegnung. Die kindskopfgrossen Eisenkugeln des Islam fegten zu hoch über das Christendeck, rissen Löcher in die Segel, splitterten ein paar Raaen. Nur ein spanischer Ritter von Devotion stand eine kurze Weile aufrecht ohne Kopf. Dann sackte der Rumpf zusammen. Knechte trugen ihn in die Totenkammer hinab. Adrian von Rimburg eilte hinterher.

      Als er atemlos, um nichts vom Kampf zu versäumen, wieder an Deck kam, hatte er sich von dem gefallenen Edelmann die Kriegstracht des Ordens entliehen. Sie war von Blut getränkt. Aber man sah es nicht auf dem Rot des Waffenrocks über dem Harnisch. Nur das grosse weisse eingewebte Leinenkreuz war kaum mehr kenntlich. Weite Panzerhosen mit Knieschienen und hohe Stulpenstiefel schirmten weiterhin Herrn Adrian, den Hilfsritter der Malteser. Er hielt Schwert und Schild in den Händen. Aber er legte beides hin und griff zur Muskete und feuerte auf das feindliche Schiff, das eben wieder im Kampfgeschrei seines Volkes vorbeiglitt. Wurfspiesse und Brandpfeile sausten von dort. Ein offener Sack mit lebenden Brillenschlangen flog herüber, die unter die Ruderbänke kriechen und die angeketteten Galeerensklaven stechen sollten, und plumpte samt den giftigen Würmern vor dem Ziel in das Meer.

      „’s isch e wüschtes Volk!“ sprach der Schwabe, der General der Galeere, zu dem Ritter von Rimburg neben ihm, während die Fitzarnalda in weitem Bogen zu neuem Anlauf wendete. „Zur See sind wir alleweil sein Meister. Aber zu Land nimmt der Grosstürk erschrecklich überhand!“

      „Ich habe es eben gesehen!“ Der Ritter von Rimburg in wirrem Bart stiess heftig, mit geübter Hand, mit dem Ladstock Kugel und Pfropf in das Feuerrohr. „Der Satan speit die Barbaren wie die Heuschrecken wider die Christenheit!“

      „Da komme die Sauköpf wieder!“

      Feuerspeiend begegneten sich die Galeeren. Sie waren einander so nahe, dass man drüben das Weisse in den Augen der wilden schwarzen, braunen, gelben Gesichter sah. Adrian Rimburg liess den Hahn seiner Donnerbüchse auf das Steinschloss schnappen. Drüben verschwand jäh das Feuerrot eines Turbans hinter der Bordwand.

      „Das apokalyptische Tier ist vorhanden!“ schrie er durch das Gebrüll und Geknatter und Gekrache splitternden Holzes dem Kapitän ins Ohr. „Wien ist das Bollwerk! Alle Christenvölker müssen alles liegen und stehen lassen, um Wien zu retten!“

      „Da hilft kein Hirnschweiss! Da heisst’s kämpfen. Aber melde du das den Franzosen!“ sprach in der plötzlichen Kampfstille, in der die Schiffe wieder wendeten, der Befehlshaber der Galeere und befühlte die Beule eines Musketenschusses im Harnisch. „Ihr König Ludwig nennt sich den Allerchristlichsten König! Aber derselbe König Ludwig ist’s, der die Tataren und die Mohren und alle Gottesfeinde aus Asien und alle Götzendiener aus Afrika zu uns Christen nach Europa führt! Ohne sein gnädiges Lächeln würden es die Heiden nie wagen!“

      Der Türkensegler kam wieder heran, er streifte beinahe im Vorbeigleiten die donnernden Kanonenluken der Fitzarnalda. Allahrufe gellten. Lange Enterhaken fuchtelten, während er langsam längs der Christengaleere hintrieb, in der Luft und langten nach der Bordwand drüben, um Schiff an Schiff zu ziehen. Ein Kerl beugte sich weit vor, hatte beinahe schon mit der Eisenspitze das Holz gefasst. Adrian von Rimburg zielte kaltblütig und schoss. Der riesige Neger stürzte kopfvor in die Flut.

      „Das nächste Mal haten sich die Türken an unserer Bordwand fest und steigen zu uns über!“ Der Schwabe rollte mit einem Fussstoss eine glühendheisse Kanonenkugel beiseite, die dicht neben ihm durch die Schiffsbrüstung geschlagen war. „Mach’ dich bei Seite mit Schild und Schwert parat!“

      Aber die Gedanken des Ritters von Rimburg waren bei dem Sonnenkönig von Versailles.

      „Er weiss nicht, was er tut!“ schrie er durch die blauen Schleier des Pulverrauchs. „Er ahnt fern in Frankreich nicht die Gefahr aus Asien, die wir Deutschen und Polen kennen. Man muss vor ihn treten. Man muss ihm die Augen öffnen. Einer, der, wie ich, die Zurüstungen des Gottesfeinds mit eigenen Augen gesehen hat.“

      Der Schwabe hörte nicht recht hin. Er spähte nach der feindlichen Galeere. Sie schaukelte in einiger Entfernung. Hundert Ruder peitschten das Wasser, um sie in Eile zu wenden. Ihr Takelwerk wimmelte von kletterndem Schiffsvolk, das hastig die Segel umstellte.

      „Meine beschworene Zeit als Hilfsritter von Malta ist um! Denn die Zeit der Gefangenschaft zählt mit!“ sprach Adrian von Rimburg weiter. „Wenn Gott mich jetzt in einem Christenhafen landen lässt, so eile ich spornstreichs nach Paris. Ich habe um Christi willen gelitten. Ich muss vor den König von Frankreich treten und ihn beschwören . . .“

      „Was treibt der Widerchrist da drüben für riegeldummes Zeug . . .?“ unterbrach ihn der Kapitän. Seine derben blondbärtigen Züge verdüsterten sich unter der Sturmhaube. „Jetzt — das is jammerschad: da macht der Türk mit vollen Segeln, dass er heimkommt — gerad jetzt, wenn’s, am schönsten wird! Und hinterherfahren hilft uns nit. Das Heideschiff läuft schneller!“

      „Warum flieht es?“

      Aus dem hohen Vorderaufbau des Christenseglers, von dem aus man weit über das Meer sah, wiesen ausgestreckte Panzerarme und Degenspitzen in die Ferne. Eine Gruppe von weissen Segeltürmen tauchte am Horizont auf. An jedem Mast flatterte, als sie näher kamen, das Kreuz Johannes des Täufers. Hinter der Capitana, dem Flaggschiff des Grossmeisters, durchschnitten in einer Linie die Patrona und die Galeeren des Malteserordens, die Fitzarnalden und Antianen, die Flut.

      „Wir haben einen Mitbruder aus der Sklaverei gerettet!“ schrie, sobald er sich verständlich machen konnte, der Schwabe zu der prunkvoll gezierten Capitana hinüber. „Er will so rasch, wie es der Wind leidet, nach gtalien und so schnell, als e Gaul läuft, nach Paris!“

      Wäre dem Ritter von Rimburg im Getöse der Seeschlacht seit dazu geblieben, so hätte er fern am Nilufer einen hellen weissen Punkt vor dem stumpfen Grün der Papyrusstauden gesehen. Das war der Jüngling Emin. Regungslos, aus grossen dunklen Augen, beobachtete er den Kampf. Dann, als alles zu Ende, wandte er sich und ging mit seinen Begleitern nach Rosetta zurück.

      „Ja. Ich habe dem Christen zur Flucht verholfen!“ sagte er dort in der Burg zu Ferat Bassa, seinem Vater, der vor Wut keuchend mit gekreuzten Beinen auf dem Divan sass.

      „Warum hast du das getan?“

      „Ich habe ihn gesehen. Jeden Tag. Und jeden Tag hat er mir mehr leid getan. Gesprochen habe ich ihn nie!“

      „Und doch hast du es gewagt . . .“

      „Kann ich dafür, dass deine sechs Söhne seit zwanzig Jahren tot sind?“ sprach der Jüngling Emin.

      Der Alte schwieg.

      „Kann ich dafür, dass es dir, nach unserem Brauch, ein Gram und eine Schmach war, keinen Sohn mehr zu haben?“

      Der Bassa strich sich düster, ohne zu antworten, den weissen Bart.

      „So hast du mich als Mann aufwachsen lassen. Ich habe den Christen liebgewonnen. Ich kann nichts dafür, dass ich ein Weib bin!“

      3

      „Und so gewann ich durch Gottes Gnade die Insel Malta und segelte von da nach Tarent und ritt hierher nach Rom!“ schloss der Ritter von Rimburg seinen. Bericht.

      Vor ihm, in einem der weitläufigen Ahnensäle thronte in Purpurfalten der Herr des Palastes, der Rardinal Fürst Chigi, und neben ihm zur Linken im satten Rot der Eminenzen andere Kirchenfürsten und zugleich Fürsten von Geblüt der Ewigen Stadt, die Barberini, die Ludovisi, und zu seiner Rechten hager, streng mit spitzem Graubart, der Grossmeister des Malteserordens in langem, schwarzem, mit Zobelpelz gesäumtem Mantel und darunter der roten Weste mit dem achteckigen weissen Kreuz. Und um die


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