Der Nachsommer. Adalbert Stifter

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Der Nachsommer - Adalbert Stifter


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wo es deutlich erwiesen war, daß Teile des Altars in der Zeit in eine andere Gruppe gestellt worden waren, als sie ursprünglich gewesen sein konnten, ließen wir das Vorgefundene bestehen. Wir befreiten nur die Gebilde von Schmutz und Übertünchung, befestigten das Zerblätterte und Lediggewordene, ergänzten das Mangelnde, wo, wie ich gesagt habe, dessen Gestalt vollkommen bekannt war, füllten alles, was durch Holzwürmer zerstört war, mit Holz aus, beugten durch ein erprobtes Mittel den künftigen Zerstörungen dieser Tiere vor und überzogen endlich den ganzen Altar, da er fertig war, mit einem sehr matten Firnisse. Es wird einmal eine Zeit kommen, in welcher vom Staate aus vollkommen sachverständige Männer in ein Amt werden vereinigt werden, das die Wiederherstellung alter Kunstwerke einleiten, ihre Aufstellung in dem ursprünglichen Sinne bewirken und ihre Verunstaltung für kommende Zeiten verhindern wird; denn so gut man uns gewähren ließ, die ja auch eine Verunstaltung hätten hervorbringen können, so gut wird man in Zukunft auch ändere gewähren lassen, die minder zweifelsüchtig sind, oder im Eifer für das Schöne nach ihrer Art verfahren und das Wesen des Überkommenen zerstören.“

      „Und glaubt Ihr, daß ein Gesetz, welches verbietet, an dem Wesen eines vorgefundenen Kunstwerkes etwas zu ändern, dem Verfalle und der Zerstörung desselben für alle Zeiten vorbeugen würde?“ fragte ich.

      „Das glaube ich nicht“, erwiderte er; „denn es können Zeiten so geringen Kunstsinnes kommen, daß sie das Gesetz selber aufheben; aber auf eine längere Dauer und auf eine bessere Weise wäre doch durch ein solches Gesetz gesorgt, als wenn gar keines wäre. Den besten Schutz für Kunstwerke der Vorzeit würde freilich eine fortschreitende und nicht mehr erlahmende Kunstempfindung gewähren. Aber alle Mittel, auch in ihrer größten Vollkommenheit angewendet, würden den endlichen Untergang eines Kunstwerkes nicht aufhalen können; dies liegt in der immerwährenden Tätigkeit und in dem Umwandlungstriebe der Menschen und in der Vergänglichkeit des Stoffes. Alles, was ist, wie groß und gut es sei, besteht eine Zeit, erfüllt einen Zweck und geht vorüber. Und so wird auch einmal über alle Kunstwerke, die jetzt noch sind, ein ewiger Schleier der Vergessenheit liegen, wie er jetzt über denen liegt, die vor ihnen waren.“

      „Ihr arbeitet an der Herstellung eines zweiten Altares“, sagte ich, „da Ihr einen schon vollendet habt: würdet Ihr auch noch andere herstellen, da Ihr sagt, daß es mehrere in dem Lande gibt?“

      „Wenn ich die Mittel dazu hätte, würde ich es tun“, erwiderte er, „ich würde sogar, wenn ich reich genug wäre, angefangene mittelalterliche Bauwerke vollenden lassen. Da steht in Grünau, hart an der Grenze unseres Landes, an der Stadtpfarrkirche ein Turm, welcher der schönste unseres Landes ist und der höchste wäre, wenn er vollendet wäre; aber er ist nur ungefähr bis zu zwei Dritteilen seiner Höhe fertiggeworden. Dieser altdeutsche Turm wäre das erste, welches ich vollenden ließe. Wenn Ihr wiederkommt, so führe ich Euch in eine Kirche, in welcher auf Landeskosten ein geschnitzter Flügelaltar wiederhergestellt worden ist, der zu den bedeutendsten Kunstwerken gehört, welche in dieser Art vorhanden sind.“

      Wir traten bei diesen Worten den Rückweg aus dem Trockenhause in die Arbeitstube an. Mein Begleiter sagte auf diesem Wege: „Da Eustach jetzt vorzugsweise damit beschäftigt ist, die im Laufe befindlichen Werke auszufertigen, so hat er seinen Bruder, der herangewachsen ist, unterrichtet, und dieser versieht jetzt hauptsächlich das Geschäft des Zeichnens. Er ist eben daran, die Verzierungen, die in unserem Lande an Bauwerken, Holzarbeiten oder sonstwo vorkommen und die wir in unseren Blättern von größeren Werken noch nicht haben, zu zeichnen. Wir erwarten ihn in kurzer Zeit auf einige Tage zurück. An diesen Dingen könnte auch die Gegenwart lernen, falls sie lernen will. Nicht bloß aus dem Großen, wenn wir das Große betrachteten, was unsere Voreltern gemacht haben, und was die kunstsinnigsten vorchristlichen Völker gemacht haben, könnten wir lernen, wieder in edlen Gebäuden wohnen oder von edlen Geräten umringt sein, wenigstens wie die Griechen in schönen Tempeln beten; sondern wir könnten uns auch im Kleinen vervollkommnen, die Überzüge unserer Zimmer könnten schöner sein, die gewöhnlichen Geräte, Krüge, Schalen, Lampen, Leuchter, Äxte würden schöner werden, selbst die Zeichnungen auf den Stoffen zu Kleidern und endlich auch der Schmuck der Frauen in schönen Steinen; er würde die leichten Bildungen der Vergangenheit annehmen, statt daß jetzt oft eine Barbarei von Steinen in einer Barbarei von Gold liegt. Ihr werdet mir recht geben, wenn Ihr an die vielen Zeichnungen von Kreuzen, Rosen, Sternen denkt, die Ihr in unsern Blättern mittelalterlicher Bauwerke gesehen habt.“

      Ich bewunderte den Mann, der, da er so redete, in einem sonderbaren, ja abgeschmackten Kleide neben mir ging.

      „Wenigstens Achtung vor Leuten, die vor uns gelebt haben, könnte man aus solchen Bestrebungen lernen“, fuhr er fort, „statt daß wir jetzt gewohnt sind, immer von unseren Fortschritten gegenüber der Unwissenheit unserer Voreltern reden zu hören. Das große Preisen von Dingen erinnert zu oft an Armut von Erfahrungen.“

      Wir waren bei diesen Worten wieder in die Werkstube gekommen und verabschiedeten uns von dem Meister. Ich reichte ihm die Hand, die er annahm, und schüttelte die seinige herzlich. Da wir aus dem Hause getreten waren und ich umschaute, sah ich durch das Fenster, wie er eben seine grüne Schürze herabnahm und wieder umband. Auch hörten wir das Hobeln und Sägen wieder, das bei unserem Besuche des Werkhauses ein wenig verstummt war.

      Wir betraten den Gebüschpfad und kamen wieder in die Nähe des Wohnhauses.

      „Ihr habt nun meine ganze Behausung gesehen“, sagte mein Gastfreund.

      „Ich habe ja Küche und Keller und Gesindestuben nicht gesehen“, erwiderte ich.

      „Ihr sollt sie sehen, wenn Ihr wollt“, sagte er.

      Ich nahm mein mehr im Scherze gesprochenes Wort nicht zurück, und wir gingen wieder in das Haus.

      Ich sah hier eine große gewölbte Küche, eine große Speisekammer, drei Stuben für Dienstleute, eine für eine Art Hausaufseher, dann die Waschstube, den Backofen, den Keller und die Obstkammer. Wie ich vermutet hatte, war dies alles reinlich und zweckmäßig eingerichtet. Ich sah Mägde beschäftigt, und wir trafen auch den Hausaufseher in seinem Tagewerke begriffen. Das flache feine Körbchen, aus welchem mein Beherberger die Vögel gefüttert hatte, lehnte in einer eigenen Mauernische neben der Tür, welche sein bestimmter Platz zu sein schien.

      Wir gingen von diesen Räumen in das Gewächshaus. Es enthielt sehr viele Pflanzen, meistens solche, welche zurzeit gebräuchlich waren. Auf den Gestellen standen Kamelien mit gutgepflegten grünen Blättern, Rhododendern, darunter, wie mir die Aufschrift sagte, gelbe, die ich nie gesehen hatte, Azaleen in sehr mannigfaltigen Arten und besonders viele neuholländische Gewächse. Von Rosen war die Teerose in hervorragender Anzahl da, und ihre Blumen blühten eben. An das Gewächshaus stieß ein kleines Glashaus mit Ananas. Auf dem Sandwege vor beiden Häusern standen Zitronen- und Orangenbäume in Kübeln. Der Gärtner hatte noch weißere Haare als sein Herr. Er war ebenfalls ungewöhnlich gekleidet, nur konnte ich bei ihm das Ungewöhnliche nicht finden. Das fiel mir auf, daß er viel reines Weiß an sich hatte, welches im Vereine mit seiner weißen Schürze mich eher an einen Koch als an einen Gärtner erinnerte.

      Daß die schmale Seite des Gewächshauses von außen mit Rosen bekleidet sei, wie die Südseite des Wohnhauses, fiel mir wieder auf, aber es berührte mich nicht unangenehm.

      Die alte Gattin des Gärtners, die wir in der Wohnung desselben fanden, war ebenso weiß gekleidet wie ihr Mann. An die Gärtnerswohnung stießen die Kammern der Gehilfen.

      „Jetzt habt Ihr alles gesehen“, sagte mein Gastfreund, da wir aus diesen Kammern traten, „außer den Gastzimmern, die ich Euch zeigen werde, wenn Ihr es verlangt, und der Wohnung meines Ziehsohnes, die wir aber jetzt nicht betreten können, weil wir ihn in seinem Lernen stören würden.“

      „Wir wollen das auf eine spätere Stunde lassen, in der ich Euch daran erinnern werde“, sagte ich, „jetzt habe ich aber ein anderes Anliegen an Eure Güte, die mir näher am Herzen ist.“

      „Und dieses nähere Anliegen?“ fragte er.

      „Daß Ihr mir endlich sagt“, antwortete ich, „wie Ihr zu einer so entschiedenen Gewißheit in Hinsicht des Wetters gekommen seid.“

      „Der


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