Es tut sich was im Landschulheim. Marie Louise Fischer

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Es tut sich was im Landschulheim - Marie Louise Fischer


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ich dir nun die Koffer tragen … ja oder nein?“ spottete Kurt.

      Damit kam er bei Leona schlecht an. „Bilde dir nur nicht ein, daß ich auf deine Hilfe angewiesen bin! Ich wollte dir nur Gelegenheit geben, dich beliebt zu machen und ein paar Kalorien abzuarbeiten.“

      „Die Gelegenheit kann ich mir allerdings nicht entgehen lassen.“ Kurt packte die Koffer und marschierte auf das Burgtor zu.

      „Auf was habt ihr da angespielt?“ fragte die Mutter.

      „Wir müssen es nicht wissen“, sagte der Vater, „wenn du es also lieber für dich behalten willst …“

      „Ach, das ist eine ganz harmlose Geschichte! Als ich im Sommer hier ankam, hatte ich natürlich keine Ahnung von allem. Und da hat mich so ein Witzbold … da drüben steht er übrigens, der mit den spitzen Eckzähnen, Klaus Voss heißt er! Also dieser blöde Klaus hat sich einen Spaß daraus gemacht, mich hereinzulegen. Er hat mich in das Jungenhaus geführt, versteht ihr … und natürlich bin ich furchtbar ausgelacht worden. Aber ich bin nicht die erste, der so etwas passiert ist.“

      Der Vater unterdrückte ein Lächeln. „Das kann ich mir denken.“

      „Mir ist die Geschichte inzwischen piepegal“, versicherte Leona, „ich find’s nur gemein von Kurt, sie mir wieder aufs Butterbrot zu schmieren.“

      „Du darfst dir nicht zuviel von deinen Mitmenschen erwarten“, mahnte die Mutter.

      „Sieht so aus.“ Leona atmete tief durch, wandte den Blick von dem davonziehenden Kurt ab und ihren Eltern zu. „Es war sehr lieb, daß ihr mich alle beide begleitet habt, aber jetzt sollten wir auf Wiedersehen sagen.“

      „Sollen wir dich denn nicht ins Haus begleiten?“ fragte Herr Heuer.

      „Ich hätte gern dein Zimmer gesehen“, sagte die Mutter.

      „Wie ich den Betrieb hier kenne, wird es Stunden dauern, bis sich herausstellt, wo und mit wem ich untergebracht werde. Fahrt lieber schon nach Hause. Am nächsten Besuchssonntag führe ich euch überall herum, großes Ehrenwort.“

      „Warum willst du uns so schnell loshaben?“ fragte die Mutter gekränkt.

      „So ist das nicht!“ Leona suchte nach den richtigen Worten. „Rabenstein … das ist eine andere Welt. Zu Hause und Rabenstein sind zwei Welten. Zu Hause lasse ich mich gern verwöhnen, aber hier möchte ich selbständig sein.“

      „Klarer Fall“, sagte Herr Heuer und legte den Arm um die Schultern seiner Frau.

      „Und außerdem … es hebt hier nicht gerade das Image, wenn man sich von den Eltern managen läßt!“

      „Eine Sprache führst du!“ staunte die Mutter.

      „Wozu lerne ich denn sonst Englisch? Image heißt Ansehen und für managen gibt es eine Menge Übersetzungsmöglichkeiten, aber ich denke, ihr versteht schon, was ich meine.“

      Leona bemerkte, daß die Eltern, besonders die Mutter, betroffen waren.

      „Aber ihr dürft nicht glauben, daß ich euch nicht liebhabe!“ erklärte sie mit Nachdruck. „Im Gegenteil: ich glaube, ich habe euch noch nie so lieb gehabt wie gerade jetzt. Ich bin sehr, sehr froh, daß es euch gibt … und daß ihr mir ein Zuhause bietet!“ Mit ungewohnter Innigkeit umarmte sie erst die Mutter, dann den Vater. „Und ich bin euch auch von ganzem Herzen dankbar, daß ihr mir den Aufenthalt hier auf Rabenstein spendiert!“

      „Mir scheint“, sagte Herr Heuer und hielt sie auf Armeslänge von sich, „du fängst langsam an erwachsen zu werden.“

      Die Mutter betupfte sich mit dem Taschentuch die Augen. „Wir sind sehr, sehr stolz auf dich, Liebling!“

      „Das geht mir runter wie Butter!“ Leona lachte, um nicht selber sentimental zu werden. „Aber jetzt nichts wie weg mit euch! Ich habe noch ’ne Menge zu erledigen!“

      Aber sie stand und winkte, bis das Auto mit ihren Eltern das Burgtor durchfahren hatte und auf der abschüssigen Straße aus ihrer Sicht geriet.

      Leona groß in Form

      Die riesige Halle der alten Burg war Leona inzwischen schon so vertraut, daß sie keinen Blick mehr für die Darstellungen auf den bunten Glasfenstern hatte. Es gab auf ihnen Ritter mit offenen und zugeklappten Visieren, zu Fuß oder zu Pferd, schöne Damen mit seltsamen Hauben und schleppenden Gewändern, Löwen, Tiger, Affen und Fabeltiere.

      Aber, wie gesagt, Leona achtete gar nicht darauf, sondern bahnte sich zielbewußt einen Weg durch das Menschengewimmel. Auch hier in der Halle ging das Abschiednehmen der Rabensteiner von ihren Eltern und sonstigen Verwandten weiter.

      Leona hörte gute Ratschläge wie: „Vergiß nicht, dir die Zähne zu putzen!“ – „Schreib jede Woche!“ – „Denk daran: die Zahnspange ist wichtig!“ – „Mach keine Flecken auf den blauen Pullover, der ist empfindlich!“ – „Wenn irgend etwas los ist, ruf uns an!“

      Sie dachte dabei, wie glücklich sie sich schätzen konnte, daß ihre Eltern sie nicht mit solchen Mahnungen – die übrigens, das wußte sie aus Erfahrung, doch nichts nutzten – belästigten. Daß man seine Zahnspange trug, zum Beispiel, das hing nicht davon ab, ob die Eltern es einem eintrichterten, sondern ob man selber den guten Willen und die Einsicht dazu mitbrachte.

      Aber sie wurde aufmerksam, als sie Ilse Moll neben einer sehr eleganten Dame, wahrscheinlich ihrer Mutter, stehen sah. Frau Moll hatte blond getöntes Haar, war sorgfältig geschminkt, trug eine Brille, einen fast bodenlangen Nerzmantel und funkelte vor Brillanten.

      Die fünfzehnjährige, schon sehr gut entwickelte Ilse, die sonst immer sehr frech auftrat, war ihrer Mutter gegenüber ganz klein. „Ja, Mama“, hörte Leona sie sagen, „ganz bestimmt, Mama … aber ich hab’s dir doch versprochen, Mama!“ – „Du kannst dich auf mich verlassen, Mama!“ – „Ich werd’s gewiß nicht wieder tun!“

      Leona konnte ein Feixen nicht unterdrücken.

      Die Doppeltür zu dem breiten sehr hohen Gang, der die große Halle mit der kleinen Halle verband, in der der Eingang zum Speisesaal und die Treppe zu den Wohnzimmern lag, war weit geöffnet. Leona ging hinein. An der linken Seite des Ganges gab es eine Anzahl dunkelbraun gestrichener Türen, von denen die meisten in Klassenzimmer führten. Die rechte Seite war von Spitzbogenfenstern durchbrochen, die einen weiten Blick auf eine Alpenkette freigaben.

      Einen Augenblick blieb Leona stehen, lehnte sich an die Brüstung und sah hinaus; sie fühlte, daß sie in München die Freiheit der Bergwelt vermißt hatte.

      „He, Leona!“ rief eine helle Stimme in ihrem Rücken.

      Leona drehte sich langsam um. „Du, Ilse?“ fragte sie mit bewußter Ironie. „Dich habe ich wirklich nicht wieder auf Rabenstein erwartet.“

      „Du hast gut spotten!“ Ilse Moll tastete mit der Hand an den Kopf, um sich zu vergewissern, daß ihre hellblonde kunstvolle Lockenfrisur noch in Ordnung war. „Ich wollte raus hier, das ist wahr! Aber wenn du meine Mutter kennen würdest …“

      „Ich habe sie eben gesehen.“

      „Na, dann weißt du alles. Die hat Haare auf den Zähnen, kann ich dir sagen. Unternehmerin! Sie lebt nach dem Motto: ,Was ich will, hat zu geschehen!‘“

      „Sauber!“ sagte Leona nicht ohne Hochachtung.

      Ilse Moll zuckte die rundlichen Schultern. „Na ja, dafür schafft sie auch tüchtig Moos ran …“

      „Moos?“ fragte Leona. „Wofür braucht ihr denn das? Habt ihr eine Gärtnerei?“

      „Ach was, das ist doch nur so ein Ausdruck. Kannst auch Mäuse oder Piepen sagen …“

      Leona ging ein Licht auf. „Geld meinst du?“

      „Was denn sonst?“

      Leona spürte, daß


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