Crazy Love. Eva Kah

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Crazy Love - Eva Kah


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im Norden Münchens genießt international einen hervorragenden Ruf. Außerdem musste die Frau El-Fayyad ja nicht alleine so weit reisen. Ein Großteil ihrer Familie nutzte den Klinikaufenthalt als willkommene Entschuldigung für wochenlange Shoppingexzesse auf den Münchner Prachtmeilen. Angeblich hatten sie drei Etagen des Bayerischen Hofs komplett gebucht. Der Familienzusammenhalt bei Scheichs erwies sich als sehr eng: Täglich gegen fünfzehn Uhr hielt ein großer SUV im absoluten Halteverbot vor der Klinik, und dann stürmte ein Grüppchen voll verschleierter junger Damen mit goldenen Gesichtsmasken das Einzelzimmer der Patientin. Sie fuchtelten mit Dutzenden von Chanel- und Prada-Einkaufstüten herum, behandelten uns Krankenschwestern wie Dienerinnen, bestellten Unmengen Cappuccino und kreischten am laufenden Band, als wären sie auf einer Show der Chippendales. Draußen im Flur saß währenddessen ein gelangweilt dreinblickender Herr in dunklem Anzug und Sonnenbrille, um auf die Frauen zu warten. Oder sie zu bewachen, man weiß es nicht. Eventuell war er auch nur der Fahrer des SUV und versteckte sich im Krankenhaus vor der Politesse, die ihm verlässlich jeden Tag einen weiteren Strafzettel hinter den Scheibenwischer klemmte.

      Leider konnte ich nie sehen, wie die Mädels den ganzen Cappuccino durch die Gesichtsmasken kriegten. Vielleicht mit eingebauten Strohhalmen? Sie tranken nie in meiner Anwesenheit. Ich nehme an, es handelte sich um die Töchter der Frau Scheich. Die ließ sich den sündteuren Inhalt der vielen Tütchen zeigen, bewunderte ihn gebührend und kreischte ein wenig mit, aber längst nicht so viel wie die Besucherinnen. Ich hatte den Eindruck, sie wäre hinterher immer etwas erschöpft, aber das kann auch daran liegen, dass sie die Einzige war, deren Gesicht ich zu sehen bekam. Sie trug nämlich zu ihren hochgeschlossenen Seidenkaftanen nur ein Hermés-Kopftuch, und auch das legte sie nur für selbstverständlich vorher angemeldete männliche Ärzte an.

      Wenn gerade keine fünf bis sieben schwarz verschleierten Kichererbsen um sie herum saßen und bei mir in herrischem Tonfall Kaffee bestellten, konnte die Frau El-Fayyad aber ganz nett sein. So wie an diesem Nachmittag, als ich meinen Kontrollgang machte und sie in meinem besten Englisch fragte, ob sie Schmerzen habe oder noch etwas Tee wünsche.

      Statt einer Antwort schenkte sie mir einen langen, huldvollen Blick, winkte mich näher an ihr Bett und bat mich auf einen Besucherstuhl.

      „What is your name, my dear?“

      „Äh, Angélique, Madam.”

      „Angélique! What a lovely, lovely name! And you are such a lovely girl. A lovely, lovely girl, really. And you work so hard. All day long I see you work. Work, work, only work! A lovely girl like you should not have to work so hard. If I may ask you another question: How old are you, dear Angélique?”

      „I am twenty-seven, Madam.”

      Die El-Fayyad verstummte für einen Moment und kratzte sich am Kinn. „You are not a child any more, that is for sure. When I was twenty-seven, I had five kids already.” Sie seufzte, doch dann machte sie eine wegwerfende Geste und lachte. „But then I got eight more kids, so what? Twenty-seven is not too old for anything!”

      Bis dahin fühlte ich mich noch irgendwie geschmeichelt und nickte lächelnd, aber dann rückte sie schnell mit ihren wahren Absichten heraus. „You have so beautiful hair and so beautiful blue eyes, you know?”

      „Äh, yes, thank you very much, Madam.”

      „I would really love to have grandchildren with blue eyes. Many of them. And with those broad hips you make good children!”, rief sie enthusiastisch.

      Mir fiel die Kinnlade herunter vor Empörung, aber nur innerlich. Aaah! Breite Hüften! Sie meinte das ganz offenbar als Kompliment. Und es war leider auch nicht komplett an den Haaren herbei gezogen. Aber musste sie deshalb gleich darauf herumreiten? Die Hüften waren nun mal wirklich mein wunder Punkt! Mit den folgenden Sätzen machte meine orientalische Möchtegern-Schwiegermutter sich immerhin ein klein wenig beliebter bei mir.

      „A lovely girl like you should get a nice husband, and then the nice husband would make you some babies and buy you nice clothes and nice shoes and all. This is what a lovely girl should do. Not working hard. Go shopping and have nice little babies, eh?”

      Die Begeisterung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Ihre schwungvoll nachgezeichneten Augenbrauen zuckten, als sie zum Abschluss ihrer Rede kam.

      „Dear Angélique, you really should marry a nice man like my son Mahmud. My Mahmud does need a lovely little wife like you, and he is a very nice man!”

      Oh. Aha. Ein sehr netter Mann. „So nett wie die anderen Männer, die die Kohle für eure lustige Mädelsrunde ranschaffen?“, wollte ich sagen. „Klar, ich hätte auch gerne mal einen Dingsbums-Schuh mit Diamanten oder eine Handtasche, die doppelt so teuer wie mein Auto ist. Wenn ich überhaupt eines hätte. Aber wissen Sie, so viel könnte ich bei Chanel gar nicht einkaufen, um mich dafür den Rest meines Lebens in so ein Zelt wickeln zu lassen!“

      Natürlich sagte ich das nicht. Dafür ist erstens mein Englisch nicht gut genug, und zweitens sollen wir Krankenschwestern die Patienten nicht vor den Kopf stoßen, schon gar nicht die Privatpatienten mit den Einzelzimmern. Ich sagte stattdessen: „Oh, äh, I have a man already. I mean, I have a boyfriend. I am quite sure your son, äh, Mahmud is a very nice man, but I am sorry, I don’t think I can marry him, really…”

      Am liebsten hätte ich dabei die Augen fest geschlossen, weil ich gerade dabei war, die lukrativste Patientin in der Geschichte unserer Klinik zu beleidigen. Erst gestern hatte es uns der Oberchef auf der Personalversammlung wieder vorgebetet: Was auch immer ihr tut – bloß nicht der El-Fayyad auf den Schwanz treten! Noch ein paar Wochen, und die hat unsere Finanzen quasi im Alleingang saniert. Und das im Rollstuhl, hehe. Die Frau ist die sprichwörtliche Ölquelle für uns! Ich hoffte, er hatte mit „nicht auf den Schwanz treten“ nicht das Ablehnen von Heiratsanträgen gemeint.

      Die Scheichmutter war aber gar nicht so wahnsinnig beleidigt, wie ich befürchtet hatte. Sie guckte verständnisvoll und strich mir mit ihrer feisten, goldberingten Hand übers Haar. Sie kramte sogar ihr riesengroßes Smartphone hervor und zeigte mir gefühlte vierhundert Fotos von den zahllosen Besitztümern, in die ich hinein heiraten könnte, wenn ich es mir denn in näherer Zukunft noch einmal anders überlegen sollte.

      Die mindestens acht verschiedenen Pools, perfekt getrimmten Parkflächen und turnhallengroßen Wohnzimmer voller unendlicher Sofalandschaften hätten mich fast auf ihre Seite gekriegt. Auf die Schnelle konnte ich nicht sagen, ob es sich um einen einzigen Palast von den Ausmaßen einer Kleinstadt handelte oder ob Scheichs abwechselnd in mehreren, leicht unterschiedlichen Anwesen residierten. Die Gebäude waren jedenfalls alle goldgelb gestrichen und erinnerten stark an Disneys Version von Schloss Neuschwanstein. Im Hintergrund tummelten sich glänzende schwarze Rennpferde mit wehenden Mähnen, fleißige Gärtner oder schneeweiße Kamele, je nach Situation. Stark geschminkte Frauen in sehr knappen Designerklamotten (so sahen die also aus, wenn sie gerade kein Zelt tragen mussten) tranken Champagner neben Flachbildschirmen, die man zur Not auch als Esstisch für Ali Baba und die vierzig Räuber verwenden konnte. Auf den Fotos war immer prächtiges Wetter. Alle lachten glücklich, sogar die weiß gekleideten Dienstmädchen, deren Uniform frappierend an unsere Schwesternkittel erinnerte. Zwischen Palmen und Golf spielenden Kindern ging spektakulär die Sonne unter.

      Heiliger heißer Wüstensand! Das hätte auch meinem Hamster bestimmt gut gefallen, angeblich kommen doch Hamster da her. Mich machte nur misstrauisch, dass mir die Gute kein einziges Foto von ihrem Sohn zeigte. Es hatte wohl seine Gründe, dass der „sehr nette Mann“ in seinem Heimatland noch keine abgekriegt hatte.

      Als ich mich von der El-Fayyad verabschiedet hatte und in der Umkleide meinen Kittel auszog, war ich immer noch ganz verzaubert. Goldene Wasserhähne schwirrten mir durch den Kopf, hundert Paar Manolo-Blahnik-Schuhe und ein turnhallengroßes Freilauf-Paradies für meinen Hamster. Aber erstens dürfen wir Schwestern mit Patienten nichts Privates anfangen, und außerdem hätte ich das alles lieber noch einmal aus einem ganz anderen Mund gehört. Aus dem Mund meines Dauerfreundes Max. You are such a lovely girl, we should marry. I want you to be my lovely little wife. Go shopping. Let’s have some nice little babies, eh?

      Max Emanuel Herzog, mit dem ich seit


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