Chronik eines Weltläufers. Hans Imgram

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Chronik eines Weltläufers - Hans Imgram


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Meeresenge zwischen der indischen Südküste und Ceylon, und dann durch den Golf von Manaar, bis wir dann in Kolombo, der Hauptstadt von Ceylon, anlegten. Wir befanden uns nun auf Sinhala Dvipa, der Löweninsel, wie sie von den Einheimischen genannt wurde. Von Kolombo aus gingen wir in das Innere der Insel nach Kandi, der ehemaligen Hauptstadt des alten Königreichs, wo in dem berühmten Tempel ein Zahn des Buddha aufbewahrt werden soll. Natürlich schlossen wir uns auch einer Elefantenjagd an. Wir schlugen dann den Weg nach Süden ein bis Point de Galle, wo ich sofort einen Frachtdampfer erwischte, der auch Padang auf Sumatra anfuhr, das ich mir als nächstes Ziel ausersehen hatte. Lord Percy aber wartete auf eine Fahrgelegenheit hinauf nach Madras, um seine geplante Reise durch Indien zu vollenden. Wir hofften, uns irgendwo auf Reisen einmal wiederzutreffen.

      Während meines Aufenthaltes auf Sumatra und Malakka hatte ich mir das eigentliche Malaiisch, das durch die ganze australische Inselwelt Verkehrssprache ist, ein wenig angeeignet. Das Kawi, die malaiische Priester- und Schriftsprache, verstand ich nicht; dafür aber glaubte ich, dass ich mich wahrscheinlich auch den Bewohnern der Tahiti- und Marquese-Inseln in ihrer Mundart verständlich machen könnte, wenn ich diese Inseln einmal aufsuchen würde. Ich glaube, dass man sich leichter in eine fremde Sprache findet, wenn man während seiner Schülerzeit einen guten Grund gelegt hat. Bei der Bekehrung der westmalaiischen Volksstämme zum Mohammedismus hat ihre Sprache viel von dem Arabischen aufgenommen und wird noch jetzt mit wesentlich arabischen Buchstaben geschrieben. Da ich das Arabische verstehe, so hat mir ein Zurechtfinden im Malaiischen nicht viel Mühe gemacht.4

      Im März hatte ich das Glück, in Singapur einen holländischen Frachter anzutreffen, der zurück nach Amsterdam fuhr. Ich stand vor der Wahl, entweder meine Reise im malaiischen Archipel fortzusetzen oder nach Hause zu fahren. Da meine Reisekasse ziemlich dünn geworden war, entschloss ich mich für die Heimreise, zumal sie mich nichts kostete, da ich mich als Hilfskraft mit zwar geringer Bezahlung, aber dafür mit voller Verpflegung, anheuern ließ. Wir hatten eine stürmische Rückfahrt durch den Indischen Ozean, nach dem Kap der Guten Hoffnung gab es im Atlantik zwar auch noch starken Wind, doch einen echten Sturm erlebten wir nicht mehr. Nun bin ich wieder zu Hause angelangt und werde in den nächsten Tagen versuchen, meine Erlebnisse zu Papier zu bringen.

      4. RUSSLAND-REISE (1863)

      Sonntag, 24. Mai 1863:

      Ich bin jetzt in Wien und habe mir vorgenommen, mit dem Schiff die Donau bis zur Mündung ins Schwarze Meer hinabzufahren. Dort werde ich sehen, wie ich weiterkomme. Ich habe vor, über das Schwarze Meer nach Transkaukasien zu gehen, wo ich mir gerne einmal das Kloster Etschmiadzin ansehen möchte, von dem ich schon so viel gehört habe. Von dort aus würde ich gerne bis ans Kaspische Meer reisen oder, falls das mit zu großen Umständen verbunden ist, irgendwie sonst nach Norden zu gelangen suchen, denn ich möchte gerne den Don oder die Wolga kennen lernen und dann meine Reise nach Moskau fortsetzen. Ich hatte nämlich in Dresden die Bekanntschaft eines russischen Offiziers gemacht, der sich Iwan Semenoff nannte. Wir hatten uns beim Billard getroffen. Er war ein ausgezeichneter Spieler und ein höchst ehrenwerter Mann. Wir waren Freunde geworden und ich hatte versprechen müssen, ihn oder wenigstens seine Mutter zu besuchen, wenn ich einmal nach Moskau kommen sollte.1

      Montag, 15. Juni 1863:

      Es hat auf den Tag genau drei Wochen gedauert, bis ich hier in Tultscha, der großen Hafenstadt im Donaudelta, angekommen bin. Da bis hierher die Hochseeschiffe aus dem Schwarzen Meer kommen, hoffe ich, dass ich eine Gelegenheit zur Weiterfahrt finde. Es war eine erlebnisreiche Reise mit Hindernissen, teils auf dem Fluss, teils zu Land, da die Donau noch nicht überall schiffbar ist, etwas abenteuerlich, aber schön. Ich kann mir vorstellen, dass dann, wenn sich einmal alle Staaten, durch die dieser zweitgrößte Strom Europas fließt, einig sind und ein durchgehender Schiffsverkehr auf der Donau möglich gemacht wird, diese Reise auch für weniger abenteuerempfindliche Leute ein Vergnügen wird. Zu viele staatliche Interessen sind momentan noch zu berücksichtigen.

      Montag, 22. Juni 1863:

      Heute bin ich in Batum, der Hauptstadt von Russisch-Kaukasien, angekommen. Batum liegt an einer Bai, die den besten Ankerplatz im östlichen Schwarzen Meer bieten soll, und ist der Haupthandelshafen Transkaukasiens und gleichzeitig auch Kriegshafen. Die Einwohnerzahl könnte über 5.000 betragen. Nun suche ich von hier aus eine Gelegenheit, um in die Gegend von Eriwan zu kommen, von wo etwa zwanzig Kilometer westlich das Kloster Etschmiadzin liegt.

      Dienstag, 30. Juni 1863:

      Ich hatte schon einiges von dem berühmten armenischen Kloster gehört, das seltene Schätze besitzen soll. Ursprünglich stand hier die uralte Stadt Wagharschabad, die im Jahre 302 von König Tiritades gegründet worden war. 524 erbaute der Patriarch Narses das Kloster, das mit seiner hohen Mauer und seinen acht Türmen einer Festung ähnlicher sieht als einem Kloster der armenischen Kirche. Ich war in einer Herberge in der Nähe des Klosters untergekommen, in einer Gegend, die noch zum alten Wagharschabad gehörte. Vier Mal war ich insgesamt im Kloster Etschmiadzin,2 um mir die kostbaren Reliquien anzusehen und um mich mit den Mönchen zu unterhalten. Man kann daran glauben oder nicht, wenn man hört, welche Kostbarkeiten hier angeblich aufbewahrt werden: Das bedeutendste Stück soll die Lanze sein, mit der Christus am Kreuz durchbohrt wurde; dann sieht man ein Stück der Arche Noah und die rechte Hand des heiligen Gregor. Wer die heilige Hripsime war, von der ein Stück ihres Schädels hier aufbewahrt wird, weiß ich nicht. Weitaus mehr noch interessierte mich die Bibliothek, in der sehr seltene Werke, wie zum Beispiel alte Bibelhandschriften, aufbewahrt werden, an die ich aber nur herankam, nachdem ich mit maßgebenden Mönchen darüber ins Gespräch gekommen war. Nach einigen Tagen, als ich meinen Wissensdurst genügend gestillt und auch die beiden Filialklöster von Etschmiadzin, nämlich Kaiane und Hripsime, kurz besucht hatte, setzte ich meine Reise nach Zentral-Russland fort.

      Sonntag, 26. Juli 1863:

      Vom Kloster Etschmiadzin war ich wieder zurückgereist nach Batum, wo ich bei meiner Ankunft noch am gleichen Tag ein Schiff erreichte, das mich über das Schwarze Meer durch die Meerenge von Kertsch im Osten der Halbinsel Krim und durch das Asowsche Meer nach Taganrog brachte. Die Hafenstadt Taganrog liegt auf einer Landzunge am Asowschen Meer. Sie war 1698 von Zar Peter I. gegründet und vor wenigen Jahren (1855) von einer englischfranzösischen Flottille zerstört worden und befindet sich jetzt noch im Wiederaufbau. Nicht sehr weit davon fließt der Don, in mehrere Arme verzweigt, ins Asowsche Meer. Nördlich davon liegt das Gebiet der Donischen Kosaken, die als großes Reitervolk bekannt sind und die ich nicht näher beschreiben muss. Mich interessierte besonders ihre Reitkunst und ich muss sagen: Alle Achtung! Selbst die fast unübertroffenen indianischen Prärievölker Nordamerikas könnten noch einiges von den Kosaken lernen. Natürlich musste ich auch ein Kosakenpferd zwischen meine Schenkel nehmen. Mit einem Dampfer fuhr ich dann den Don so weit hinauf, bis dahin, wo er sich etwa auf sechzig Kilometer der Wolga nähert. Hier stieg ich aus und erreichte in östlicher Richtung die Kreisstadt Zarizyn an der Wolga. Nach dem Städtchen Sarepta, das südlich von Zarizyn liegt und 1765 von den deutschen Herrnhutern gegründet wurde, kam ich leider nicht, denn ich hatte Gelegenheit, mit einem Dampfer die Wolga aufwärtszufahren; mein nächstes Ziel war ja eigentlich Moskau.

      Mittwoch, 29. Juli 1863:3

      Das freundliche, an der Wolga liegende Subzow lag hinter mir, und die Troika, deren ich mich bediente, flog auf der Straße nach Moskau hin. Als wir an einem Gasthaus vorbeikamen, hielten wir an und legten eine Reisepause ein. Auf meine Frage, wem das Pferd gehöre, das neben der Tür stand, antwortete mir der Wirt, dass der Besitzer ein Rittmeister von Semenoff sei, der nach dem Flüsschen gegangen sei. Vielleicht war es mein Dresdener Bekannter und ich konnte ihn hier treffen. Ich folgte dem schmalen Pfad, der sich durch die Wiese schlängelte, bis in die Büsche, zwischen denen er sich bald verlief. Als ich ein höhnisches Lachen hörte, blieb ich stehen. Es mussten da zwei Personen beisammen sein, die höchstens zwanzig Schritte vor mir standen. Auf einem kleinen Umweg durch die Sträucher gelangte ich in ihren Rücken. Den Rittmeister kannte ich nicht, und der andere Mann musste erst kürzlich einem russischen Gefängnis entwischt sein, wie ich vernahm. Irgendwie kam er mir bekannt vor. Beide planten irgendein Verbrechen. Sie wollten sich heute Abend nochmals mit einer Frau namens Wanda in einem Garten bei den Eichen treffen. Ich hatte zwei Verbrecher belauscht. Diese Angelegenheit ging


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