Revolutionen auf dem Rasen. Jonathan Wilson

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Revolutionen auf dem Rasen - Jonathan Wilson


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heiratete er seine Krankenschwester, eine Kriegswitwe, die im Voluntary Aid Detachment tätig war. Allerdings ging Pentland schon bald wieder zurück auf den Kontinent und betreute die französische Mannschaft bei den Olympischen Spielen 1920. Nach einem Sieg gegen Italien im Viertelfinale unterlagen die Franzosen den Tschechoslowaken im Halbfinale und waren schon längst wieder daheim, als die Tschechoslowakei disqualifiziert wurde. So konnten sie nicht mehr um die Silbermedaille mitspielen, die am Ende von Spanien errungen wurde.

      Danach zog es Pentland nach Spanien, zunächst zu Racing Santander und dann, angelockt von einem Monatsgehalt von 10.000 Peseten, zu Athletic Bilbao. Bei seiner ersten Trainingseinheit brachte er den Spielern zunächst bei, wie sie ihre Schuhe richtig schnürten: „Macht die einfachen Dinge richtig, und der Rest kommt von allein“, sagte er. Pentland schaffte die langen Bälle ab, auf die Barnes so stolz gewesen war, und trainierte stattdessen Kurzpassspiel. Auch wenn die Spielweise immer noch von der Entschlossenheit von La Furia geprägt sein mochte, war es ein Fußball, der überlegter und weniger druckvoll gespielt wurde. Pentland rauchte beim Training Zigarren und weigerte sich, seine Kleidung dem Klima anzupassen. Eine Fotografie von 1928 in El Norte Deportivo zeigt ihn mit ernstem Gesicht in einem schweren Mantel mit tadellos gefaltetem Taschentuch, um den Hals eine gepunktete Krawatte. Hinter seinem Oberlippenbart und seinem eisernen Blick lässt sich der Anflug eines ironischen Lächelns erkennen. Auf dem Kopf befindet sich selbstverständlich sein Markenzeichen, die Melone, die ihm auch seinen Spitznamen El Bombín bescherte. Pentland war eigenwillig und anspruchsvoll – und er hatte grandiosen Erfolg.

      Athletic spielte mit leicht zurückgezogenen Halbstürmern und wurde unter Pentland zweimal in Folge baskischer Meister. Hinzu kam 1923 die Copa del Rey. Die Spieler von Athletic feierten ihre großen Erfolge, indem sie Pentland den Hut vom Kopf rissen und dann dar auf herumsprangen, bis er kaputt war. „Du hast nur noch drei Minuten, Melone!“, soll Pentland angeblich kurz vor Ende des Finales in der Copa del Rey gerufen haben.

      

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       Der Mann mit der Melone: Fred Pentland. Er führte bei Athletic Bilbao das Kurzpassspiel ein.

      1925 ging Pentland zu Athletic Madrid (die Schreibweise Atlético wurde erst 1941 eingeführt) und führte den Klub ein Jahr später ins Finale der Copa del Rey. Danach wechselte er für eine Saison zu Real Oviedo und hinterher wieder zurück zu Athletic Madrid, wo er 1927 den Campeonato del Centro gewann, die Meisterschaft Zentralspaniens. Als England 1929 zum Spiel im Estadio Metropolitano in Madrid anreiste, war Pentland als Berater von Nationaltrainer José María Mateos tätig und trug seinen Teil zur Strategie beim 4:3-Erfolg der Spanier bei – Englands erster Niederlage gegen einen Gegner vom Kontinent. Noch im Laufe des Jahres 1929 wechselte Pentland von Madrid wieder nach Bilbao. Als er 1933 nach Madrid zurückkehrte, hatte er zwischenzeitlich zwei spanische Meisterschaften gefeiert, außerdem vier weitere Mal die Copa del Rey gewonnen und drei weitere Baskenland-Meisterschaften geholt. Zudem war er beim 12:1-Sieg seiner Mannschaft gegen den FC Barcelona dabei gewesen, bis heute Barças höchste Niederlage überhaupt.

      Kurz vor Ausbruch des Bürgerkriegs verließ Pentland 1936 Spanien, arbeitete kurz als Assistenztrainer beim FC Brentford und trat dann beim AFC Barrow seinen einzigen Posten als Cheftrainer in England an. Wie so viele Pioniere der frühen Jahre – vor allem Jimmy Hogan – erfuhr Pentland in der Heimat keine Anerkennung. Bei Athletic Bilbao dagegen genießt er bis heute große Achtung als der Mann, der den Verein groß gemacht hat. 1959 wurde er für ein Abschiedsspiel gegen Chelsea noch einmal nach Bilbao eingeladen, wo er eine Medaille als Ehrenmitglied überreicht bekam. Als Pentland drei Jahre später starb, hielt Athletic im San Mamés eine Trauerfeier für ihn ab.

      William Garbutt setzte die englische Tradition in Bilbao fort. Zuvor hatte er in Italien beim FC Genua und beim SSC Neapel Erfolge gefeiert. 1935/36 gewann er mit Bilbao die spanische Meisterschaft, ging aber bei Ausbruch des Bürgerkrieges zurück nach Italien. Der Sieg Francos hatte gravierende Folgen für Athletic. Der Verein wurde gezwungen, seinen Namen in Atlético zu ändern und die Politik aufzugeben, nur Basken aufzunehmen. Dennoch hasste Franco den Klub nicht etwa, ganz im Gegenteil. Bevor Real Madrid in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre die Vorherrschaft in Europa übernahm, war Atlético Bilbao sogar seine Lieblingsmannschaft.

      Francos Haltung gegenüber den Basken war komplex. Zwar wollte er von einer baskischen Nation nichts wissen, dennoch waren er und andere der politischen Rechten überzeugt, dass die Wurzeln des „echten Spaniens“ im Baskenland lagen. Dieses „echte Spanien“ war untrennbar verbunden mit Katholizismus sowie Spaniens Geschichte als Weltreich und dem Überleben in feindlicher Umgebung. Man sah die Basken als Teil der spanischen Kriegerkaste, deren Grundwerte, in den Worten von Burns, „durch und durch männlich waren, nämlich Tapferkeit, Selbstaufopferung, Gehorsam gegenüber der Obrigkeit sowie Ehrgefühl“.

      Diese Werte entsprachen auch den Erziehungsidealen des Jesuitenordens, den der baskische Ritter Ignatius von Loyola im 16. Jahrhundert gegründet hatte. Wie an den englischen Public Schools galt auch an den Jesuitenschulen Sport als Mittel zur Charakterbildung. An solch einer Schule entdeckte Rafael Moreno Aranzadi, besser bekannt unter dem Namen „Pichichi“, das „Entlein“, die Liebe zum Fußball. Wie Belauste spielte auch er mit einem zusammengebundenen Taschentuch auf dem Kopf. Pichichi war erfolgreicher Torjäger bei Athletic und ein Held der Olympiamannschaft von 1920. Trotzdem lag es weniger an seinen Torjägerqualitäten, dass die Sportzeitung Marca, die von Anfang an auf Francos Linie war, beschloss, die Auszeichnung für den Torschützenkönig in der spanischen Liga nach ihm zu benennen, als sie den Preis 1953 ins Leben rief. Grund war vielmehr, dass Pichichi die katholisch-baskische Seite des Spanischen verkörperte. Während Franco also das baskische Nationalbewusstsein auslöschen wollte, vergötterte er baskische Fußballer geradezu als den Inbegriff alles Spanischen. Die Furia Española wurde zu neuem Leben erweckt, nur dass sie dieses Mal mit dem Geist der Diktatur durchtränkt wurde.

      Nirgends wurde das so deutlich wie am Beispiel von Athletic Madrid, das 1939 mit Aviación Nacional fusionierte, einer während des Bürgerkriegs von Angehörigen der Luftwaffe ins Leben gerufenen Mannschaft. Angesichts der Tatsache, dass Athletic mit einem riesigen Schuldenberg kämpfte und acht Spieler im Krieg umgekommen waren, besaß die Fusion eine gewisse Logik. Trotzdem war eine Vielzahl von Athletic-Fans entsetzt. Schließlich war der Verein von Basken gegründet worden, als Madrider Ableger von Athletic Bilbao. Außerdem war es der Klub der Außenseiter, nicht der Klub des Establishments. Die Spielphilosophie des Vereins wurde geändert, um seine neue Führung durch das Militär widerzuspiegeln. So kritisierte ein General 1939/40 in der ersten Saison nach dem Neustart der Liga Athletics Trainer Ricardo Zamora wie folgt: „Was dieser Mannschaft fehlt, sind Eier, richtige Eier. … Die Mannschaft muss mehr rennen und alles auf den Gegner werfen. … Ein Trainer braucht ein bisschen Mumm, muss Disziplin erzwingen, ab und zu die Peitsche rausholen.“ Ganz offensichtlich schaffte Zamora es, die nötigen „Eier“ einzupflanzen. Athletic Aviación de Madrid holte in jener Saison die Meisterschaft und konnte den Titel im Jahr darauf verteidigen.

      In der Tat entsprach La Furia in gewissem Grad dem Geist der Diktatur und wurde als Teil der Propaganda von Francos Erneuerung Spaniens beworben; als Teil einer Tradition, in deren Rahmen die Moslems aus Granada vertrieben, die Konquistadoren über den Atlantik aufgebrochen waren und für die Don Quixote als Musterbeispiel spanischer Kompromisslosigkeit vereinnahmt worden war. „Die Furia Española findet sich in sämtlichen Facetten des Lebens in Spanien wieder, so deutlich wie noch nie“, hieß es 1939 in einem Kommentar in der falangistischen Zeitung Arriba. „Im Sport zeigt sich La Furia am klarsten beim Fußball, einer Sportart, in der sich die Männlichkeit der spanischen Rasse voll entfalten kann und in Länderwettkämpfen gewöhnlich ihren Stempel gegenüber technisch stärker versierten, jedoch weniger angriffslustigen Mannschaften fremder Länder aufdrückt.“ Genau wie im Italien Mussolinis wurde Fußball auch im Spanien Francos zu einer kriegerischen Betätigung.

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      Da Sindelars Karriereende näherrückte und auch Meisl nicht jünger wurde, hätte


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