Seewölfe Paket 35. Fred McMason

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Seewölfe Paket 35 - Fred McMason


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      Für einen Moment stand er wie erstarrt und schien die Beleidigung nicht fassen zu können, dann schlug er zu.

      Das war, als hätte mich eine über Deck wischende Spiere getroffen. Für eine Weile war ich zu keiner Regung mehr fähig.

       6.

      März 1598.

      Seit zehn Tagen weilte ich an Bord der „Good Luck“ und packte inzwischen kräftig mit an. Der Kapitän ließ sich sogar zu der Bemerkung hinreißen, ich sei der geborene Seemann. Ich muß dabei ziemlich dumm aus der Wäsche geschaut haben, denn anschließend brach er in schallendes Gelächter aus und versicherte mir, daß er es wirklich ernst meinte. Er hätte selten einen Schiffsjungen gesehen, der so schnell begriff wie ich.

      Cynthia, die neben mir an der Back saß und gerade ihren Zwieback in den Tee tauchte, lächelte vielsagend. Ihr Onkel hatte schon recht – so dumm wie auf der „Seawind“ stellte ich mich nicht mehr an. Außerdem steckte ich inzwischen sogar das Schlingern und Rollen des Schiffes bei harter See mühelos weg. Ich war selbst überrascht, daß mein Magen nicht mehr rebellierte.

      Daß mir die Arbeit zunehmend Vergnügen bereitete, lag an dem familiär zu nennenden Umgangston auf der Karavelle. Der Kapitän scheute sich nicht, das Vorschiff aufzusuchen und mit den Decksleuten zu reden.

      Strafen wurden nicht ausgesprochen. Obwohl ich eine Zeitlang ungläubig mit Argusaugen wachte, fiel mir kein einziger Vorgang auf, der den Zuchtmeister gezwungen hätte, zur Peitsche zu greifen. Verglichen mit der „Good Luck“ – den Namen empfand ich inzwischen als äußerst zutreffend –, war die „Seawind“ der reinste Seelenverkäufer gewesen.

      Der zweite Grund für meinen plötzlichen Ehrgeiz hieß Cynthia. In ihrer Nähe spürte ich ein seltsames Prickeln, sie erinnerte mich an Mutter, und ich mochte sie, wenn auch auf eine völlig andere Art.

      Seit achtundvierzig Stunden herrschte wieder schwere See. Es regnete ununterbrochen, nicht stark zwar, aber die Sicht war dennoch eingeschränkt.

      Wir hatten die Straße von Gibraltar und die portugiesische Küste hinter uns gelassen, ohne ein anderes Schiff gesichtet zu haben, aber ausgerechnet vor der Biskaya meldete der Ausguck Segel querab.

      Eine Galeone hielt auf uns zu. Die Entfernung betrug gerade noch eineinhalb Meilen, als das unter vollen Segeln laufende Schiff in den Regenschleiern sichtbar wurde. Es führte keine Flagge.

      Der Wind wehte aus Nordosten von Frankreich her, die „Good Luck“ segelte momentan mit halbem Wind über Backbordbug seewärts, während die Galeone nahezu platt vor dem Wind lag und dementsprechende Fahrt lief.

      Unter den Umständen Höhe zu gewinnen, war so gut wie unmöglich. Unsere einzige Chance bestand darin, zunächst die Distanz zu halten und später die guten Segeleigenschaften der Karavelle auszunutzen. Während der Nacht hatten wir bestimmt eine Chance, unbemerkt zu entwischen, doch bis dahin vergingen noch Stunden.

      Also zeigten wir der Galeone unser Heck und gingen auf neuen Kurs Südwesten zum Westen.

      Die Verfolger, die immer noch nicht daran dachten, Flagge zu zeigen, schwenkten in unser Kielwasser ein und segelten nur wenig nach Steuerbord versetzt. Damit war endgültig klar, daß sie uns gnadenlos jagen würden.

      „Die Herausforderung nehmen wir an“, sagte Cynthias Vater. „Wir haben die bessere Crew, und das ist entscheidend.“

      Die „Good Luck“ war zwar nur eine kleine Karavelle mit entsprechend wenig Segelfläche, aber ihre schlanke Rumpfform und der geringe Tiefgang ließen bei gutem Wind Geschwindigkeiten bis zu knapp sieben Knoten zu. Bewaffnet war sie vor allem mit Drehbassen und leichten Geschützen wie Sacers und Demi-Culverinen.

      Die Galeone war gedrungener gebaut, verfügte über deutlich mehr Segelfläche und eine mindestens zehn Mann größere Mannschaft, aber an Schnelligkeit war sie uns bestimmt nicht überlegen. Wir durften sie nur nicht bis auf Schußweite heranlassen, denn die beiden Reihen Stückpforten, die während unseres Manövers kurz zu erkennen gewesen waren, redeten eine unmißverständliche Sprache. Das Schiff verfügte über mindestens zwölf schwere Geschütze auf jeder Seite.

      „Ruder zwei Strich Steuerbord!“ Der Kapitän war die Ruhe in Person, er stand nahezu unbewegt auf dem Achterdeck und beobachtete durchs Spektiv. An seiner Stelle hätte ich wahrscheinlich Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um rasch vor den Verfolgern zu fliehen.

      „Zwei Strich Steuerbord, aye, aye“, bestätigte der Rudergänger.

      Die Segel standen prall. Insgeheim sehnte wohl jeder an Bord ein Abflauen des Windes herbei, weil die „Good Luck“ erst dann ihre Stärke ausspielen konnte, doch Petrus hatte vorerst kein Einsehen. Der Wind sprang lediglich während der nächsten halben Stunde auf Ost um.

      Der Kapitän ließ auf Westnordwest gehen. Während des Anluvens fiel die Galeone bis auf mehr als eine Seemeile zurück, nachdem sie zuvor stetig aufgeschlossen hatte. Aber immer noch hatten die Verfolger genügend Höhe, daß sie jedes weitere Anluven rechtzeitig unterbinden konnten. Unsere beste Chance wäre es gewesen, so hoch wie möglich an den Wind zu gehen und die Galeone auf einen Kreuzkurs zu zwingen, der sie unweigerlich zurückfallen ließ.

      „Betet, daß der Wind sehr alt und bald von Norden einfällt“, sagte der Bootsmann.

      Ich faßte mir ein Herz und sprach ihn an, ohne dazu aufgefordert worden zu sein: „Sir, haben wir viel Pulver an Bord?“

      Er blickte mich fragend an. „Ein Gefecht können wir durchstehen, falls du das meinst.“

      „Dann bitte ich, Sir, mir einige Fässer zu überlassen.“

      „Wir haben im Moment die dreifache Kernschußweite. Jedes Pulver wäre sinnlos vergeudet.“

      „Ich will keineswegs vorschlagen, auf die Galeone zu feuern.“

      Mit einer deutlichen Geste gab mir der Bootsmann zu verstehen, daß er nichts mehr hören wollte und verschwand achtern.

      Eben noch war ich felsenfest davon überzeugt gewesen, sozusagen den Stein der Weisen gefunden zu haben, jetzt zweifelte ich schon daran. Vielleicht hätte mein Vorschlag, die Galeone auf einfache Weise aufzuhalten, doch nur dazu geführt, daß ich von jedermann ausgelacht wurde. Immerhin mußte ich mich fragen, warum nicht schon andere vor mir die gleiche Idee gehabt hatten.

      „Was ist los, Clint? Du siehst aus, als hätte dir jemand das letzte Stück Zwieback abgenommen.“

      Weil ich die Galeone fixierte, hatte ich Cynthia nicht bemerkt, die mit schnellen Schritten neben mich trat.

      „Ich habe keine Angst“, sagte sie nach einer Weile gemeinsamen Schweigens. „Die Spanier segeln nicht besser als wir auch.“

      Sie war überzeugt, daß wir es mit Spaniern zu tun hatten, und mit Piraten allemal, denen ein einzelnes englisches Schiff eine höchst willkommene Beute war.

      „Ich weiß, wie wir sie uns vom Hals halten können“, sagte ich, obwohl ich keine zweite Abfuhr erhalten wollte.

      „Hast du darüber mit dem Bootsmann geredet?“ fragte sie.

      Ich nickte nur.

      „Dann heraus damit! Ich kann’s Vater sagen und der dem Kapitän …“

      War ich nur ein kleiner Junge mit dummen Gedanken oder wirklich schon ein angehender Seemann? Obwohl ich nichts lieber getan hätte, als meinen Vorschlag in die Tat umsetzen, ließ ich mich von dem Mädchen betteln. Ich genoß ihre sanfte Berührung.

      Cynthia zeigte sich von meinem Vorschlag überrascht.

      „Warum eigentlich nicht?“ fragte sie, und so ähnlich äußerte sich auch der Kapitän, als sie ihn informierte.

      Obwohl er meiner Idee nur geringe Erfolgsaussichten beimaß, sagte er, daß ihm Leute mit eigenen Gedanken lieber seien als alle, die stur Befehle befolgten. Da ich in der momentanen Situation


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