Lebende Blumen. Nataly von Eschstruth
Читать онлайн книгу.heiter sekundierten.
„Wenn ich mich mit diesem lyrischen und königlichen Namensvetter vergleichen darf, so ergeht es mir neben ihm wie einem Johann ohne Land!“
„Ihr Reich ist doch überall da, wo die holden Blümlein wachsen!“
„Nicht eine jede kann mich begeistern! Was nützen mir da drüben in dem Garten und dort am Balkongitter die schönsten Hängenelken und Tulpen und Narzissen, wenn sie so fest in dem heimatlichen Boden wurzeln, dass sie entblättern und welken, wenn Waldmeister sie auf seiner Brautfahrt als Herzenskönigin entführen will?!“
„Das ist allerdings fatal! Nun — so muss man symbolisch reden und alle reizenden Mädchenblüten der Botanik einverleiben!“
„Das nenne ich wiederum zu weit gegangen! Wenn ich den vollen echten Namen auf das Schild schreibe, auf welchem ich meine Gebieterin, wie weiland der Roquettsche Freiersmann, durch das Leben tragen will, so muss sie mir in gleicher Farbe bekennen! Jedes Lieschen oder Annchen ist nicht für eine Blumenkönigin prädestiniert!“
„Je nun — wir haben auch eine recht stattliche Anzahl junger Damen, bei welchen die Flora selber Pate stand!“
„Das schon, und ich gestehe ehrlich, dass ich mich schon lebhaft unter den Töchtern des Landes umsah, ob ich nicht eine Erika, Hortensia, Rose, Georgine usw. fand, für welche ich die Türen meines blühenden Reiches weit und die Tore hoch machen möchte, aber da war noch keine, denn die sind unter diesen Namen doch recht rar, welchen ich mein Herz zu Füsschen legen möchte!“
„So steht die rechte noch aus!“
Rolf sass so preisherrlich da wie ein Kater im Sonnenschein und schmunzelte über das ganze Gesicht, Rechtsanwalt Gleidingen aber blickte jählings auf und fixierte ihn momentan scharf durch seine Kneifergläser.
„Wie ist mir denn, — Eicklingen — das waren Sie doch, welcher sich heute bei dem Frühschoppen entschuldigte, Sie müssten ihre Verwandten von der Bahn abholen, — ein ganzes Gewächshaus voll lebender Pflanzen, — keine Berliner, aber ebenso vollkommen waschecht — und dann erzählten Sie, dass Ihr Onkel seinen sechs Töchtern teils die poetischsten, teils die verrücktesten Blumennamen gegeben habe!“
„Als Inhaber grosser Kunstgärtnereien konnte er sich ja den Luxus von sechs blühenden Töchtern leisten!“
„Ohne dafür Steuer zahlen zu müssen!“
Dankwardt hob jäh das interessante Gesicht: „Verrückte Namen hat er ihnen gegeben? Wie denn das?“
„Na, — Kräutlein Wohlverleih, alias Arnika und ‚Fürwitzchen-Mandolinata‘ finde ich, unter uns gesagt, doch ein bisschen manoli!“
„Famos! Arnika?! — Fürwitzchen ist ja reizend — tatsächlich so getauft?!“
„Auf dem Taufschein steht in diskreter Umschreibung ‚Cilla‘!“
„Ist ja fabelhaft amüsant! — Und die anderen Töchter?“
„Folgende Skala: ad I. Rose Damascena, ad II. Oleandra, die Lorbeerrose!“
Baron Waldmeister stieg das Blut jäh in die Wangen: „Alle Donner!“
„ad III. Arnika. — Numero 4. Violetta.“
„Ist ja entzückend!“
„Numero 5. Lilie!“
„Und den Beschluss bildet?“
„Die kleine Cilla-Mandelblüte, das Fürwitzchen, welches zu seines Hauses Ehre diesen Namen mit vollem Recht verdient.“
„Und der Krösus, welchem dieser blühende Reichtum gehört, ist Ihr Herr Onkel, Verehrtester?“
„Ja, gottlob nur mein Onkel, sonst würde ich bombensicher als Rittersporn, Schwertlilie, Männertreue oder Goldlack auf diesem Planeten umherirren.“
„Sie hätten sich nicht beklagen können, das sind doch alles erlesene Gewächse!“
„Ich nehme diese Namen auch nur an, weil sie meinen guten Qualifikationen entsprechen würden. Wenn aber der liebe Onkel schlechte Laune gehabt hätte, weil ich nur ein Bub anstatt ein Mädel war, dann hätte er mich auch ebensogut Sauerampfer, Storchschnabel oder Natterkopf nennen können.“
„Mensch! So lange Sie noch nicht mit dem Löffel assen à conto der Tuttflasche gar: Bienensaug!“
Die Herren sprachen so animiert, dass der Kutscher rückwärts schielte und lakonisch dachte: „Jetzt schon so fidel, und nun fahren sie doch erst hin!“
„Und diese holdseligste aller Mädchenblüten haben die Eltern zurzeit hierher verpflanzt?!“
„Hm ... sind nun gross genug! Mussten pikiert werden!“
Dankwardt machte ein ganz entsetztes Gesicht.
„Nanu, pikiert?! Warum denn das? Man dankt doch dem lieben Gott, wenn die Damen nicht pikiert auf uns arme Männer sind, und Ihr Herr Onkel ruft diesen peinlichen Fehdezustand noch künstlich bei ihnen hervor?!“
Rolf lächelte.
„Missverstehen Sie mich nicht, König Waldmeister! Pikieren ist bei Blumenzüchtern ein Fachausdruck, welcher ‚verpflanzen‘ bedeutet!“
Allgemeiner Beifall.
Nur der Becher fehlte, um in dieser animierten Stimmung eine feste und dauernde Freundschaft der vier „alten Herren“ von jungen Jahren zusammenzuschäumen.
„Sind die Herrschaften heute auch auf der Rudelsburg anwesend?“
„Und ob! Ich redete gut zu, als sie eine Reise durch Thüringen antraten. Dort vor uns die beiden Wagen. — ‚Ich liess sie fahren dahin!‘“
„Wir müssen sie kennenlernen, bester Doktor, Sie haben doch die Liebenswürdigkeit, uns nachher bekannt mit Ihren Anverwandten zu machen?“
Rolf zuckte mit undefinierbarem Gesicht die Achseln. „Ausgeschlossen! — Sie, Herr Landrat und Herr Rechtsanwalt sind ja harmlose Leute, welche in Laurins Rosengarten ehrliche Gäste sein werden. Aber ein Waldmeister, zu dessen Eigenart es erwiesenermassen gehört, ‚auf der Brautfahrt‘ zu sein, wie er soeben selber zugestand, der würde doch in Gedanken als Herzensdieb in den fremden Garten eindringen, und das kann ich nicht verantworten!“
„Wir beaufsichtigen ihn! Vor dem Scheiden muss er die Taschen umkehren!“
Rolf sah ein wenig schalkhaft aus. „Wir alle haben keine Ahnung, dass der Name Waldmeister existiert.“
„Er ist auch sehr selten!“
„Meine Nichten würden annehmen, es handele sich um einen kecken Scherz, oder aber, sie würden so befangen sein, dass es die Stimmung beeinträchtigte. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass schon bei Cillas Taufe eine Waldmeisterbowle getrunken ward, anlässlich welcher die Roquettsche Dichtung des öfteren erwähnt ward!“
In Dankwardts Auge flammte es auf.
„Wir tragen ja heute alle wieder die Farben, und bekanntlich ist die Studentenfreiheit eine weitgehende, welche nicht verübelt werden darf. Ist es nicht statthaft, dass ich mich unter meinem wahren Namen den Damen vorstellen lassen kann, — ei, wer hindert uns daran, dass ich mich umtaufe?! Frisieren wir doch schon durch alle Äusserlichkeiten diese kleine Komödie der Irrungen als fidelen Studentenstreich! Wenn ich früher irgend jemand genasführt oder geäfft hatte, so nannte mich meine nicht allzustrenge Mutter meist mehr anerkennend wie tadelnd „du lieber Strolch!“, denn meine Scherze waren wohl keck und launig, aber niemals verletzend oder gar bösartig! Also: Assessor Dankwardt Strolch! Das klingt ganz famos und kostet nichts!“
„Das ist ja eine pyramidale Idee, lieber Assessor!“ tobte Rolf noch ebenso impulsiv wie vor Jahren, da er noch mit Leib und Seele aktiver Verbindungsstudent war und jedwedem flotten Burschenstreich tatkräftigste Hilfe angedeihen liess!
„Das wird gemacht! — unter allen Umständen! Donnerwetter