Bekenntnisse. Augustinus von Hippo

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Bekenntnisse - Augustinus von Hippo


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Bosheit, an deren Genusse ich mich erfreute, aß ich in mich hinein. Wenn auch mein Mund etwas von jenen Früchten kostete, so war die Schandtat doch der Speise Würze. Und nun, Herr mein Gott, frage ich, was denn eigentlich an dem Diebstahle mich ergötzte. Siehe, Schönheit besaß er nicht; ich meine nicht die Schönheit, wie sie etwa Gerechtigkeit und Klugheit besitzen, nein, auch nicht die, die der Geist des Menschen, das Gedächtnis, die Sinne und das physische Leben aufweisen, noch auch die, die im Glanze der Gestirne sich zeigt und an Land und Meer, die erfüllt sind mit Lebewesen, die unaufhörlich einander folgen, ja nicht einmal jenen trügerischen, dunklen Reiz, mit dem die Sünden uns berücken.

      Denn der Stolz äfft die Erhabenheit nach, während du, o Gott, allein über alle erhaben bist. Der Ehrgeiz trachtet nur nach Ehren und Ruhm, während dir allein vor allen Ehre und Ruhm in Ewigkeit gebührt. Gestrenge Machthaber wollen gefürchtet sein: wer aber ist zu fürchten außer Gott allein? Denn was oder wann oder wodurch oder von wem veranlaßt, könnte etwas sich seiner Macht entreißen oder entziehen? Wollüstige Menschen schmeicheln, um Liebe zu gewinnen: nichts aber ist einschmeichelnder als deine Liebe, keine Liebe ist beseligender als deine Wahrheit, die an Schönheit und Lichtfülle alles überstrahlt. Neugier sucht sich als Wissensdurst zu geben, während du alles am besten weißt, Sogar Unwissenheit und Beschränktheit birgt sich unter dem Namen der Einfachheit und Unschuld, weil nichts Einfacheres zu finden ist als du; was aber ist unschuldiger als du, da den Bösen nur ihre eigenen Werke zum Schaden gereichen? Trägheit strebt nach dem Scheine der Ruhe: wo aber ist sichere Ruhe außer im Herrn? Schwelgerei will nur Sättigung und Überfluß heißen: doch nur du bist die Fülle und unerschöpfliche Schatzkammer unvergänglicher Süßigkeit. Verschwendung will als Freigebigkeit erscheinen: aber du bist der reichste Spender aller Güter. Habsucht will viel besitzen: und du besitzt alles, Neid streitet um der Vorrang: wer hätte den Vorrang vor dir? Zorn trachtet nach Rache: wer vergibt gerechter als du? Furcht, um die Sicherheit des Geliebten ängstlich besorgt, bebt zurück vor dem Ungewohnten und Plötzlichen, das ihm Gefahr bringt; was aber ist dir ungewohnt? was plötzlich? Oder wer scheidet von dir, was du liebst? Oder wer gewährt außer dir ruhige Sicherheit? Traurigkeit härmt sich ab über den Verlust von Gütern, woran die Begierde sich ergötzte; auch sie möchte keinen Verlust erdulden, aber nur dir kann nichts genommen werden.

      So buhlt die Seele, wenn sie sich von dir abwendet und außer dir sucht, was sie rein und lauter nicht findet, sie kehrte denn zu dir zurück. Verkehrt ahmen dich die nach, die sich von dir entfernen und sich gegen dich erheben. Aber selbst dadurch, daß sie dich nachahmen, geben sie zu erkennen, daß du der Schöpfer der ganzen Natur bist und man sich deshalb nicht völlig von dir lossagen kann. Was also habe ich in jenem Diebstahl geliebt, und inwiefern habe ich selbst in lasterhafter und sündhafter Weise meinen Herrn nachgeahmt? Gelüstete es mich etwa, deinem Gesetze durch Trug zuwiderzuhandeln, weil ich es mit offener Gewalt nicht konnte, damit ich, ein finsteres Afterbild der Allmacht, ungestraft täte, was unerlaubt, und so, obwohl selbst ein Sklave, mich einer falschen Freiheit rühmte? Sieh den Knecht, der vor seinem Herrn flieht und einen Schatten erhascht! O Fäulnis, o abscheuliches Leben, o abgrundtiefer Tod! Was nicht erlaubt war, gefiel mir allein deshalb, weil es nicht erlaubt war.

      7. Augustinus dankt Gott, daß er ihm die begangenen Sünden verziehen und vor vielen anderen ihn bewahrt habe.

      „Wie soll ich dem Herrn vergelten“49, daß mein Gedächtnis diese Dinge sich in die Erinnerung zurückruft, ohne daß meine Seele daran Schaden leidet? Ich will dich lieben, o Herr, dir Dank sagen und deinen Namen preisen, da du mir meine Sünden und Missetaten sonder Zahl nachgelassen hast. Deiner Gnade rechne ich es zu und deiner Erbarmung, daß du meine Sünden wie Eis gelöst hast; deiner Gnade rechne ich es ebenso zu, wenn ich nicht noch mehr Böses tat. Denn was konnte ich nicht alles tun, da ich die Sünde liebte, auch wenn sie mir nichts gewährte? Doch alles, ich bekenne es, hast du mir nachgelassen, sowohl die Sünden, die ich aus eigenem Triebe begangen, als auch die, die ich dank deiner Führung unterließ. Welcher Mensch, der seiner Schwachheit eingedenk ist, dürfte es wagen, seine Keuschheit und Unschuld der eigenen Kraft zuzuschreiben, um dich so weniger zu lieben, gleich als ob er weniger deiner Erbarmung bedürfte, in der du denen, die den Weg zu dir zurückfinden, ihre Sünden nachläßt? Wer, von dir gerufen und deiner Stimme folgend, gemieden hat, was ich in diesem Buche von mir selbst erzähle und bekenne, der möge nicht meiner spotten, daß ich in meiner Krankheit bei dem Heilung fand, dem er es danken muß, wenn er überhaupt nicht oder wenigstens nicht so schwer krank wurde. Und deshalb möge er dich ebensosehr, ja noch mehr lieben; sieht er doch, daß eben der, der mich von dem schweren Siechtum meiner Sünden gerettet, ihn bewahrt hat, in so schwere Sündenschuld zu fallen.

      8. Augustinus liebte in seinem Diebstahle die gemeinschaftliche Beteiligung mit den Genossen seiner Sünde.

      Welche Frucht brachten mir Elendem damals diese Dinge, deren bloße Erinnerung mich schamrot macht, besonders aber jener Diebstahl, an dem ich nichts als nur den Diebstahl liebte, da er doch nichts war und ich durch ihn nur elender wurde? Und doch würde ich ihn allein nicht begangen haben; soweit entsinne ich mich meines damaligen Zustandes, allein hätte ich es sicherlich nicht getan. Also habe ich die Gesellschaft meiner Mitschuldigen geliebt? So hätte ich demnach doch etwas anderes als den Diebstahl geliebt? Nein, nichts anderes, da ja auch jenes andere nichts ist. Wie also verhält es sich in Wahrheit? Und wer anders kann mich da belehren als der, der mein Herz erleuchtet und seine Schatten verscheucht? Was veranlaßt mich zu den jetzigen Fragen, Erörterungen und Betrachtungen? Hätte ich damals nur die gestohlenen Birnen und ihren Genuß begehrt, dann hätte ich ja, wenn es sich allein darum gehandelt hätte, jene Bosheit allein zur Befriedigung meiner Lust ausführen können, ohne erst des Reizes zu bedürfen, durch den Mitwisser den Kitzel meiner Begierde steigerten. Weil ich also an jenen Birnen selbst nicht Gefallen fand, so war es die Sünde selbst und die Gesellschaft der Mitschuldigen, woran ich meine Lust hatte.

      9. Böse Gesellschaft führt zum Verderben.

      Welches Verlangen beherrschte hierbei meine Seele? Sicherlich war es durchaus schimpflich, und wehe mir, daß es mich erfüllte. Indes, worin bestand es? „Wer erkennt der Menschen Sünden?“50 Es kitzelte uns und erregte unser Gelächter, daß wir die täuschten, die solches von uns gar nicht vermuteten, ja es uns sogar ausdrücklich verboten. Warum freute mich also der Umstand, daß ich den Diebstahl nicht allein beging? Vielleicht etwa, weil niemand gern allein lacht? Das kommt allerdings selten vor; und doch brechen auch zuweilen einzelne Menschen allein, ohne daß irgend jemand zugegen ist, in plötzliches Lachen aus, wenn ihren Sinnen oder ihrer Seele etwas zu Lächerliches begegnet. Ich aber hätte jenen Diebstahl durchaus nicht allein begangen, wirklich nicht allein. Sieh, o mein Gott, wie lebendig vor deinem Angesichte sich meine Seele erinnert. Allein hätte ich jenen Diebstahl nicht begangen, bei dem mich nicht freute, was ich stahl, sondern daß ich stahl wäre ich allein gewesen, hätte es mich nicht gefreut, und ich hätte es auch nicht getan. O Freundschaft, ärger als die größte Feindschaft, o unerforschliche Seelenverführung, o Gier, durch Scherz und Spiel zu schaden, o Verlangen, anderen Verlust zu bereiten, ohne selbst zu gewinnen, ohne von Rachsucht getrieben zu sein! Dem bloßen Worte”auf, tun wir dies" folgt man, und man schämt sich, schamhaft zu sein.

      10. In Gott ist alles Gute.

      Wer kann mir jenen durchaus verworrenen und verwickelten Knäuel entwirren? Schmachvoll ist er; ich mag nicht länger mein Augenmerk auf ihn richten, nicht länger ihn sehen. Nach dir verlange ich, Gerechtigkeit und Unschuld, schön und herrlich in reinem Glanze und unersättlicher Fülle. Bei dir wahrlich ist Ruhe und ungetrübtes Leben. Wer zu dir eingeht, tritt ein „in die Freude seines Herrn“51; keine Furcht wird ihn beherrschen, und bei dem höchsten Gute wird er aufs beste aufgehoben sein. Abgewichen bin ich von dir, mein Gott, und allzuweit abgeirrt von der Feste in meiner Jugend, so daß ich mir zu einem Lande bitterer Not geworden bin.

      Drittes Buch

      1. Augustinus wird eine Beute der Liebe und jagt ihr nach.

      


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