Katharina Keplerin - Mutter des Astronomen. Utta Keppler
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Utta Keppler
Katharina Keplerin
Mutter des Astronomen
SAGA Egmont
Katharina Keplerin - Mutter des Astronomen
Copyright © 1980, 2017 Utta Keppler und Lindhardt og Ringhof Forlag A/S
All rights reserved
ISBN: 9788711708521
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach
Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.
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Ich widme dieses Buch meinen
vier Söhnen.
1. Kapitel
Weil der Stadt
Das Fachwerkhaus am Markt ist schmal, steile Treppchen; muffiger Geruch nach altem Holz schlägt einem entgegen und scharfe Schwaden aus der Latrine daneben, die in der Sommerhitze die dünnen Fliegen anzieht.
Katharina nimmt wieder den Wischlappen, windet ihn in den Eimer und putzt und scheuert. Sie fegt die Klumpen zusammen, die der Mann mit seinen Stiefeln hereingeschleppt hat, und trägt den Kehricht hinters Haus. Die Nachbarskinder kommen polternd herein, hinter ihnen der Kleine, ihr Johannes. Er bleibt neben ihr stehen und schaut ihr zu, ein schmächtiges Kind mit großen Augen, ein »Zimperling« und ein »Zôchen«, wie sie hier sagen. Sie dreht sich hastig um und sieht, daß er wieder die Pusteln auf der hohen schmalen Stirn hat, wie schon oft, und die roten Augenränder. Katharina wirft den Lappen in die Schmutzbrühe und streckt die Hand nach ihm aus. Er bleibt zögernd stehen, er weiß nicht recht, was sie will, Zartsein oder Schimpfen, man weiß es nie ganz sicher bei ihr, sie ist eine »Rasche«, sagt der Vater.
Aber dann macht er doch ein paar schwankende Kinderschritte auf sie zu und läßt sich anfassen, umfassen, legt auf einmal seinen dunklen Kopf an ihre Schulter und riecht den mütterlichen Geruch.
Der Jüngste in der Wiege schreit, man hört’s bis herunter, sie fährt auf, die Muhme hat nicht aufgepaßt, oder sie ist eingeschlafen; sie verzieht das Gesicht: Alles muß ich tun, an alles selber denken. Sie hat die Suppe für den Abend auf dem Herd, Gerstensuppe mit Zwiebeln, und sie läuft hinaus. Johannes trippelt ihr nach. Sie dreht sich um. »Geh hinüber und guck’ nach dem Vater!«
Das Kind steigt die Staffeln vor dem Haus hinunter und stapft über den Vorplatz. Er tut’s nicht gern, der Kleine, er weiß schon, daß der Vater bei Soldaten und Krämern sitzt und vom Umtrieb in der Welt hört.
Die Wirtsstube ist fahl vom Dunst, bunt blitzt und funkelt es aus dem Trüben, farbige Wämser, Federbarette, das unterscheidet er allmählich mit den kurzsichtigen Augen. Es ist alles ein fleckiges Gewirr, und mitten im Haufen, wo die Bierkrüge klirren und klappern, entdeckt er den Vater.
Heinrich Kepler ist ein breiter Mann mit blondem Bart und rolligem dunklerem Haar, er hat die Kappe weggelegt, und sein Gesicht ist rot und glänzt.
Das Kind steht, den Finger im Mund, vor ihm, gedrängt und gestoßen von den Soldknechten, die mit Gläsern und Zinngeschirr fuchteln. Heinrich Kepler schiebt den Kleinen weg, dreht den Kopf nach den Soldaten, fragt, den Bart wischend, noch einmal, was der Alba seinen Knechten zahle …; die lachen bloß.
Jetzt steht der Junge zwischen den breit ausgespannten Beinen des Vaters und klopft mit dem Händchen auf sein Knie, weil er sich anders nicht zu helfen weiß. Heinrich faßt ihn unter den Achseln und hebt ihn vor sich, drückt ihn fest gegen sein Wams und schreit: »Bist endlich still, dummer Kerle, ich komm nicht, und wenn’s die Frau verreißt!«
Der Kleine weint jetzt, er greift mit ernstem Gesicht nach dem Kinn des Vaters: »Aber die Mutter hat es gesagt! Ich muß den Herrn Vater heimbringen!«
Die Leute lachen. Das Kind erschrickt vor dem Gedröhne und duckt sich an die Brust des Vaters.
»Geh nur!« sagt der und setzt es auf den Boden. »Sag, ich komm sicher nicht hinüber!«
Da schiebt sich der Waibel dazwischen. »Recht so, Heinrich, Weiber verstehen nichts von unserem Handwerk, und wenn du heimkommst als Hauptmann, wird sie kuschen.«
»Vater!« bittet der kleine Johannes. Aber der große Mann steht nicht auf, er stößt ihn weg. Er weint wieder: »Die Mütz, Vater!« Der Mann wirft die Kappe auf den Tisch, in eine Bierlache. »Kappe? Mütz?« Er lacht böse. »Kappler haben sie mich geheißen, Kappenmacher, die Affen, und von meinem Urahn weiß ich doch, daß zwei Brüder Kepler zu goldenen Rittern geschlagen worden sind, bei der Kaiserkrönung Sigismundi zu Rom.«
Die anderen johlen und reden durcheinander, das sei doch kein erwiesenes Faktum, sondern allenfalls eine Annahme und ein Dekorum, und man kenne sein großes Mundwerk und die Ruhmsucht, die immer höher hinauswolle; bei einem Kriegsmann gelte die Mannhaftigkeit – ein gewaltiger Hieb wiege mehr denn der verschollene Adelsbrief.
Sie schreien, streiten, raufen schließlich, bis der Wirt sie auseinanderreißt und Heinrich, plötzlich erschlafft, unsicher geworden, den nassen Hut ausschüttelt und zusammenknüllt. So schiebt er sich aus der Tür, das Kind geht ihm nach.
Draußen steht Katharina, sie schaut dunkel und ohne Hoffnung auf den schwankenden Mann. Wilder Ärger springt sie an, sie zwingt sich zu schweigen, faßt Johannes fest an der Hand und wartet, bis ihr Mann wirklich gegen die Tür zugeht und sie ihm nachsteigen die schmale Treppe hinauf in den düsteren Flur und in die Stube, dann erst redet sie, als wäre es lang bereit gewesen und nicht mehr aufzuschieben: »Heinrich«, sagt sie, »das Essen steht da, iß. Ich geb den Kindern aus und tu sie ins Bett. Dann muß es mit uns ins Reine kommen, so kann die Unruh nicht bleiben …«
Heinrich setzt sich, ihm ist schwindlig vom Bier, er ärgert sich über die hämischen Reden, die er noch im Abgehen von den Söldnern und Bauern gehört hat, er ärgert sich über die Ruhe der Frau, die er nicht aus ihrer Besonnenheit hat reißen können, so heftig sie manchmal sein kann.
Als die Kinder endlich schlafen – Johannes schreit auf im Traum, murmelt und plappert vor sich hin, und sie streicht ihm über die naßgeschwitzten Haare –, als sie beide endlich still sind, und leis’ schnarchend tief in die Kissen gesunken, steht sie in der Küche vor ihrem Mann, der sich an den Herd gesetzt hat, die nasse Kappe vor dem Feuerloch drehend, und jetzt zu ihr aufsieht, nur mit den Augen, den Kopf gesenkt wie ein zorniger Stier.
»Laß mich!« murrt er böse; Katharina kennt die Laune, den Drang, zu glänzen, zu gelten und recht zu haben und weiß, daß das Zureden so wenig dagegen hilft wie früher das wilde Aufbegehren, das Weinen, das Drohen und Mahnen. »Heinrich«, sagt sie müde, »du kannst doch den Handel nicht einfach liegen lassen, die Fuhrmeisterei und das Gütle und uns alle drei, du mußt doch bedenken, was werden soll – Heinrich …« Er greift die Stehende mit beiden Armen um die Knie und zieht sie an sich. »Kätterle, ich muß aber!«
»Du mußt … und hast doch auch ein Hirn und einen Verstand, du, mit deinen großmächtigen Ahnen, und nicht nur einen eitlen Trieb, und hast mich und den Hänsle und den Heinerle; und uns ließest zurück, wenn sie dich anwürben, hier im Haus bei der Ahne und der Bas’, der Wellingerin und …«, sie dreht sich zur Seite und weint.
Heinrich läßt sie los. »Das verstehst nicht.«
Sie lacht bitter. »Das alte Gerede! Und ob ich’s versteh – aber muß es denn immer bloß um deinen Ruf und Ruhm gehen?«
Er steht auf. »Ach, Ruf und Ruhm …«, sagt Heinrich Kepler auf einmal verächtlich, »es ist auch so nimmer zum Aushalten …«
Darauf schweigt sie. Sie nickt sogar, denn eben, als er stiller wird und