Der Bauer in der Au. Rudolf Stratz

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Der Bauer in der Au - Rudolf Stratz


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. . aber keine, die a Bauernarbeit schaffen können — Bauernarbeit — dös wissen S’ selber, Herr Vogl, is blutsauer. Bauernarbeit wird gering bezahlt. Deswegen laufen s’ ja alle in die Stadt!“

      „Aber die Wiesen warten net! Die Wiesen verblühen! . . . I muss Leuť haben!“

      „Ich kann Ihnen keine schaffen! Tut mir recht leid! Bitte — gern geschehen, Herr Vogl! Grüss Gott!“ —

      Friedlich grünten blumenbunt in Sonnengold und Sommerwehen die weiten Bergwiesen. Der Vogl-Bauer betrachtete sie finster wie Feinde.

      „Da kannst nix machen!“ sagte er zu dem Bruder Simon neben ihm. Der schüttelte den blassen Kopf.

      „Wann d’ auch Knechte und Mägde gerad’ genug hättest, wovon wolltest ihnen nachher Lohn und Biergeld und ’s Gewand und Schuhwerk zahlen? Und die Krankenkass’! Und die vielen Wapperln kleben? A Betriebskapital brauchst! Das hast net! Das hat keiner von uns mehr! Daran stirbt der Bauer!“

      Der Flori spuckte zornmütig aus. Er setzte sich mit zusammengebissenen Lippen an den Steinblock und dengelte in grimmigem Gehämmer die Sense. Er schmiss den Rock beiseite und schulterte die Sense und lief hinauf aufs Feld und begann trotz der Mittagsglut drauflos zu mähen. Stund’ um Stunde. Er nahm sich nur eben Zeit, einmal zu trinken und mit Wetzstein und Wasser die Schneide wieder zu schärfen. Bis die Sonne hinter den Bergen sank, fächerten sich vor ihm die grünen Schwaden. Die vorüberziehenden Sommerfrischler jodelten und winkten dem fleissigen Bauern zu.

      „Gehst fei’ gleich aus dem Futter!“ schrie er eine dicke, junge Münchnerin an, die, den ganzen Arm voll Butterblumen, das saftigste Gras zertrampelte. Und dann, ruhiger:

      „No — was schaffst denn, Wimmerl?“

      Der Wimmerl, der da am Weg stand, klein, hager, durchtrieben, grosse Ohren um das spitze Gesicht — der Wimmerl war ein abgehauster Bauer und Hochzeitsbitter und Spassmacher. Er zwinkerte:

      „Schön Wetter heut’, Bauer!“

      „Dös seh’ i selber!“

      „Brauchst mich net einmal?“

      „Kannst hier gleich helfen!“

      Zum Hochzeitansagen, mein’ ich! Du — ich wüsst’ Madln genug!“

      „Du Kaschperle tust mir gerad’ not, wann ich ’s Heiraten im Sinn hab’!“ Der Vogl-Flori hob wieder die Sense. „Zehn für eine hätt’ ich! Nach mir derschlecken s’ sich die Finger bis zum Ellbogen. Schau, dass d’ weiterkommst!“

      Er liess verbissen die Sense fliegen und hielt nach einer Weile inne. Wie ein ranker Schattenriss stand da vor ihm die braune Marei, den langen Haselnussstock in der Hand, den Kraxen an Lederriemen auf dem jungen Buckel, in derben Nagelschuhen, das Hütl mit der Hahnenfeder schief über dem hübschen, wilden Gesichtel. In dem lachten die dunklen Augen und blinkten die weissen Zähne.

      „I bring’ a Butter von der Alm, Bauer!“

      „Is alles in der Reih’ oben?“

      „Ah — da tätst di wundern!“ Die Marei beugte sich, beide braunen Hände an dem Bergstock, vertraulich vor.

      „Lach net so dumm! Was is?“

      „Wir haben an Senn oben!“

      „Ja — woher denn?“

      „In der Nacht is er zur Katrein kommen! Du: Is das a schönes. Mannsbild! So gross und gut beisammen wie du! Aber so lieb — so fidöl! Feurig, wie s’ halt sind — die Tiroler!“

      „Ach — red net!“

      „Singen kann er! . . . Und Harmonika spüllt er! . . . Und G’schichten weiss der — ah na!“

      „I dank’.“

      „Wir mögen ihn alle recht gern! Besonders das Fräulein Blumetsrieder! Die is mit ihm rein wie narrisch! Staunend is er — sagt’s als — das Fräulein Blumetsrieder!“

      Der Vogl-Bauer ging wortlos ins Haus. Aus seiner Kammer sah er nach Mitternacht, als der Mond hochkam, die Marei mit langen, flinken Schritten wieder bergauf steigen. Nach ein paar Stunden graute der Morgen. Das war die Zeit, mit dem Mähen zu beginnen, wenn man gerad’ eben die Sensenschneide in dem weissen Frühnebel vor sich erkennen konnte. Unten in der Stube sassen sie schon beim dampfenden Schmarrn, die paar Leuť, und der Simon rief:

      „Wohin dann, Flori?“

      „Fangt’s ohne mich an! I muss auf d’Alm!“

      Der Flori lief die Berge hinauf. Heute kümmerte ihn nicht einmal der rote Bock, der ihn aus dem Tannendickicht mit tiefem Grunzen ausschalt. Der flüchtende Waldhas zeigte ihm umsonst die weisse Blume. Die wilde Jagd des Baummarders hinter dem Eichhorn her, ein Sturm durch die Luft von einem Ast zum andern — selbst das sah er heute nur zerstreut.

      Oben in der Almhütte machten sie gerade Brotzeit, wie er eintrat. Das Fannerl sass zwischen dem Bergvolk. Es hatte einen Napf Milch vor sich und brockte sich gerade Schwarzbrot ein, und es ging ein sonniges Leuchten über ihr rundes, volles Münchner-Kindl-Gesicht, das schon ein wenig sonnenbrauner und blutwärmer geworden war, und es kam ein weicher Glanz in ihre dunkeln Augen, wie sie mit einem kleinen, lieben Schrei freudiger Überraschung von der Holzbank aufschnellte und die weisse Patsche über den Tisch hin ausstreckte:

      „Jesses — der Bauer!“

      Aber der drückte die fünf Fingerchen in seiner hornbraunen Tatze nur so obenhin und schaute sich kampflustig in der Runde um. Ja — was sass denn da neben der Katrein für ein gedunsener, alter Kerl mit grauem Gesicht und grauem Stoppelschädel und grauen Borsten am Kinn, mit blossen Füssen und in uralten himmelblauen bayerischen Infanteriehosen, und sonst nur noch ein mordsdreckiges Hemd über der behaarten Brust?

      „Katrein — wo hast denn den her — den Hanswurscht — den halunketen?“

      „Oh mei! Derbarmt hat er mi halt! Wir haben uns schon kennt, wie wir noch jung waren! Aus Tirol is er kimma!“

      „I weiss, wo er herkommen is!“ schrie der alte Wastl.

      „Gleich hältst die Dreckschleudern!“ keifte die Katrein.

      „Fragt’s nur unten im Gefängnis im Moor! Da is er aussi und hat seinen Zuchthauskittel im Wald den Füchsen zum Aufheben geben!“

      „Und z’wegen dem is der Bauer auf die Alm aufig’stiegen!“ frohlockte die Marei auf der Schwelle. „Schau ihn nur recht fleissig an, Vogl! Is doch a ganz Gefährlicher — net? Weisst schon, für wen!“

      Jetzt erst begriff der Flori, dass die Marei ihn gefoppt hatte. Sie witschte um die Ecke hinaus vor die Hütte und lief, was sie konnte, den Hang hinauf. Er hinterher. Er schrie atemlos:

      „I komm’ dir mit dem Ochsenfiesel, du Rotzdirn — du ausg’schamte! Glei’ bleibst stehen!“

      Aber die braune Marei sprang wie eine Ziege, zwischen dem Alpenrosengestrüpp und von einem Felsblock zum andern. Er konnte sie nicht einholen. Irgendwo hatte sie sich in dem Gestein verschlupft. Er machte erhitzt halt.

      „Juchhu!“ schrie die Marei. Jetzt sah er sie wieder oben in den Zacken Klettern. „Juchhu!“

      Es klang immer ferner. Der Vogl-Flori drehte ihr mit einer verächtlichen Schulterbewegung den Rücken. Lohnte sich gerad’, sich noch mit der Dirn umeinander zu hetzen! Und nach den ersten paar Watschen sagte sie einem womöglich noch den Dienst auf. Eine Stelle kriegte sie da unten heut noch am Abend irgendwo in einem von den vielen Gasthäusern rund im Land.

      Als der Flori wieder zur Alm kam, war der alte Zahnluckete schon weg. Jetzt, im Frühling, konnte er sich leicht nachts in den Heustadeln derhalten! Musste halt schauen, wie er hinüber zu den Österreichern fand . . .

      „Dass ich so an Hallodri, so an miserabligen, net wieder hier spür’!“ gebot der Vogl streng. Missmutig stand er abseits von der Hütte und nahm die Pfeife aus den weissen Zähnen.


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