Liebe, gefährliches Spiel. Marie Louise Fischer
Читать онлайн книгу.ihm recht«, sagte Gisela kaltschnäuzig. »Wieso muß er auch ausgerechnet hier aufkreuzen? Nach dem, was passiert ist, sollte das doch eigentlich der letzte Platz auf der Welt sein, wo er sich blicken lassen dürfte!«
»Ich weiß auch nicht, was er wollte«, sagte Frau Grosser unruhig, »jedenfalls… dein Vater war nach diesem Gespräch in einer Verfassung, wie ich ihn noch nie erlebt habe.«
»Wütend?«
»Nein, ganz… aufgelöst. Ich weiß gar nicht, wie ich dir das erklären soll.«
Gisela biß sich nachdenklich auf die Lippen und starrte, einen ganz abwesenden Ausdruck in den blauen Augen, ins Leere.
»Nun geh schon zu Vater!« drängte Frau Grosser.
Gisela strich sich glättend mit den Händen über ihren blonden Pagenkopf.
»Na schön«, sagte sie unbehaglich, »es wird mir wohl nichts anderes übrigbleiben!«
Direktor Grosser musterte seine Tochter mit jenem strengen Blick, der ihr noch von frühester Kindheit her nur zu gut bekannt war und unter dem sie sich auch heute noch sofort wie eine ertappte Sünderin zu fühlen begann.
Aber sie bezwang sich, seinem Blick standzuhalten, und es gelang ihr sogar, ein Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern.
»Hallo, Vater«, sagte sie, so unbefangen wie möglich. »Du wolltest mich sprechen, und schon bin ich da! Grenzt das nicht fast an Hexerei, wie?«
»Guten Tag, mein Kind«, sagte Direktor Grosser.
Er war ehrlich überrascht, seine Tochter zu sehen, und er begriff nicht, wie sie so schnell hatte kommen können – aber natürlich, sie mußte einen besonderen Grund gehabt haben, nach Bad Harsfeld zu kommen!
»Hast du dich mit Klaus Leonhardt getroffen?« fragte er.
»Ich? Wie käme ich denn dazu?«
Gisela setzte sich auf den Besucherstuhl gegenüber vom Schreibtisch. Sie wollte gerade ihre hübschen Beine übereinanderschlagen, besann sich aber noch rechtzeitig und stellte sie brav nebeneinander.
»Jedenfalls ist Klaus Leonhardt hier in der Stadt«, sagte Herr Grosser.
»Du bist schon der dritte Mensch, der mir das heute erzählt«, erwiderte Gisela sehr gefaßt, »aber eigentlich ist es doch keine solche Sensation, nicht wahr? Wir mußten doch damit rechnen, daß er vorzeitig entlassen werden würde!«
»Ich hatte nicht erwartet, ihn je wiederzusehen.«
Direktor Grosser beugte sich vor, legte die Fingerspitzen seiner knochigen Hände gegeneinander.
»Er war hier bei mir, Gisela… er hat mit mir gesprochen!«
Gisela gelang es prächtig, große erstaunte Kinderaugen zu machen.
»Was wollte er denn?«
»Kannst du dir das nicht denken?«
»Eigentlich nicht – oder doch …«
Gisela legte den Finger an ihre kleine Stupsnase.
»… entweder wollte er seinen Sohn sehen, oder aber er hat noch einmal versucht, dich davon zu überzeugen, daß er nicht der Vater ist!«
Alfred Grossers schmales Gesicht wirkte plötzlich sehr müde.
»Gisela«, sagte er, »du weißt, daß ich immer Vertrauen zu dir gehabt habe.«
Gisela schwieg und sah ihren Vater erwartungsvoll an.
»Ich bin immer überzeugt gewesen, daß du außerstande wärest, zu lügen. Schließlich haben wir dich von kleinauf zu äußerster Wahrheitsliebe erzogen.«
»Das stimmt, Vater.«
»Aber heute… zum erstenmal …«
Direktor Grosser gelang es nicht länger, sich zu beherrschen.
»Entweder ist Klaus Leonhardt ein Wahnsinniger, oder du bist eine Meineidige!« brach es aus ihm heraus.
Gisela saß ganz ruhig da, nur ihre geballten Fäuste verrieten ihre unterdrückte Erregung.
»Ich habe ihn schon immer für ein bißchen schizophren gehalten«, erklärte sie kühl.
»Du behauptest also nach wie vor, daß er es war, der sich an dir vergangen hat?«
»Ich behaupte es nicht nur, sondern ich habe es ja auch vor Gericht bewiesen. Ich hatte Zeuginnen – wenn du dich erinnerst. Willst du wirklich diese ganze Geschichte jetzt noch einmal aufrollen? Ich dachte, ich hätte sie glücklich überstanden.«
»Nicht ich will das, Gisela, sondern Klaus Leonhardt«, sagte Direktor Grosser ernst. »Er will beweisen, daß Christoph nicht sein Sohn ist!«
»Na, dann bin ich aber mal gespannt, wie er das anstellen will!«
»Durch eine erbbiologische Untersuchung, soviel ich verstahden habe. Er behauptet, in seiner Familie hätte es noch nie Rothaarige gegeben, und …«
Jetzt, zum erstenmal, fiel Gisela ihm ins Wort.
»Aber, Vater«, sagte sie, »das ist doch geradezu lächerlich! Soviel weiß doch sogar ich von der Vererbungslehre, daß ein solches Merkmal Generationen überspringen kann… außerdem kann es sich auch um eine Mutation handeln, eine neue Eigenschaft, die ganz plötzlich auftritt… das haben wir doch alles in Biologie gelernt!«
»Gebe Gott, daß du recht hast!«
Gisela beugte sich vor.
»Du glaubst diesem Menschen also mehr als mir?«
Direktor Grosser legte die Hand vor die Augen.
»Ich weiß einfach nicht mehr, was ich denken soll! Auf alle Fälle wird er überall herumlaufen und Lügen über unsere Familie verbreiten, und wenn ich ihn verklage, spiele ich ihm damit nur in die Hände, denn dadurch würde die Vaterschaftsfrage noch einmal vor Gericht aufgerollt!«
»Dann verklage ihn eben nicht«, sagte Gisela, »laß ihn doch reden, was er will. Er schadet sich damit selber mindestens so sehr wie uns!«
»Es geht auch um das Kind, Gisela… ein solches Gerede kann tödlich für Christoph sein! Denke doch nur daran, daß er in drei Jahren in die Schule kommt. Seine Kameraden werden es ihn entgelten lassen. Kleine Jungen können so bösartig sein!«
Gisela wurde blaß, ihre leuchtenden, blauen Augen wirkten plötzlich unnatürlich dunkel, das Lächeln auf ihren Lippen gefror.
»Ich weiß, daß du dein Kind liebst«, sagte Direktor Grosser, »und ich rechne dir das hoch an… im Hinblick auf die Umstände, unter denen du es empfangen hast …«
»Danke«, sagte Gisela mit steifen Lippen.
»Deshalb wirst du auch einsehen, daß Christoph fort muß!«
»Wohin?«
»In ein Heim. Besser noch… wir geben ihn zur Adoption frei!«
Einen Augenblick lang verhielt Gisela sich ganz still, dann, als hätte sie jetzt erst die ganze Tragweite dieser Eröffnung begriffen, sprang sie auf.
»Niemals, Vater! Das werde ich nicht zulassen!«
»Gisela, laß diesen Ton!« sagte Direktor Grosser streng. »Vergiß nicht, daß ich dein Vater bin …«
»Du bist nicht nur mein Vater, du bist auch Christophs Großvater!« rief Gisela erregt. »Du kannst und darfst den Jungen nicht verstoßen, ihn fremden Menschen überlassen, nur weil du einen Skandal fürchtest!«
»Den Skandal, mein Kind, habe ich schon durchgestanden – und wie mir scheint, in guter Haltung. Andere Eltern hätten sich von ihrer Tochter losgesagt, hätten sie in ein Erziehungsheim gesteckt… du hast allen Grund, dankbar und vernünftig zu sein.«
»Wenn ich andere Eltern gehabt hätte, wäre das alles wahrscheinlich