Rixi, Trixi und Veronika. Lise Gast

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Rixi, Trixi und Veronika - Lise Gast


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daß er einen Grund dafür hatte, denn den erklärte er sofort. Mutter dagegen sagte fast immer erst einmal nein. Sie war etwas ängstlich mit ihrer einzigen Tochter, konnte sich noch nicht daran gewöhnen, daß diese hier frei umherlief und oft stundenlang wegblieb. In der Stadt hatte es immer geheißen: „Aber sag, wann du wiederkommst“, wenn sie wirklich einmal jemanden besuchen oder sonst etwas allein unternehmen wollte.

      „Frag doch nicht erst. Mittags sind wir zurück“, rief Silvi jetzt. Sie wußte nun schon, daß dieses „Wenn ich darf“ immer Ronnys Mutter betraf.

      „Meinst du? Eben. Da merkt sie es gar nicht.“

      „Aber Trixi kann nicht mit. Eisenbahnfahrten kosten Geld, auch für Hunde. Für dich hat mir Mutter das Fahrgeld gegeben, weil sie sich gleich dachte, daß du mitkommst.“

      „Na schön. Wenn sie das dachte – also, ich bring’ Trixi zu Amalie und bin sofort zurück. Vielleicht treffe ich Mutter nicht.“

      Dann kann ich später immer noch sagen, ich wollte fragen, aber hab’ sie nicht gefunden, dachte Ronny und zog den Dackel hinter sich her die Wirtschaftstreppe hinunter, in Amalies Küchenreich. Er sträubte sich, denn er ahnte wohl, daß er daheim bleiben sollte. Sie redete ihm gut zu.

      „Nun komm schon, Amalie hat vielleicht was Gutes für dich. Komm, ich bin bald wieder zurück. Amalie, Trixi besucht dich! Gibst du auf sie acht? Ich kann sie nicht mitnehmen.“

      „Natürlich. Komm, mein Hundchen, ja, schönes Hundchen, bleib bei mir! Wann wirst du denn zurücksein, Ronny, wenn jemand nach dir fragt?“

      „Mittags. Tschüs, Amalie, und tausend Dank.“

      Ronny schoß davon. Silvi war schon am Schulberg angelangt und winkte. Ronny folgte ihr im Dauerlauf.

      Sie stiegen den Berg hinauf und kamen auf die große Straße, die geräumt war. Der Schneepflug arbeitete auch an Feiertagen. Es lief sich gut, und die beiden marschierten vergnügt dahin. Die ganze Welt hier war verändert durch den dicken Schnee, alles sah merkwürdig und ungewohnt aus. Die Steigungen schienen steiler zu sein, und die Straßen waren enger, denn an den Rändern lagen jetzt überall Schneewälle, die der Schneepflug aufgeworfen hatte. Silvi spähte nach der Kirchturmuhr, als sie sich der kleinen Ortschaft näherten, und sagte befriedigt: „Wir kommen noch zurecht. Der Zug fährt erst kurz nach halb ab.“

      „Mutter reist übrigens diesmal auch wieder mit Vater“, erzählte Ronny und putzte sich die Nase.

      Die lief jetzt dauernd, auch bei Silvi. Silvi nahm sich meistens nicht die Zeit, das Taschentuch herauszuholen, sondern wischte nur mit dem Ärmel unter der Nase lang.

      „Sie sagt, sie will alles nachholen, was sie in den letzten Jahren versäumt hat. Das kann man ja verstehen. Und ich gehöre dann wieder zu Großvater und Amalie.“

      Ronny sagte das scheinbar ernsthaft und zufrieden. Silvi sah sie von der Seite an, und dann lachten beide wie die Spitzbuben. Sie verstanden einander herrlich.

      Kurz vor dem kleinen Ort mit der Bahnstation hörten sie es hinter sich japsen. Unwillkürlich drehten sie sich beide um. Und wer kam ihnen da mit fliegenden Ohren nachgerannt? In einem Höllentempo, das man so einem kleinen Wesen beinahe nicht zutraute: Trixi, wahrhaftig!

      „O Trixi, du Schreckenshund! Du kannst doch nicht mit! Deshalb habe ich dich ja zu Amalie gebracht! Trixi, weshalb bist du uns nachgelaufen? Was machen wir nun?“

      „Ja, was? Nach Warburg muß ich, da beißt die Maus keinen Faden ab. Aber Trixi können wir nicht mitnehmen, sie kostet auf der Bahn soviel wie ein Kind. Da mußt du also hierbleiben. Aber so lange auf dem Bahnhof sitzen und frieren . . .“ Sie sahen einander an.

      Zum Warten hatte Ronny keine Lust, auch nicht dazu, allein umzukehren. Was tun?

      „Weißt du, wir nehmen Trixi einfach mit, ohne Fahrkarte. Sie ist doch so klein.“

      „Geld kostet sie trotzdem.“

      „Leider. Sogar für Katzen muß man bezahlen, auch wenn man sie in einem Korb mitnimmt. Oder nicht? Doch, ich hab’ mal so was gelesen. Es gibt ja solche Katzenkörbchen mit Deckel.“

      „Weißt du was?“ Silvis Augen blitzten wieder einmal. „Wir stecken sie in die Tasche. Hier in meine Aktentasche. Da geht sie schon rein. Es ist doch nur eine Station, die wir fahren. Solange kann sie drin bleiben, und keiner merkt was, nicht die Leute, die mitfahren, und nicht der Schaffner mit seinem ‚Jemand zugestiegen?‘“

      „Aber die Mappe ist doch voll“, sagte Ronny zweifelnd. Sie verspürte die größte Lust, auf Silvis Vorschlag einzugehen, zögerte aber, ja zu sagen. Schließlich war es ihr Hund, für den sie sich verantwortlich fühlte. „Wenn sie nun aus Angst quietscht oder die Tasche naß macht – und dann sind die Papiere hin.“

      Sie hatte in die Tasche hineingesehen, die Silvi aufgesperrt hatte: ziemlich voll –

      „Weißt du, die Papiere nehmen wir einfach raus und tragen sie unterm Arm. Wir sind doch zu zweit. Jeder nimmt was, einer die Papiere und der andere die Tasche mit Trixi. Warte, vielleicht hab’ ich ein Gummiband!“

      Sie grub in den Hosentaschen. Diese Taschen waren immer gefüllt mit allerlei Notwendigem. Neben Taschenmesser und Bindfaden befanden sich Dinge darin, die man vielleicht einmal brauchen könnte. Richtig, zwischen all diesem Krempel fischte sie auch einen Weckglasgummiring heraus.

      „Der kommt gerade recht“, sagte sie zufrieden und faltete die Papiere so zusammen, daß sie ein dickeres, aber nun kleines Bündel bildeten. Darum spannte sie den Gummiring. Nun war die Aktentasche leer.

      „Aber bis zum Bahnhof kann Fräulein Trixi noch zu Fuß laufen“, bestimmte sie, „wir schleppen sie nachher noch lange genug. Das Halsband hat sie um, nur eine Leine wäre gut. Gib deinen Gürtel.“

      Ronny zog ihn aus den Schlaufen ihrer Hose und befestigte ihn am Halsband des kleinen Hundes. Nun konnte sie ihn führen. Es war gut, wenn Trixi angeleint lief, denn von jetzt an waren sie auf einer Straße, auf der mehr Autos fuhren.

      Ehe sie zum Bahnhof einbogen, wurde Trixi in die Aktentasche gesteckt. Das gefiel ihr gar nicht, sie zappelte wie verrückt und sträubte sich. Schließlich aber gab sie Ruhe, nachdem Ronny sie so gedreht hatte, daß ihre kleine Schnauze an der Öffnung der nicht festverschlossenen Tasche lag. Dort konnte Trixi schnuppern und auch ein kleines bißchen rausschauen. Ronny trug sie und sprach mit ihr, solange kein Bahnbeamter in der Nähe war. Silvi, das Bündel Papiere unter den Arm geklemmt, kaufte die Fahrkarten, und dann standen sie und warteten auf den Zug.

      Sie hatten Glück und bekamen ein Abteil für sich. Ein Schaffner erschien auch nicht. So konnte sie Trixi sogar aus ihrem Gefängnis herauslassen und auf den Schoß nehmen. Doch beide fragten sich sorgenvoll, wie es wohl auf dem Rückweg werden würde.

      In der Kreisstadt lieferten sie dann die Papiere ab, die nicht mehr ganz knitterfrei aussahen, aber der Herr, der sie übernahm, sagte weiter nichts. Jede bekam eine Tasse heiße Milch, und dann verabschiedeten sie sich.

      „Na, ob wir Trixi wieder in die Tasche hineinkriegen?“ fragte Ronny sorgenvoll.

      „Wir rennen, dadurch wird sie müde. Und wenn sie müde ist, gibt sie vielleicht nach“, schlug Silvi nach kurzem Überlegen vor.

      Sie taten es. Sie rannten, Trixi an der Leine, wie die Wilden durch die Stadt, die heute am Feiertag ziemlich menschenleer war. Erst kurz vor dem Bahnhof stoppten die Mädchen ab.

      Trixi japste und ließ sich bereitwillig hochheben. Sie sperrte sich zunächst auch nicht, als Silvi sie in die Aktentasche drückte. Dann aber fing sie in den höchsten Tönen zu jaulen an. Den beiden brach der Schweiß aus.

      „Bist du ruhig, kleiner Hund!“ drohte Ronny.

      Aber es half nichts. Trixi jaulte und jaulte.

      Die Mädchen wagten nicht, sich mit ihr dem Bahnhof zu nähern.

      „Lieber Himmel, was machen wir?“ seufzte Silvi, die sonst nicht so leicht aufgab. Im Augenblick aber wußte auch


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