Die kleine Fadette. George Sand

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Die kleine Fadette - George Sand


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gleichem Klange war; und da sie recht gut wussten, dass sie miteinander verwechselt werden konnten, antworteten sie oft der eine im Namen des anderen, ohne sich die Mühe zu geben dritte Personen über den Irrtum aufzuklären. Selbst Vater Barbeau war es einige Male begegnet, dass er sich irrte. So geschah es, wie die Sagette es vorher gesagt hatte, dass allein die Mutter sich niemals täuschte, mochte es mitten in der Nacht, oder in der größten Entfernung sein, wo ihr Auge die Gestalt ihrer Kinder noch eben zu erreichen, oder ihr Ohr deren Stimme noch zu vernehmen vermochte.

      In der Tat, einer war des andern wert; wenn Landry auch etwas fröhlicheren und kühneren Sinnes war, als sein älterer Bruder, so war Sylvinet dagegen von so zutraulicher und sinniger Gemütsart, dass man ihm nicht weniger gut sein konnte, als dem Jüngeren. Während des ersten Vierteljahres war man wohl darauf bedacht zu verhindern, dass sie sich nicht zu sehr aneinander gewöhnen sollten. Drei Monate, das ist eine lange Zeit auf dem Lande, um etwas, das gegen die Gewohnheit ist, zu beobachten. Indessen, auf der einen Seite erkannte man, dass es keine besondere Wirkung hatte, und andererseits hatte der Pfarrer gesagt, die Mutter Sagette sei eine unverständige Schwätzerin, und was Gott durch die Gesetze der Natur angeordnet habe, könnte durch den Menschen nicht wieder aufgehoben werden. Das war einleuchtend und so kam es, dass man allmählich alles vergaß, was man sich zu tun vorgenommen hatte. Das erste Mal, als man bei den Zwillingen die Kinderkleidchen fort ließ, und ihnen Höschen anzog, um sie mit in die Messe zu nehmen, waren diese aus demselben Tuch gefertigt, denn es war ein Unterrock der Mutter, der für die beiden Anzüge hingereicht hatte; auch waren sie von ein und demselben Schnitt, da der Schneider der Ortschaft sich nur auf diesen einen verstand.

      Als die Zwillinge heranwuchsen, stellte es sich heraus, dass sie in Bezug auf Farben denselben Geschmack hatten. Als ihre Tante Rosette jedem von ihnen zum Neujahrstag ein Halstuch schenken wollte, wählten sie bei dem hausierenden Händler, der seine Ware auf dem Rücken seines Pferdes von Haus zu Haus führte, sich jeder ein Tuch von derselben Lilafarbe. Die Tante fragte sie darauf, ob sie dies täten, weil sie sich dabei dächten, dass sie immer gleich gekleidet sein wollten. Die Zwillinge aber suchten ihre Gründe nicht so weit, und Sylvinet antwortete, dass dies die schönste Farbe sei, und das Tuch das schönste Muster habe von allen die in dem Ballen des Händlers zu finden wären. Gleich darauf versicherte Landry, dass an alle den anderen Halstüchern ihm nichts gelegen sei.

      »Und was haltet ihr denn von der Farbe meines Pferdes?« fragte lächelnd der Handelsmann.

      »Sehr hässlich!« sagte Landry. »Es sieht aus wie eine alte Elster.«

      »Ganz abscheulich!« bekräftigte Sylvinet. »Grade wie eine schlecht befiederte Elster.«

      »Ihr seht wohl«, wandte der Händler sich mit verständnisvoller Miene an die Tante, »dass diese Kinder alles mit demselben Auge ansehen. Wenn der eine etwas für gelb hält, was rot ist, wird der andere sofort für rot halten, was gelb ist. Man muss ihnen darin nicht widersprechen, denn es heißt: wenn man Zwillinge verhindern wolle, sich als Abdrücke nach ein und demselben Vorbild zu betrachten, würden sie blöde im Kopf werden und gar nicht mehr wissen, was sie sagen sollten.«

      Der Händler sagte dies, weil seine Tücher von Lilafarbe schlecht gefärbt waren, und er gern zwei davon los werden wollte.

      Mit der Zeit ging es mit allen Dingen in dieser Weise fort; und die Zwillinge waren immer ganz gleich gekleidet, sodass die Gelegenheit sie zu verwechseln, noch viel häufiger vorkam. Mochte es nun kindischer Übermut sein, oder mochte es durch die Gewalt jenes Naturgesetzes geschehen, wogegen nach des Pfarrers Ansicht nicht anzukämpfen war, – kurz, wenn der eine von den Zwillingen etwas an seinem Holzschuh zerbrochen hatte, beschädigte rasch auch der andere etwas an dem seinigen, und zwar an dem desselben Fußes. Hatte der eine an seinem Wams oder seiner Mütze etwas zerrissen, so machte der andere ohne Zögern den Riss an den seinigen so genau nach, dass man hätte sagen können, er sei durch denselben Zufall verursacht worden. Wenn die Zwillinge darüber befragt wurden, lachten sie und nahmen eine harmlos verstellte Miene an.

      Ob es nun zum Glück oder zum Unglück war: diese Freundschaft nahm mit den Jahren immer mehr zu, und mit dem Tag, da sie zu denken begannen, sagten die beiden Kinder sich, dass es ihnen unmöglich sei, sich am Spiel mit anderen Kindern zu erfreuen, wenn einer von ihnen nicht dabei sei. Wenn der Vater den Versuch machte, den einen seiner Zwillinge den ganzen Tag über bei sich zu behalten, während der andere bei der Mutter blieb, waren die Kinder beide so niedergeschlagen und lässig bei der Arbeit, und blickten so bleich und verkümmert drein, dass man hätte glauben sollen, sie seien krank. Fanden sie sich dann aber am Abend wieder zusammen, dann machten sie sich miteinander Hand in Hand auf den Weg, und waren nicht so bald wieder nach Hause zurückzubringen, so wohl war es ihnen wieder beisammen zu sein; auch grollten sie ihren Eltern ein wenig, ihnen solch ein Entbehren auferlegt zu haben. Man machte eigentlich auch keinen weiteren Versuch mit diesen vorübergehenden Trennungen, denn um die Wahrheit zu sagen, war es unverkennbar, dass Vater und Mutter, ja sogar die Onkel und Tanten, die Brüder und Schwestern eine an Schwäche streifende Vorliebe für die Zwillinge hatten. Sie waren stolz darauf, wegen der Schmeicheleien, die sie in Bezug auf diese Kinder zu hören bekamen, und auch, weil dies wahrlich Knaben waren, die sicherlich nichts von Hässlichkeit, Dummheit oder Bosheit an sich trugen. Von Zeit zu Zeit machte es dem Vater Barbeau noch einige Sorge, was schließlich aus dieser Gewohnheit des beständigen Beisammenseins werden sollte, wenn sie einmal das Alter der Reife erlangt haben würden. In Erinnerung an das, was die Sagette gesagt hatte, versuchte er manchmal durch verschiedene Neckereien sie zur gegenseitigen Eifersucht aufzustacheln. Wenn sie zum Beispiel etwas Verkehrtes angestellt hatten, zupfte der Vater Sylvinet an den Ohren, während er zu Landry sagte: »Dir mag es für dieses Mal hingehen, da du sonst meistens der Vernünftigste bist.« Indessen, wenn es Sylvinet heiß um die Ohren wurde, fand er gerade darin seinen Trost, das man wenigstens seinen Bruder verschont hatte, und Landry weinte, als ob er es gewesen wäre, der die Strafe erlitten hatte. Man versuchte es auch damit, das man etwas, nachdem sie beide Verlangen trugen, nur dem einen von ihnen gab; bestand dies aber in irgendeiner Näscherei, so wurde diese sofort unter ihnen geteilt. Oder, war es irgendeine andere artige Spielerei, so nahmen sie dieselbe gemeinschaftlich in Besitz; oder der eine nahm sie an und gab sie abwechselnd dem anderen, ohne einen Unterschied zwischen dem mein und dein gelten zu lassen. Belobte man den einen wegen seines guten Betragens, und nahm dabei die Miene an, als ob man dem anderen die gerechte Anerkennung versagen wollte, so bezeigte dieser seine Zufriedenheit und war stolz darauf, seinen Zwillingsbruder ermuntert und geliebkost zu sehen; ja er schickte sich an, ihn gleichfalls zu streicheln und zu liebkosen. Schließlich wäre es nur eine verlorene Mühe gewesen, hätte man noch weitere Versuche anstellen wollen, sie innerlich oder äußerlich voneinander zu trennen. Gleich wie man Kindern, die man liebt, nur ungern verweisend entgegentritt, selbst dann, wenn es zu ihrem Besten wäre, so machte man es auch bald mit den Zwillingen und ließ die Dinge gehen, wie es Gott gefiel. Höchstens trieb man nur noch ein Spiel mit diesen kleinen Neckereien, ohne dass die Zwillinge sich dadurch täuschen ließen. Sie besaßen eine große Schlauheit, und damit man sie in Ruhe lassen sollte, taten sie einige Male, als ob sie untereinander stritten und sich schlagen wollten. Ihrerseits war dies nur ein Scherz und während sie übereinander herfielen, nahmen sie sich Wohl in Acht, dass keiner dem anderen auch nur im Geringsten weh tun konnte. Wenn irgendein müßiger Gaffer sich wunderte, sie miteinander streiten zu sehen, liefen sie davon, um über ihn zu lachen, und dann hörte man sie plaudern und zwitschern wie ein paar Amseln, die auf demselben Zweig sitzen.

      Trotz ihrer großen Ähnlichkeit und dieser außerordentlichen Zuneigung, war es Gottes Wille, der im Himmel und auf Erden nichts vollkommen gleiches erschaffen hat, dass sie ganz verschiedene Schicksale haben sollten, und dann war es zu erkennen, dass sie zwei in der Idee des Schöpfers getrennte Wesen waren, die sich durch ihr eignes Empfindungsvermögen voneinander unterschieden. Vater Barbeaus Familie vergrößerte sich, dank sei’s den beiden ältesten Töchtern, die nicht aufhörten, schöne Kinder in die Welt zu setzen. Sein ältester Sohn Martin, ein schöner und braver Bursche war bei anderen im Dienst; seine Schwiegersöhne arbeiteten tüchtig, aber es war nicht grade immer Überfluss an Arbeit vorhanden. Es hat bei uns hintereinander eine Reihe von schlechten Jahren für die Ernte gegeben, sowohl durch die ungünstigen Witterungsverhältnisse, als auch durch die Stockungen des Handels; durch diese Verhältnisse war aus der Tasche des Landmannes


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