Seewölfe - Piraten der Weltmeere 671. Fred McMason
Читать онлайн книгу.Kommando zum Anluven erfolgte natürlich nicht, und so stand der Stückmeister mit ein paar Seesoldaten und einem hilflos grinsenden Sergeant verlegen herum. Auf was sollten sie feuern? Auf das weit im Osten liegende Land oder einfach in die See?
Der Sergeant konnte den Befehl aber nicht einfach ignorieren, zumal er wiederholt wurde. Da die Stimme recht piepsig klang, konnte der Befehl nur von Lord Hyram Scaleby, dem Ersten Offizier, stammen. Er handelte wieder mal eigenmächtig und hatte offenbar erneut Oberwasser gewonnen.
Der Kommandant Thomas Carnavon hatte erst kürzlich in einem Anflug von Selbstverachtung und Heldenmut die Offiziere ziemlich hart angepfiffen und nicht mit üblen Worten gespart. Jetzt war dieser Heldenmut offenbar wieder verflogen, und Carnavon hatte resigniert, weil sich die anderen Lordschaften so leicht aufregten und schnell gekränkt waren.
Der Stückmeister rang die Hände und steckte schließlich den Kopf an der Culverine vorbei durch die Stückpforte. Viel schlauer wurde er dabei allerdings nicht, denn er erblickte nur eine pechschwarze Wasserfläche vor sich. Von den achterlich segelnden Portugiesen sah er auf diese Weise und aus dieser Position überhaupt nichts.
„Auf was sollen wir denn feuern?“ fragte er den Sergeant.
„Auf den Feind natürlich“, war dessen heroische Antwort.
„Aber wo ist der Feind?“
„Auf See natürlich.“ Der Sergeant war schon lange im Dienst und kannte so manche verrückte und irrsinnige Anordnung. Von den Lordschaften war er ebenfalls einiges gewohnt. Die waren so unbedarft, daß man sie eigentlich gar nicht zur See fahren lassen durfte. Sie bauten nur Mist und hatten absolut keine Ahnung. Aber aufgrund ihrer adligen Herkunft glaubten sie, sich alles herausnehmen zu dürfen.
Der Stückmeister zögerte jetzt nicht länger. Er erwiderte mit zwei Culverinen das Feuer, und da er nicht um die Ecke schießen konnte, entstanden irgendwo in der nächtlichen See zwei einsame Wassersäulen, die nicht mal gesehen wurden.
Jedenfalls faßten die portugiesischen Kapitäne das als Provokation auf. Dieser Eindringling war in ihre herrschaftliche Domäne eingebrochen, um herumzuschnüffeln oder um sich am lukrativen Indien-Handel zu beteiligen. Sie hatten ihn mündlich und später durch Schüsse gewarnt, doch der englische Koloß kreuzte weiter wild in „ihren“ Gewässern. Daß er jetzt auch noch feuerte, erboste die Portugiesen.
„Himmel, sind das Trottel“, stöhnte Roger Brighton. „Denen ist wahrhaftig nicht mehr zu helfen. Wenn sie jetzt nach Westen abdrehen würden, wäre der Fall erledigt. Aber nein, diese Narren segeln stur weiter, weil sie sich für den Nabel der Welt halten.“
„Keine Ordnung in dem Haufen“, stellte Smoky fest. „Da krebst alles durcheinander. Nicht mehr lange, und die Portus werden uns wieder eins auf den Pelz brennen. Hier weiß die eine Hand nicht, was die andere tut. Wirklich lächerlich und grotesk, was sich hier so alles an Bord abspielt.“
„Und dann brennt natürlich noch die Hecklaterne“, sagte Ferris kopfschüttelnd. „Na schön, sie sehen uns auch so. Aber bei uns würde das doch wirklich keinem einfallen, bei einer nächtlichen Verfolgungsjagd die Hecklaterne zu entzünden. Da bietet sich als Ziel das Achterkastell geradezu an.“
Auch in anderer Hinsicht waren die unbedarften Lords recht sorglos. Es brannte nicht nur die Hecklaterne, an Deck waren ebenfalls drei Laternen aufgehängt, die milchiges Licht verbreiteten. Für die Verfolger war die englische Galeone ein riesiger trüber Dunstkreis, der gar nicht zu verfehlen war. Die Portus selbst segelten abgedunkelt, und nur ihre Silhouetten waren hin und wieder zu erkennen, wenn die Wolken die Mondsichel oder ein paar Sterne freigaben.
Für Lord Scaleby war das „Gefecht“ fürs erste offenbar erledigt, und auch Sir Thomas kümmerte sich nicht weiter um die Verfolger. Der Abstand der Schiffe schien sich nur unmerklich zu verringern. Nach mehr als drei Stunden hatte sich nichts wesentliches geändert.
Aber die Portugiesen blieben beharrlich an ihrem Gegner und trieben ihn weiter nach Süden. Vielleicht erhofften sie sich am frühen Morgen eine bessere Position, oder aber sie holten so unmerklich auf, daß es wirklich immer nur ein paar Yards waren.
„Blödsinn, hier die ganze Nacht herumzustehen“, brummte Carberry. „Langsam wachsen mir die Beine in den Bauch. Entweder wir schieben wieder irgendwo eine ruhige Kugel, oder wir sehen mal nach, was das schmierige Köchlein so um diese Zeit treibt. Aus der Kombüsenesse quillt nämlich Rauch.“
Smoky, Ferris und Roger beschlossen jedoch, an der Exkursion nicht teilzunehmen, und zwar aus guten Gründen. Es war nicht unbedingt erforderlich, daß man sie ständig zusammen sah.
„Geht ihr beide“, sagte Smoky zu Carberry und Dan. „Wir verholen inzwischen weiter nach vorn.“
„Einverstanden.“
Smoky, Ferris und Roger verkrümelten sich unauffällig und verschwanden. Sie wurden ohnehin nicht gebraucht, und keiner kümmerte sich um sie. Es war eine Farce, daß man sie überhaupt an Bord des Viermasters gepreßt hatte. Ein Witz war das, wo es hier vor Leuten geradezu wimmelte.
Dan und Carberry gingen weiter zum Vorkastell, wo sich die Kombüse unter der Back im oberen Batteriedeck auf der Steuerbordseite befand.
Hier erlebten sie eine Überraschung.
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