Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

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Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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als wollte er sie nun ganz vereinen und fügte, indem er den berufsmäßigen Seelsorger-Ton bei Seite ließ:

      – So nun ist wieder alles in Ordnung, Sie können mir glauben, es ist besser so!

      Dann trennten sich die beiden Hände wieder, die sich einen Augenblick berührt.

      Julius hatte es nicht gewagt, Johanna zu küssen, nun küßte er die Schwiegermutter auf die Stirn, drehte sich auf dem Absatz herum, nahm den Arm des Barons, der es geschehen ließ und im Grunde genommen zufrieden war, daß die Sache so beigelegt, und sie gingen zusammen hinaus, um eine Cigarre zu rauchen.

      Da schlummerte die entkräftete Kranke ein, während der Priester und Mutting halblaut mit einander sprachen. Der Pfarrer setzte seine Ideen auseinander, und die Baronin war, indem sie nickte, mit allem einverstanden. Endlich sagte er zum Schluß:

      – Also abgemacht, Sie geben diesem Mädchen den Hof von Barville, und ich übernehme es, ihr einen Mann zu suchen, einen brauen, ordentlichen Menschen. Ach, für den Preis von zwanzigtansend Franken werden wir schon einen Liebhaber finden. Wir haben nur die Qual der Wahl.

      Nun lächelte die Baronin wieder glückselig, und nur zwei Thränen waren mitten auf den Wangen stehen geblieben, deren nasse Straße aber schon eingetrocknet war.

      Sie sagte noch einmal:

      – Einverstanden! Barville ist mindestens zwanzigtausend Franken wert, aber der Besitz wird auf den Namen des Kindes geschrieben, die Eltern sollen nur, so lang sie leben, den Nießbrauch haben.

      Und der Pfarrer erhob sich und drückte Mutting die Hand:

      – Bemühen Sie sich doch nicht Frau Baronin, bemühen Sie sich nicht, ich weiß, wie schwer jeder Schritt ist.

      Als er hinaus ging, begegnete er Tante Lieschen, die nach ihrer Kranken sehen wollte. Sie merkte nichts, man sagte ihr nichts, sie erfuhr nichts, wie immer.

      VIII

       Inhaltsverzeichnis

      Rosalie hatte das Haus verlassen, und Johanna machte die schmerzhafte Zeit der Schwangerschaft durch. Sie empfand keine Freude bei dem Gedanken an ihre Mutterschaft: zu viel Kummer hatte sie gehabt. Sie erwartete ohne Spannung und Ungeduld ihr Kind, immer noch von unsäglichen Qualen gebeugt.

      Langsam war es Frühling geworden, die kahlen Bäume zitterten in dem immer noch frischwehenden Winde, aber im nassen Gras in den Gräben, wo die Herbstblätter faulten, begann die gelbe Primel zu sprießen. Von der ganzen Ebene, von den Hofräumen der Meierhöfe, von den getrockneten Feldern stieg ein feuchter Duft empor, etwas wie Gährung, und eine Menge kleiner, grüner Spitzen schossen aus der braunen Erde auf und leuchteten in den Sonnenstrahlen.

      Ein dickes, mächtiges Weib war an Rosaliens Stelle gekommen und führte die Baronin bei ihrer eintönigen Promenade in ihrer Allee, wo ihr nachschleppender Fuß immer eine schwarze nasse Spur zog.

      Papachen gab Johanna den Arm, der jetzt das Gehen sauer wurde und die immer leidend war, und Tante Lieschen, die beunruhigt und verstört war wegen des kommenden Ereignisses, hielt ihr auf der andern Seite die Hand, innerlich ganz beschäftigt mit dem Wunder, das da vorging und das sie nie kennen lernen sollte.

      So gingen sie stundenlang dahin, indem sie kaum sprachen. Während Julius zu Pferde die Gegend durchstreifte, denn plötzlich hatte er daran Geschmack gefunden.

      Nichts störte mehr ihr einsames Leben. Der Baron, seine Frau und der Vicomte machten den Fourvilles, die Julius schon gut zu kennen schien, ohne daß es eigentlich heraus kam woher, einen Besuch. Ein anderer förmlicher Besuch wurde mit den Brisevilles gewechselt, die immer noch in ihrem verwunschenen Schloß vergraben waren. Eines Nachmitttags gegen vier Uhr, als zwei Reiter, Herr und Dame; im Trab in den Hof vor dem Schloß einbogen, kam Julius ganz erregt in Johannas Zimmer:

      – Schnell, schnell, komm herunter, die Fourvilles sind da. Sie kommen nur als Nachbarn, ganz einfach, weil sie Deinen Zustand kennen. Sage, daß ich ausgegangen bin, aber daß ich bald wieder zurück käme. Ich muß mich ein bißchen anziehen.

      Johanna kam erstaunt herunter. Eine junge, hübsche, bleiche Frau mit leidendem Ausdruck, exaltiertem Blick und so mattblondem Haar, als wäre nie ein Sonnenstrahl darauf gefallen, stellte ruhig ihren Mann vor, eine Art Riesen und Menschenfresser, mit mächtigem, rotem Schnurrbart. Dazu sagte sie:

      – Wir haben mehrmals Gelegenheit gehabt, Ihren Herrn Gemahl zu treffen, und wir wissen durch ihn, wie leidend Sie sind. Aber wir wollten doch nicht länger zögern, unsern nachbarlichen Besuch zu machen, ganz sans façon, Sie sehen ja, wir sind zu Pferde gekommen. Übrigens haben wir neulich das Vergnügen gehabt, den Besuch Ihrer Frau Mutter und des Barons zu erhalten.

      Sie hatte mit unendlich vornehmer, liebenswürdiger Unbefangenheit gesprochen. Johanna war gewonnen und sofort für sie eingenommen. Die wird meine Freundin, dachte sie bei sich.

      Graf Fourville dagegen hatte etwas von einem Bären, den man in einen Salon läßt.

      Sobald er sich gesetzt hatte, legte er seinen Hut auf den nächsten Stuhl, wußte zuerst nicht, was er mit seinen Fingern anfangen sollte, stemmte sie auf die Kniee, dann auf die Lehnen des Sessels, und endlich faltete er die Hände, wie zum Gebet.

      Da trat Julius ein. Johanna war ganz erstaunt, sie kannte ihn gar nicht wieder. Er hatte sich rasiert, war schön, elegant, verführerisch, wie zur Zeit ihres Brautstandes. Er drückte dem Grafen, der bei seinem Kommen aufgestanden war, die große, haarige Hand und küßte die Hand der Gräfin; dabei trat eine leichte Röte auf ihre bleichen Wangen, und sie blinzelte mit den Augen.

      Julius sprach und war liebenswürdig wie früher, und seine großen Augen, die Spiegel der Seele, hatten wieder einen zärtlichen Ausdruck bekommen. Sein Haar, das vorhin noch ganz wild, wüst und ungepflegt gewesen war, hatte plötzlich unter der Behandlung von Bürste und Haaröl weiche, glänzende Wellen angenommen.

      Im Augenblick, als die Fourvilles fortgingen, wandte sich die Gräfin zu ihm:

      – Lieber Vicomte, wollen Sie Dienstag einen Spazierritt mit uns machen?

      Dann, während er sich verbeugte und murmelte: »Gewiß Gräfin,« nahm sie Johannas Hand und sagte mit zarter, eindringlicher Stimme und liebenswürdigem Lächeln:

      – O, wenn Sie wieder gesund sind, machen wir alle drei Ausflüge zu Pferde. Das wird reizend, wollen Sie?

      Sie hatte mit anmutiger Bewegung die Schleppe des Reitkleides aufgenommen, dann sprang sie leicht wie ein Vogel in den Sattel, während ihr Mann, nachdem er linkisch gegrüßt, sein großes, normannisches Reittier bestieg, auf dem er saß wie ein Centaur.

      Als sie an der Ecke verschwunden waren, rief Julius, der ganz begeistert zu sein schien:

      – Das sind doch reizende Leute, diese Bekanntschaft müssen wir pflegen.

      Johanna, die auch guter Laune war, sie wußte nicht warum, antwortete:

      – Die kleine Gräfin ist wirklich reizend! Ich fühle, daß ich sie liebhaben werde. Aber der Mann ist eine Art Runks! Wo hast Du sie denn kennen gelernt?

      Er rieb sich fröhlich die Hände:

      – Ich habe sie zufällig bei Brisevilles getroffen. Der Mann scheint allerdings etwas derb zu sein, er ist ein fanatischer Jäger aber ein echter Edelmann.

      Und bei Tisch waren sie fast heiter, als ob ein heimliches Glück ins Haus gekommen wäre.

      Bis in die letzten Frühlingstage geschah nichts Neues weiter.

      Eines Dienstags abends, als sie unter der Platane saßen, am Garten-Tisch, auf dem zwei Gläschen standen und eine Likörflasche, stieß Johanna plötzlich einen Schrei aus, wurde bleich und preßte die beiden Hände an den Leib. Ein plötzlicher, scharfer Schmerz hatte sie durchlaufen, war aber sofort wieder vergangen.

      Nach zehn Minuten kam ein neuer Schmerzensanfall,


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