Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

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Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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alle Einzelheiten, wann es gewesen und wie.

      Plötzlich schwieg sie. Der Wagen hatte gehalten. Du Roy öffnete die Thür.

      – Wo sind wir? fragte sie.

      Er antwortete:

      – Steigen Sie aus, und gehen Sie in dieses Haus, hier sind wir ungestörter.

      – Aber wo sind wir?

      – Bei mir! Es ist meine Junggesellenwohnung, die ich wieder gemietet habe .. auf ein paar Tage nur .. damit wir einen Winkel haben, wo wir uns sehen können.

      Sie hatte sich an die Polster des Wagens geklammert, entsetzt bei dem Gedanken, hier mit ihm allein zu sein und sie stammelte: – Nein, nein! Ich will nicht! Ich will nicht!

      Er sagte mit nachdrücklichem Tone:

      – Ich schwöre Ihnen, daß ich Sie schonen werde. Kommen Sie. Man wird ja auf uns aufmerksam. Die Leute werden gleich stehen bleiben. Schnell! schnell! Steigen Sie aus.

      Und er wiederholte:

      – Ich schwöre, daß ich Sie schonen werde.

      Ein Weinhändler stand unter seiner Thür und sah ihnen neugierig zu. Das Entsetzen kam über sie und sie huschte ins Haus. Sie wollte die Treppe hinauf. Er hielt sie am Arm zurück.

      – Hier unten ist es!

      Er stieß sie in seine Wohnung.

      Sobald er die Thür geschlossen hatte, packte er sie wie seine Beute. Sie wehrte sich, kämpfte und stammelte:

      – O mein Gott! O mein Gott!

      Er küßte ihr Hals, Augen und wütend die Lippen, ohne daß sie sich seiner heißen Liebkosungen erwehren tonnte.

      Und während sie ihn zurückstieß und seinem Mund auswich, erwiderte sie, ohne es zu wollen, seine Küsse. Plötzlich gab sie den Widerstand auf und besiegt und ergeben ließ sie sich entkleiden. Geschickt und schnell mit leichter Hand, wie eine Zofe, zog er ihr die einzelnen Kleidungsstücke aus. Sie hatte ihm ihre Taille entrissen, um ihr Gesicht darin zu verstecken und blieb so, ganz in weiß inmitten ihrer Röcke stehen, die zu ihren Füßen gesunken waren. Er ließ ihr die Schuh und trug sie auf den Armen zum Bett. Da flüsterte sie ihm ins Ohr mit gebrochener Stimme:

      – Ich schwöre Ihnen …. ich schwöre Ihnen … ich habe nie einen Liebhaber gehabt. – Als ob ein junges Mädchen gesagt hätte: »Ich schwöre Ihnen, daß ich Jungfer bin.«

      Und er dachte: »Das ist mir höchst schnuppe!«

      V

       Inhaltsverzeichnis

      Es war Herbst geworden. Die Du Roys waren den ganzen Sommer in Paris geblieben und hatten in der › Vie française‹, während der kurzen Ferien des Abgeordnetenhauses einen energischen Feldzug zu Gunsten des neuen Kabinets geführt.

      Obgleich eben erst der Oktober angebrochen war, sollte doch die Kammer wieder zusammen treten, denn die Angelegenheiten in Marokko nahmen einen drohenden Charakter an.

      Eigentlich glaubte niemand an eine Expedition nach Tanger. Obgleich an dem Tag, als das Parlament sich gespalten, ein Abgeordneter der Rechten, Graf von Lambert-Sarrazin in einer geistvollen Rede, die sogar beim Zentrum Beifall gefunden, seinen Schnurrbart, wie einst ein berühmter Vize-König von Indien, gegen den Backenbart des Minister-Präsidenten hatte einsetzen wollen, daß das neue Kabinet nichts anderes würde thun können, als eine Armee nach Tanger zu schicken, ein Gegenstück zu der in Tunis, nur der Symmetrie wegen, wie man auf den Kamin zwei Vasen stellt.

      Er hatte hinzugefügt: »Meine Herren, der afrikanische Boden ist in der That für Frankreich ein Kamin, der unser bestes Holz verbrennt, ein Kamin mit mächtigem Zuge, den man mit Banknoten heizt. Sie haben sich die künstlerische Laune geleistet, die linke Ecke mit einem tunesischen Kunstwerk zu verzieren, das Ihnen teuer kommt, und Sie werden sehen, daß Herr Marrot seinen Vorgänger nachahmen und auf der rechten Ecke ein marokkanisches Kunstwerk aufstellen wird.«

      Diese Rede, die gewissermaßen berühmt geworden war, hatte Du Roy die Unterlage gegeben zu zehn Artikeln über die Kolonie Algerien, für eine ganze Reihenfolge von Artikeln, die er damals, nach seinem ersten Auftreten in der Zeitung, unterbrochen hatte. Er hatte energisch den Gedanken einer militärischen Expedition verfochten, obgleich er überzeugt war, daß sie nie stattfinden würde, und er hatte die patriotische Saite erklingen lassen und Spanien mit allen niederziehenden Gemeinheiten bedacht, die man gegen Völker anwendet, deren Interessen den unsern entgegen stehen.

      Die › Vie française‹ hatte wegen ihrer bekannten Beziehungen zu den Machthabern großen Einfluß gewonnen. Sie brachte die politischen Neuigkeiten vor den ernstesten Blättern und ließ die Ansichten der ihr befreundeten Minister durchblicken, und die meisten Blätter von Paris wie auch die Provinzzeitungen suchten bei ihr Neuigkeiten zu erfahren. Sie wurde fortwährend zitiert, man fürchtete sie und begann sie zu achten.

      Jetzt war sie nicht mehr das zweifelhafte Organ einer Gruppe von politischen Ränkeschmieden, sondern das erklärte Organ der Regierung.

      Laroche-Mathieu war die Seele des Blattes und Du Roy sein Sprachrohr. Der alte Walter wußte zu verschwinden. Er blieb der stumme Abgeordnete, der verschmitzte Herausgeber und betrieb im stillen, hieß es, eine riesige Kupferminen-Spekulation in Marokko.

      Magdalenes Salon war ein einflußreicher Mittelpunkt geworden, wo sich jede Woche mehrere Mitglieder des Kabinets trafen. Sogar der Minister-Präsident hatte zweimal bei ihr gegessen, und die Frauen der Staatsmänner, die früher gezögert ihre Schwelle zu betreten, rühmten sich nun ihre Freundinnen zu sein, und besuchten sie öfter, als Magdalene sie aufsuchte.

      Der Minister des Aeußeren war fast Herr im Hause. Zu allen möglichen Stunden kam er, brachte Telegramme, Auskünfte, Nachrichten, die er entweder dem Mann oder der Frau diktierte, als wären sie seine Sekretäre.

      Wenn dann Du Roy, nachdem der Minister fortgegangen war, mit Magdalene allein blieb, ward er wütend und schleuderte Drohungen und Verdächtigungen gegen diesen mittelmäßigen Emporkömmling.

      Aber sie zuckte verachtungsvoll die Achseln und meinte:

      – Thu es ihm doch nach! Werde doch Minister und dann kannst Du reden, aber bis dahin sei ganz still!

      Er drehte den Schnurrbart und blickte sie von der Seite an:

      – Wer weiß, was ich noch mal werde. Das wird sich schon eines Tages zeigen!

      Sie antwortete philosophisch:

      – Kommt Zeit, kommt Rat!

      Am Morgen der Eröffnung der Kammer lag die junge Frau noch im Bett und gab ihrem Mann noch allerlei Aufträge, während er sich anzog, um bei Laroche zu frühstücken, wobei er vor der Sitzung noch die Unterlagen bekommen sollte für ben Leitartikel des andern Tages in der › Vie française‹ denn dieser Leitartikel sollte eine Art offiziöses Programm des neuen Kabinets werden.

      Magdalene sagte:

      – Vor allem vergiß nicht ihn zu fragen, ob General Belloncle, wie zuerst behauptet wurde, nach Oran geschickt wird. Das wäre natürlich sehr wichtig! Georg antwortete nervös:

      – Ich weiß doch eben so gut wie Du, was ich zu thun und zu lassen habe. Laß mich doch mal in Ruhe! Immer dieselbe Leier!

      Sie antwortete ruhig:

      – Lieber Freund, Du vergißt immer die Hälfte aller Aufträge, die ich für den Minister habe.

      Er brummte:

      – Ach, Dein Minister fängt an langweilig zu werden! Der Kerl ist ein Gimpel!

      Sie sagte ganz ruhig:

      – Er ist ebensogut Dein Minister, wie meiner; jedenfalls ist er Dir nützlicher als mir.

      Er hatte sich zu


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