Die Olive und wir. Hugo Portisch

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Die Olive und wir - Hugo Portisch


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Mal sah, denn er sagte trocken: „Am besten, wir reißen es ab, da kann ich Ihnen um weniger Geld ein neues bauen, das nach etwas aussieht.“

      Als wir das Haus gekauft hatten, berieten wir mit einem Wiener Architekten, ob er uns beim Umbau helfen könnte. Für mich war ein Architekt, mit dem ich mich auf Deutsch verständigen konnte, unbedingt notwendig, denn ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich mit einem italienischen Baumeister mit meinen damaligen Kenntnissen der Sprache auskommen sollte. Zudem ist hinzuzufügen, dass mein Mann, als das Haus gekauft war, zu mir sagte: „Nun, das ist dein Baby. Ich kann die nächsten Monate nicht hier verbringen und den Bau beaufsichtigen. Ich schlage vor, du nimmst gleich Italienisch-Stunden, und sobald du dich halbwegs verständigen kannst, suchst du einen Baumeister, und dann können wir anfangen, umzubauen.“

      Allein sollte ich das also machen? Es schien mir plötzlich nicht mehr ganz so lustig wie früher, als ich so gedrängt hatte, das Haus zu kaufen.

      In der Nacht schlief ich sehr schlecht. Immer wieder träumte ich, dass ich vor vielen Menschen eine Rede in Italienisch halten musste und dass ich kein einziges Wort herausbrachte.

      Bei meinem Mann war das anders, der hatte in der Nacht vor dem Hauskauf nicht schlafen können. Jetzt, wo die Sache beschlossen war, war er ganz ruhig. Er verließ sich auf mich. Ich wusste damals nicht, ob ich mit der Sprache wirklich zurechtkommen würde. Es war aber nicht so schlimm, wie ich dachte, denn ich fand einen sehr tüchtigen Lehrer, der mich nicht schonte und mich wie ein Schulkind Grammatik lernen ließ und mit mir Vokabeln paukte. Ich glaube, ich konnte nach den ersten zehn Stunden mehr als heute, wo ich zwar schon alles verstehe und ziemlich fließend spreche, aber noch immer arge Grammatikfehler mache, die mir mein Lehrer nie hätte durchgehen lassen.

      Im Januar hatte der Architekt Zeit, in die Toskana zu fahren, und so war ich gezwungen, mit meinen damaligen mageren Kenntnissen auszukommen. Ich wohnte im Hotel Centrale am Hauptplatz der nahen Stadt und begann gleich an Kellnern und Dienstpersonal mein Italienisch auszuprobieren, mit dem Resultat, dass mir alle helfen wollten, indem sie ihre paar Brocken Englisch oder Deutsch präsentierten. Ich bat sie, mir stattdessen zu helfen, wenn ich etwas falsch sagte, aber dazu waren sie zu taktvoll. Nun, so ging es nicht.

      Der Architekt kam mit zwei Mitarbeitern an einem nebligen Januartag. Ich wartete gespannt, was er zu dem Haus sagen würde, denn davon hing ja seine Bereitschaft ab, es umzubauen. Wir fuhren über die schlechte kleine Straße durch die Olivenhaine, und da merkte ich schon, dass sich die Stimmung im Auto merklich besserte. Ein Olivenhain ist für das mitteleuropäische Auge eine ganz besondere Sache. Er erzeugt Farben und Stimmungen, wie wir sie in unseren Gärten und Wäldern nicht kennen. Es ist etwas Geheimnisvolles daran, das niemand versteht, der es noch nicht gesehen hat. Ich nehme an, es ist das unglaubliche Alter der Bäume – manche sind über 200 Jahre alt – und ihre seltsam bizarren Stämme, die bei jedem Wetter anders aussehen. Im Winter sind sie am schönsten, wenn der Nebel in ihnen wie ein Schleier hängt.

      Als wir beim Haus ankamen, zwang ich mich, nicht gleich Fragen zu stellen, und ließ es erst einmal langsam von den geübten Augen dreier Fachleute bestaunen. Niemand sagte etwas. Ich öffnete nach einem Rundgang um die äußeren Mauern des Hauses die Tür und ließ die drei ein. Ich führte sie schweigend herum, und sie machten es sehr spannend, indem auch sie schwiegen.

      Als wir wieder unten in der Cantina angekommen waren, sagte der Architekt nur: „Das machen wir.“

      Seine Mitarbeiterin sagte: „Es ist prachtvoll.“ Der zweite Mitarbeiter aber meinte, so etwas habe er noch nie gesehen, was eigentlich offen ließ, ob es ihm gefiel oder nicht.

      Es wurde nicht viel Zeit versäumt. Die drei machten sich sofort an die Arbeit, zückten ihre Maßstäbe und Notizblöcke und begannen alles auszumessen. Ich geleitete mal den einen, mal den anderen hierhin und dorthin, aber es war mir nicht klar, was da vor sich ging. Jeder Winkel, und da gab es sehr viele und kaum einer war ein rechter Winkel, wurde vermessen. Erst bei Einbruch der Dunkelheit wurde aufgehört. Noch nie hatte ich eine derart komplizierte Arbeitsleistung gesehen, und noch nie eine, die so schweigsam und so vollständig koordiniert vor sich ging. Ich wollte den Architekten verschiedene Dinge fragen, aber er meinte, man könne nichts besprechen, bevor nicht alles ausgemessen wäre.

      Die vielen Pläne, die daraus entstanden, waren ein solches Meisterwerk an Präzision, dass später ein ganzes Konvolut davon von der noch offenen Baustelle entwendet wurde. Wir suchen seither immer das Haus in der Gegend, das genau nach unseren Plänen nachgebaut worden ist. Wozu sonst konnte jemand diese Pläne brauchen?

      Unser Haus war ganz augenscheinlich in drei verschiedenen Bauperioden entstanden und hatte deshalb auch vier verschiedene Dächer, wenn man die Scheune dazuzählt, die erst später errichtet worden war. Dem Architekten gefiel das Haus außerordentlich. Es war nicht nur ein ihm wenig bekannter Stil, er spürte auch die Atmosphäre dieses alten Hauses.

      Ich wusste nicht, wie man einen Baumeister finden konnte. Aber es bot sich bald einer von selbst an, der in der Gegend ansässig war. Er wohnte in einem kleinen Straßendorf am Fuß unseres Hügels, und dort hatte man natürlich schon längst davon erfahren, dass irgendwelche Ausländer ein Haus gekauft hatten.

      Einen Baumeister allein zu finden, wäre sehr schwierig gewesen. Als ich ihn das erste Mal sah, gefiel er mir gut, auch wenn aus ihm nur herauszubringen war, dass er unser Haus am liebsten abreißen würde.

      Die Zusammenkunft mit dem Architekten verlief recht heiter, denn der Architekt übertraf mich noch bei Weitem in seiner Unkenntnis der italienischen Sprache. Plötzlich wurde ich zu meinem Entsetzen zu Übersetzungsübungen gezwungen, verstand aber nur einen Bruchteil dessen, was der Baumeister sagte. Auch sprach er einen Dialekt, mit dem ich am Anfang überhaupt nicht zurechtkam. Einerseits ließ er, wie viele Bauern hier, einige Silben aus und veränderte andere in einer Weise, die sie entweder verstümmelten oder durch Zufügen neuer Laute unkenntlich machten. Ich schwitzte vor Aufregung und Anstrengung.

      Der Architekt aber meinte, das alles ergäbe keinerlei Schwierigkeiten, wozu hätte er denn einen Zeichenstift?

      So begann eine höchst seltsame Zusammenarbeit zwischen einem Architekten und einem Baumeister. Jedes kleinste Detail unseres Hauses wurde auf unzähligen Zeichenblättern festgehalten, und zu jeder Zeichnung fragte der Architekt ganz einfach: „Si?“ Wenn der Baumeister mit „No“ antwortete, wurde noch eine Zeichnung gemacht, bis es klappte. So einfach war das. In der Zeit des Hausbaus war der Architekt mehrmals in Italien, um sich über die Fortschritte zu informieren oder zu Hilfe zu eilen, wenn ich „Feuer!“ schrie. Jedes Mal wurde alles in Zeichnungen erledigt. Der Baumeister trug sie immer mit sich, denn sie waren seine wichtigsten Dokumente.

      Ein großer Nachteil war, dass ich mich damit überhaupt nicht auskannte. Mir fehlte absolut der Sinn für die dritte Dimension bei Zeichnungen, was sich schon in meiner Schulzeit bei Darstellender Geometrie negativ bemerkbar gemacht hatte.

      Also war ich immer in Sorge, wenn der Baumeister etwas nicht verstand, denn ich konnte ihm nicht helfen. Wenn man bedachte, dass der Baumeister so gut wie keine richtige Schulung besaß, hatte er alles genial mit seiner untrüglichen Intuition gemeistert.

      Natürlich gab es auch unangenehme Überraschungen, wenn in meiner Abwesenheit irgendetwas gemacht werden musste, was nicht vorgesehen war. Zum Beispiel die Stützmauer vor der Terrasse. Jeder Eingriff in die Natur ist in dieser Landschaft zu büßen, und der Baumeister wusste dies auch, als er daran ging, Haus und Hof nach unten abzusichern.

      Eine Mauer musste her, das war ihm klar, aber Mauern und überhaupt alles, was sich nicht im und um das Haus abspielte, waren ja nicht Sache des Architekten, sondern eher eine Sache des Eigentümers. Ein Bauer macht eine Stützmauer, wenn ihm eine Terrasse abzubrechen droht, also errichtete der Baumeister auch eine. Aber nicht eine Trockenmauer, wie das in dieser Gegend üblich ist, sondern eine mächtige, mit großen Steinen gemauerte Mauer, sodass das Haus plötzlich wie ein Kastell aussah. Als der Architekt und wir die mächtige Mauer das erste Mal sahen, blieb uns der Atem weg. Damals wussten wir noch nicht, dass die toskanische Landschaft von Mauern geprägt ist, und dass jeder Baumeister danach trachtet, so viele Mauern wie nur möglich zu errichten, denn erst diese machen aus einem Haus eine Art Festung. Ich glaube, das machen


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