Tarzan – Band 5 – Der Schatz von Opar. Edgar Rice Burroughs
Читать онлайн книгу.Lords hätte für immer ihr Ende gefunden.
Der Zauberer lag noch an derselben Stelle, wo er unter dem Löwen niedergestürzt war. Zerfleischt und blutend, war er nicht mehr imstande, sich wegzuschleppen und musste bei dem schrecklichen Kampfe der zwei Dschungelbeherrscher Augenzeuge sein. Mit glänzenden Augen starrend murmelte er wirre Anrufungen der Teufel seiner religiösen Bräuche zwischen runzeligen Lippen und zahnlosen Kiefern.
Eine Zeit lang war er nicht im Zweifel über den Ausgang – der fremde weiße Mann musste sicher dem schrecklichen Simba erliegen – wer hörte je, dass ein einzelner Mann nur mit einem Messer ein so mächtiges Tier erlegt hätte! Aber bald riss der Schwarze die Augen auf und bekam Zweifel und Besorgnis. Was war das für ein wunderbares Geschöpf, das Simba bekämpfte und sich gegen die riesigen Muskeln des Tieres behauptete? Langsam dämmerte in den eingefallenen Augen, die so hell aus dem runzeligen, vernarbten Gesicht hervorleuchteten, die Erkenntnis. Die Hand der Erinnerung griff zurück in die Vergangenheit, bis sie ein mit den Jahren verblasstes und vergilbtes Bild fasste: Ein geschmeidiger, weißhäutiger Jüngling schwang sich in Gesellschaft einer Horde von Riesenaffen durch die Bäume. In die alten Augen trat große Angst, die abergläubische Angst des Menschen, welcher an Gespenster, an Geister und Dämonen glaubt. Und als dann der Zauberer über den Ausgang des Zweikampfes nicht mehr zweifelhaft war, denn entgegen seiner vorherigen Überzeugung wusste er nun, dass der Dschungelgott Simba töten würde, da hatte der alte Neger noch mehr Angst um sein bevorstehendes Geschick aus der Hand des Siegers als vorher vor dem sicheren und schnellen Tod, welchen ihm der Löwe bereitet hätte. Er sah, wie matt der Löwe vom Blutverlust wurde, wie die mächtigen Glieder zitterten und wankten und er sah zuletzt das Tier niedersinken, um sich nicht mehr zu erheben. Und dann sah er, wie der Waldgott oder Teufel sich Von dem besiegten Gegner erhob: er setzte einen Fuß auf den noch zuckenden Körper, hob das Antlitz zum Mond und stieß einen schauerlichen Schrei aus, dass dem Zauberer das klopfende Blut in den Pulsen gefror.
Prophezeiung und Erfüllung
Tarzans Aufmerksamkeit wendete sich nun dem Manne zu. Er hatte keineswegs Numa erschlagen, um den Neger zu retten – er wollte sich nur an dem Löwen rächen. Aber als er den alten Mann hilflos und sterbend vor sich liegen sah, rührte so etwas wie Mitleid sein raues Herz. In der Jugend hätte er den Zauberer ohne die geringsten Bedenken getötet. Aber die Zivilisation hatte ihre besänftigende Wirkung auf ihn so wenig wie auf von ihr berührte Rassen und Nationen verfehlt, obgleich sie noch nicht so weit gekommen war, ihn feige oder weichlich zu machen.
Er sah einen alten Mann unter Schmerzen sterben und er bückte sich, untersuchte dessen Wunden und hemmte das strömende Blut.
Wer bist du? fragte der Greis mit zitternder Stimme. Ich bin Tarzan, der Affentarzan! erwiderte der Affenmensch mit vielleicht größerem Stolz als er gesagt haben würde: Ich bin John Clayton, Lord Greystoke. Der Zauberer schüttelte sich krampfhaft und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, zeigten sie Ergebung in das wenn auch noch so schreckliche Geschick, das ihn aus der Hand dieses gefürchteten Teufels der Wälder erwartete. Warum tötest du mich nicht? fragte er.
Weshalb sollte ich dich töten? forschte Tarzan. Du hast mir nichts getan und außerdem liegst du schon im Sterben. Numa, der Löwe, hat dich getötet.
Du würdest mich nicht töten?! Überraschung und Zweifel lagen im Tone der zittrigen, alten Stimme.
Wenn ich könnte, würde ich dich retten, erwiderte Tarzan. Aber das geht nicht mehr. Warum dachtest du, ich würde dich töten?
Der alte Mann schwieg einen Augenblick. Als er wieder sprach, hatte er anscheinend erst seinen Mut zusammengenommen: Ich kenne dich von früher, sagte er, von damals, als du in des Häuptlings Mbonga Gebiet im Dschungel haustest. Ich war schon Zauberer, als du Kulonga und die anderen erschlugst und unsere Hütten und unseren Gifttopf beraubtest. Ich erkannte dich erst nicht. Aber jetzt weiß ich es – du bist der weißhäutige Affe, der unter den haarigen Affen lebte und das Leben in Mbongas Dorf zur Hölle machte, der Herr – der Waldgott – der Munango-Kiwati, welchem wir immer Opfer an Nahrung vor das Tor setzten und der dann kam und es aß. Sage mir, ehe ich sterbe – bist du Mensch oder Teufel? Tarzan lachte: Ich bin ein Mensch!
Der Alte seufzte und schüttelte den Kopf. Du suchtest mich vor Simba zu retten. Ich will dich dafür belohnen. Ich bin ein großer Zauberer. Höre auf mich, weißer Mann! Ich sehe, dass dir böse Tage bevorstehen. In meinem eigenen Blut, das mir über die Hand läuft, steht es geschrieben. Ein Größerer als du selbst wird erstehen und dich niederschlagen. Kehre um, Munango-Kiwati! Kehre um, ehe es zu spät ist. Gefahr liegt vor dir, Gefahr lauert hinter dir; aber größer ist die Gefahr vor dir. Ich sehe … Er machte eine Pause, und atmete lang und röchelnd. Dann krümmte er sich zu einem kleinen, schrumpeligen Haufen zusammen und starb. Tarzan hätte gerne gewusst, was er noch weiter gesehen hatte.
Als der Affenmensch die Boma wieder betrat und sich zwischen seinen schwarzen Kriegern niederlegte, war es ziemlich spät geworden. Keiner hatte bemerkt, dass er gegangen war und keiner sah seine Rückkehr. Im Einschlafen dachte er noch an die Worte des Zauberers und beim Erwachen waren sie sein erster Gedanke. Aber er hatte deswegen keine Absicht, umzukehren, denn er kannte keine Furcht. Hätte er allerdings geahnt, was der Frau bevorstand, welche er über alles in der Welt liebte, er würde wie auf Flügeln durch die Bäume an ihre Seite geeilt sein und das Gold von Opar hätte für immer verborgen und vergessen in seinem Schatzhause liegenbleiben können.
Und in dem Lager hinter ihm sann an jenem Morgen ein anderer weißer Mann auch über etwas nach, das er nachts gehört hatte, und wenig fehlte, so hätte er seinen Plan aufgegeben und wäre umgekehrt. Werper hatte in der stillen Nacht aus weiter Entfernung auf der Fährte einen Laut gehört, der seine feige Seele mit Schrecken erfüllte. Er hatte noch nie in seinem bisherigen Leben eine solche Stimme gehört und hätte nicht im Traume gedacht, dass die Lungen eines Gottesgeschöpfes solch fürchterliche Töne hervorbringen könnten. Er hatte den Siegesschrei des männlichen Affen vernommen, welchen Tarzan ins Angesicht von Goro, dem Mond, geschleudert hatte und Werper hatte zitternd sein Gesicht verhüllt. Noch jetzt im hellen Tageslicht zitterte er, wenn er daran dachte. Angesichts der namenlosen Gefahr, welche das Echo jener fürchterlichen Laute zu künden schien, wäre er am liebsten umgekehrt, aber er hatte vor seinem Befehlshaber Achmed Zek noch mehr Angst.
Während also der Affentarzan stetig seinen Weg nach Opars verfallenen Wällen weiterzog,