Das Geheimnis der Greta K.. Marie Louise Fischer

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Das Geheimnis der Greta K. - Marie Louise Fischer


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      Marie Louise Fischer

      Das Geheimnis der Greta K.

      Roman

      SAGA Egmont

      Das Geheimnis der Greta K.

      Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof A/S

      Copyright © 2017 by Erbengemeinschaft Fischer-Kernmayr, (www.marielouisefischer.de) represented by AVA international GmbH, Germany (www.ava-international.de)

      Originally published 1987 by Lübbe Verlag, Germany

      All rights reserved

      ISBN: 9788711718476

      1. Ebook-Auflage, 2017

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

      1

      Es war zehn Minuten vor zwölf, als Greta König die Sigmaringer Bank am Leopoldplatz betrat. Es war voller, als sie erwartet hatte. Aber sie reihte sich nicht in eine der kurzen Menschenschlangen vor den Schaltern ein, sondern blieb mitten im Kassenraum stehen. Sie war sicher, dass sie auf diese Weise rascher die Aufmerksamkeit der Angestellten auf sich ziehen würde, nicht nur wegen ihrer Schönheit, sondern weil sie die Frau eines sehr guten Kunden war. Hans-Philipp König gehörte zu den bedeutendsten Industriellen Baden-Württembergs.

      Ihre Rechnung ging auf. Schon wenige Sekunden nach ihrem Eintritt hob ein junger Mann im Hintergrund, auf dessen braunen Schopf sie ihren Blick konzentriert hatte, den Kopf. Jürgen Haberls rundes Gesicht erstrahlte, als er sie erblickte, und er sprang auf.

      Greta deutete mit ihrer linken Hand, in der anderen hielt sie ihre weiße Handtasche, nach unten, um ihm zu signalisieren, dass sie an ihren Safe wollte. Er eilte fort – um den Schlüssel zu holen, wie sie dachte – und kam wenig später mit dem Schlüsselbund und in Begleitung eines älteren Kollegen zurück. Er öffnete für sich und den anderen die Schranke.

      »Guten Morgen, Frau König!« Er begrüßte sie mit einer leichten Verbeugung. »Darf ich Ihnen Herrn Großmann, unseren neuen Filialleiter, vorstellen?«

      »Gnädige Frau!« Großmann beugte sich über die kräftige, gepflegte Hand, die sie ihm reichte.

      Als er sich aufrichtete, war das beflissene Lächeln plötzlich wie weggewischt. Seine Pupillen weiteten sich in jähem Schreck.

      Erst jetzt erkannte sie ihn wieder, aber sie hielt seinem Blick stand, ohne eine Miene zu verziehen. »Müsste ich mich nicht erst eintragen?« fragte sie.

      »Das mache ich schon für Sie!« erbot sich Jürgen Haberl. »Sie brauchen nachher nur zu unterschreiben.«

      »Danke.« Sie schenkte dem jungen Mann ein Lächeln.

      »Ich begleite Frau König zum Tresor«, entschied Großmann und streckte seine Hand nach dem Schlüsselbund aus.

      »Ja, natürlich. Wenn Sie es wünschen.« Jürgen war ein wenig verwirrt, gab aber die Schlüssel ab.

      »Wenn Sie gestatten, gnädige Frau«, sagte Großmann etwas steif, »gehe ich voraus.«

      Greta folgte ihm durch den schmalen, ihr wohl vertrauten Gang und die Kellertreppe hinunter. Während sie auf seinen breiten Rücken starrte, blieb ihr Gelegenheit, ihre Gedanken zu ordnen und den Schock zu überwinden. Umständlich machte Großmann sich daran, die schwere Tür des Tresorraums zu öffnen. »Wir kennen uns«, sagte er, ohne sie anzusehen; es klang nicht wie eine Frage, sondern war eine Feststellung.

      »Nein«, erklärte sie beherrscht.

      Er gab nicht auf. »Berlin?«

      »Ich habe zwar einige Jahre in Berlin studiert, aber es ist ausgeschlossen, dass unsere Wege sich je gekreuzt haben.«

      Jetzt richtete er sich auf und sah sie an. »Sind Sie ganz sicher?« »Vollkommen.« Unwillkürlich sah sie auf den schmalen Goldreif an seiner rechten Hand, als er den Schlüsselbund abzog.

      Er bemerkte ihren Blick. »Ich bin sehr glücklich verheiratet«, sagte er, als müsste er sich verteidigen.

      Ihr Lächeln wirkte distanziert. »Wie schön für Sie! Ich übrigens auch.«

      Er ließ die Tür für sie aufschwingen, und sie trat vor ihm in den Tresorraum, dessen Wände mit grauen Stahlkassetten ausgepanzert waren.

      Sie machte zwei rasche Schritte auf ihren Safe zu. »Ich habe die Nummer dreihundertsiebzehn.« Sie nahm ihren eigenen Schlüsselbund aus der Handtasche.

      Gleichzeitig steckten sie beide ihre Schlüssel in das Doppelschloss; die Safetür sprang auf.

      »Wenn Sie mir den Kasten herausheben würden«, bat sie, »er ist ziemlich schwer.«

      »Gerne.« Er stellte den Behälter auf einen Klapptisch.

      »Ich brauche nur meinen Schmuck.« Sie nahm das rechteckige schwarze Lederetui heraus.

      »Möchten Sie ein Zimmer?«

      Sie zögerte, denn gewöhnlich nahm sie das, was sie wollte, heraus, während ihr Begleiter den Blick abzuwenden pflegte. Diesmal aber sagte sie: »Ja, bitte.« Es würde ihr gut tun, ein paar Minuten allein zu sein.

      Er stellte den Behälter in den Safe zurück, und gemeinsam schlossen sie ab.

      »Komisch«, sagte sie und brachte, während sie ihm offen in die Augen blickte, ein unbefangenes Lächeln zu Stande, »ich bin bisher in meinem Leben noch nie verwechselt worden. Ernsthaft, meine ich. Höchstens wenn jemand anbandeln wollte, Sie kennen das ja.« »Sie haben ein ziemlich unverwechselbares Gesicht.«

      »Das habe ich bisher auch geglaubt. Aber wie wir feststellen mussten, war das ein Irrtum.«

      Endlich ließ er sie in einem der kleinen, für die Kunden bestimmten unterirdischen Zimmer allein. Sie legte ihr Schmucketui vor sich auf den Tisch und nahm in einem der beiden, einander gegenüberstehenden Sessel Platz. Ihre Züge, vom Zwang des Lächelns erlöst, entspannten sich.

      Hatte er ihr geglaubt? Zumindest konnte er sich seiner Sache nicht mehr sicher sein. Vielleicht hatte sie zu dick aufgetragen. Aber das war nicht wichtig. Es war unbedingt richtig gewesen zuzugeben, dass sie einige Jahre in Berlin gelebt hatte. Wenn er nachgeforscht oder es durch einen Zufall herausbekommen hätte, wäre das ein Beweis gegen sie gewesen.

      Auf alle Fälle konnte er nichts unternehmen, ohne sich selber zu schaden, und das musste er wissen. Er war in seiner Stellung zu exponiert, und er würde auch seine Ehe nicht gefährden wollen. Nein, von Großmann drohte ihr nichts.

      Und doch – sie war so sicher gewesen, ihre Vergangenheit abgestreift zu haben, hier in der Ruhe dieser fleißigen kleinen Stadt, in der Geborgenheit ihrer Ehe mit einem starken, tüchtigen Mann, im Schutz ihres Heims, das tatsächlich eine Burg war.

      Oder machte sie sich nur etwas vor? Ja, das tat sie. Greta gestand sich ein, dass sie sich immer der Gefahr der Entdeckung bewusst geblieben war. Ein winziger Rest von Angst war stets geblieben. Damit musste sie leben, und sie konnte es. Vielleicht war es gerade diese Angst, von einem Tag zum anderen alles wieder zu verlieren, die sie ihr Dasein so genießen ließ.

      Sie holte den Spiegel aus ihrer Handtasche und begutachtete aufmerksam ihr schönes Gesicht. Sie hatte ihre hellen Wimpern grau getuscht, um den großen Augen mit den fast grasgrünen Iris noch mehr Ausdruck zu geben, als sie ohnehin schon hatten, den vollen, etwas zu großen Mund nur sanft getönt. Um den Kopf hatte sie ein grünseidenes Tuch geschlungen, da sie ihr Haar heute waschen


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