Susebill tut was sie will. Marie Louise Fischer

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Susebill tut was sie will - Marie Louise Fischer


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doch wahr!“ maulte das Mädchen. „Noch so klein und darf schon fliegen!“ Dann lachte sie über sich selber. „Pah! Das Baby hat aber bestimmt nichts davon.“

      „Nur keinen Neid“, sagte Dr. Meixner, „wer hat, der hat.“

      „Eines Tages werde ich auch fliegen“, behauptete Susebill. „Ich werde Stewardess … Sind sie nicht toll, Vater? Mit ihren blauen Käppis … und so gepflegt … und alle sind sie schlank und schick. Wie kommt das eigentlich, Vater? Müssen Stewardessen dünn sein? Jedenfalls … mir würde Dunkelblau auch prima stehen.“

      „Wenn du dir nach solchen Gesichtspunkten einen Beruf aussuchst“, sagte Dr. Meixner, „dann kannst du mir wirklich leid tun. Es ist bestimmt nicht das Wichtigste auf der Welt schick auszusehen.“

      „Weiß ich doch, Väterchen … Ich bin ja nicht blöd. Aber ich würde wirklich riesig gerne fliegen … und fremde Länder sehen und das alles.“

      „Versuche’s nur. Ich würde mich freuen, wenn du deine Schulleistungen verbessern würdest, tüchtig Sprachen lerntest und alles, was dazugehört …“

      „Ab Montag“, sagte Susebill vergnügt, „du wirst schon sehen …“

      Aus dem großen Lautsprecher wurde in deutscher, englischer und französischer Sprache ausgerufen, daß das Flugzeug nach Paris startbereit sei. Ein Mister Dagobert Hope wurde dringend gesucht, sich einzustellen.

      Aber Mister Hope erschien nicht.

      „Was ist bloß los mit dem?“ fragte Susebill. „Verschlafen kann er nicht haben, es ist ja schon Nachmittag … Ob er entführt worden ist?“

      Die Flugzeugtüren wurden geschlossen, die Treppe fortgerollt. Mit einem Höllenkrach begann sich erst der eine Propeller zu drehen, dann der andere, schließlich alle beide.

      Susebill hielt sich die Ohren zu. Genau in dem Augenblick, als sie dachte, daß sie es nun wirklich nicht länger aushalten könnte und irgend etwas an diesem Flugzeug kaputt sein müßte, wurde der Lärm der Motoren leiser. Das Flugzeug setzte sich in Bewegung, rollte die Startbahn entlang, so weit, bis es nur noch ein winziges Ding war, machte dann einen Bogen und erhob sich in die Lüfte.

      Susebill atmete tief. „Das wäre geschafft“, sagte sie befriedigt, als ob sie selber am Steuerknüppel gesessen hätte.

      „Sieh mal hoch!“ sagte Dr. Meixner. „Nein … dahin! Links hinüber! Siehst du was?“

      „Ja, ein Flugzeug! Herrje, ist das noch klein, man kann sich gar nicht vorstellen … Glaubst du, daß es hier landen wird?“

      „Ja. Und wenn wir Glück haben, ist es die Maschine aus Rom.“ Dr. Meixner warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Die Zeit stimmt genau …“

      „Wenn Tante Bettina bloß drin ist“, sagte Susebill.

      „Warum sollte sie nicht? Sie hat es uns doch telegrafiert.“

      „Na, ich weiß nicht. Nach dieser Geschichte mit Dagobert … Sag mal, Vater, kannst du dir vorstellen, warum er nicht rechtzeitig gekommen ist? Und was macht er jetzt? Es muß doch ein schrecklicher Schlag für ihn sein, daß das Flugzeug ohne ihn fort ist. Tante Bettina … wenn sie bloß drin ist! Ich bin schon schrecklich aufgeregt.“

      Es dauerte noch lange – fast zu lange für Susebills Ungeduld –, bis das Flugzeug, das aus dem Lautsprecher inzwischen als die fahrplanmäßige Maschine aus Rom ausgerufen worden war, endlich landete. Susebill zerrte ihren Vater an der Hand bis zum anderen Ende der Aussichtsterrasse, von wo aus sie das Flugzeug noch besser sehen konnten.

      Die Propeller drehten sich langsam, blieben stehen. Eine Treppe wurde herangeschoben, die Tür des Flugzeuges geöffnet, eine Stewardess erschien.

      Dann kamen die Passagiere. Zwei Herren mit Aktentaschen, eine amerikanische Familie, eine alte Dame, und grade, als Susebill zum dritten Male sagte: „Sie ist bestimmt nicht drin!“ trat Tante Bettina auf die Plattform der Treppe.

      „Hurra!“ schrie Susebill und sprang in die Luft. Sie legte ihre Hände wie einen Schalltrichter vor den Mund und brüllte aus Leibeskräften: „Tante Bettina! Tante Bettina!“

      Die Leute auf der Terrasse drehten sich nach ihr um, aber Tante Bettina selber war natürlich viel zu weit entfernt, um Susebills Ruf zu hören.

      Dr. Meixner begriff Susebills Enttäuschung. „Da“, sagte er, „nimm mein Taschentuch und wink tüchtig … Vielleicht sieht sie uns!“

      Und tatsächlich, Tante Bettina, die sich suchend umschaute, während sie die Treppe hinabging, erblickte Susebill und ihren Vater. Sie hob den Arm und grüßte ganz leicht, so, wie es Susebill einmal einen Filmstar hatte tun sehen, der von Zeitungsleuten erwartet wurde.

      Es verschlug ihr die Sprache. Sie hatte Tante Bettina vor drei Jahren zuletzt gesehen, sie hatte gewußt, daß sie sehr elegant war, aber daß sie so unerhört aussah, daran hatte sie sich nicht mehr erinnert.

      Tante Bettina trug ein goldbraunes Kostüm, das genau zum Ton ihrer Haare paßte, um die sie auf eine unerhört raffinierte Weise ein gelbes Tuch geschlungen hatte. Ihre Beine erschienen schlank und graziös, obwohl sie Schuhe mit niedrigen Absätzen trug, ihre ganze Figur war elastisch wie die eines jungen Mädchens – und doch sah man auch wieder, daß sie keines war. Sie wirkte nicht wie eine Frau und auch nicht wie ein Mädchen, sondern eben – es dauerte eine ganze Weile, bis Susebill das richtige Wort fand – wie eine Dame.

      Unwillkürlich seufzte sie auf. Wie lange würde es noch dauern, bis sie selber so ungeheuer selbstbewußt und selbstverständlich aus einem Flugzeug steigen würde, in der einen Hand eine Krokodilledertasche, über dem Arm einen Pelz, dem man ansah, daß er sehr kostbar war!

      Dr. Meixner riß Susebill aus ihren Träumen. „Na, jetzt wird’s aber Zeit“, sagte er. „Wir müssen uns sputen, wenn wir vor Tante Bettina beim Ausgang sein wollen.“

      Aber dann mußten sie doch noch fünf Minuten warten, bis Tante Bettina ihr Gepäck hatte verzollen lassen und – begleitet von einem Gepäckträger – auf sie zukam. Sie wirkte so wunderschön und so bis in die Fingerspitzen gepflegt, daß Susebill es nicht einmal wagte, ihr einen Kuß zu geben. Mit ganz ungewohnter Befangenheit machte sie einen tiefen Knicks und schlug die Augen nieder, als Tante Bettina ihr zulächelte.

      „Das ist Susanne Sibylle, genannt Susebill“, erklärte Dr. Meixner, „vielleicht erinnerst du dich noch, Bettina …“

      „Aber ja, natürlich“, sagte Tante Bettina rasch.

      Dennoch hatte Susebill das unbehagliche Gefühl, daß sie, wenn der Vater es ihr nicht gesagt hätte, nicht einmal ihren Namen gewußt hätte.

      „Nett, daß du mich abholst, Susebill“, sagte Tante Bettina obenhin, dann wandte sie sich wieder an den Vater: „Und wo ist Hilde? Wie geht es ihr? Ich hoffe, ich mache euch durch meinen Überraschungsbesuch keine Ungelegenheiten.“

      „Bestimmt nicht“, sagte der Vater lächelnd, „meine Frau freut sich riesig … Aber natürlich hat sie noch alle Hände voll mit Vorbereitungen zu tun, deshalb läßt sie sich entschuldigen. Du kennst ja Hilde. Ohne einen guten Kuchen und einen Kartoffelsalat ist sie nicht imstande, einen lieben Besuch zu empfangen. Da vorne die alte Rappelkiste, das ist mein Wagen … Wenn du dich mir anvertrauen willst, sind wir in zwanzig Minuten zu Hause.“

      „Reizend von dir“, sagte Tante Bettina, „aber ich möchte dich doch bitten, mich erst ins Hotel zu bringen … ins ‚Parkhotel‘. Ich habe mir dort telegrafisch Zimmer bestellt.“ Sie lächelte Dr. Meixner an und legte ihre behandschuhte Hand auf seinen Arm. „Du wirst verstehen … ich möchte mich erst noch ein wenig frisch machen.“

      Susebills Augen wurden immer größer. Tante Bettina wirkte wie aus dem Ei gepellt – himmlisch duftend und wohlfrisiert –, wieso mußte sie sich da erst noch frisch machen? Und wie sollte das vor sich gehen?

      „Wir haben zu Hause auch ein Badezimmer“, platzte sie heraus, „da kannst


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