Heiße Keramik. Regina Mars
Читать онлайн книгу.wie Kunst ansteckte.
»Was erzählst du, Lucy?« Sie lachte hohl. »Herr von Romberg-Krieger ist nur hier, weil er eurem Onkel einen Vorschlag unterbreiten will. Einen Vorschlag, den Gordan besser annehmen sollte.« Sie beugte sich vor. Ihre Augen blitzten wie die einer tollwütigen Sumpfschnepfe. »Wenn er weiter hier duschen will.«
»Was?!« Von Romberg-Krieger? Den Namen kannte er doch. »Der schnöselige Goldjunge?«
»Genau der.« Der schnöselige Goldjunge lehnte im Türrahmen, eine Teetasse in der Hand und sah schnöselig und golden aus. Arschgeige. »Schön, Sie wiederzusehen, Herr Klingenschmied.« Mit seinem Lächeln hätte man Stahl fräsen können.
»Ja, dich auch, Kleiner. Kannst wieder gehen. Dir verkaufe ich nichts.«
»Nicht mal eine von diesen niedlichen Spitzmaustassen?« Oh, der Goldjunge trank seinen guten Tee aus einem von Gordans Meisterwerken. Dabei hatte Erica so viel edles Porzellan. War sie etwa doch stolz auf ihn? Fragend sah er sie an.
Sie seufzte. »Ich habe ihm eine vernünftige Tasse angeboten, aber er wollte die da.«
»Echtes Kunsthandwerk.« Ein blödes Grinsen erschien. »Wirklich beeindruckend.«
»Verbindlichsten Dank, Kleiner. Ich gehe duschen.« Lieber flüchten, bevor er dem Schnösel eine zimmerte. Nicht vor den Kindern.
»Gordan!« Erica stellte sich ihm in den Weg. »Du solltest dir Herrn von Romberg-Kriegers Vorschlag anhören.«
»Das kann ich auch, wenn ich nicht mehr stinke«, knurrte er. Sie wich keinen Millimeter zurück. »Wenn er es so eilig hat, kann er ja mit unter die Dusche kommen.«
»Gordan.« Ihre Augen wurden schmal. Einen Moment lang war sie wieder die fiese große Schwester, die ihn mit einem Kneifzwirbler zum Weinen bringen konnte. Dabei war er inzwischen zwei Köpfe größer als sie. »Nicht vor den Kindern.«
»Das war keine Anmache.« Verächtlich sah er den Goldjungen an.
»Schade.« Der seufzte und nippte an seinem Tee. »Borstige Primaten sind mein geheimer Fetisch.«
Erica schaute schockiert, doch dann lachte sie. »Ach. Sie sind ein Schlingel, Herr von Romberg-Krieger!«
Ein Muskel zuckte im Kiefer des Goldjungen. Schlingel war anscheinend nicht sein Lieblingswort. Musste Gordan sich merken. Bei nächster Gelegenheit würde er ihn als »Racker« bezeichnen.
»Ich dusche jetzt. Allein.« Er hob die Arme und verscheuchte Erica mit seinem Achselschweiß. Wütend wich sie dem Gestank aus.
»Seif dich zweimal ein«, zischte sie. »Und beeil dich.«
***
Er beeilte sich nicht. Ausgiebig genoss er die kühle Dusche, die in Wasserwerferstärke auf ihn herabschoss. Herrlich. In seiner letzten Wohnung hatte es aus der Brause nur getröpfelt. Er seifte seinen Leib (der überhaupt nicht so behaart war, wie dieser Klappspaten behauptete) zweimal ein und benutzte Georgs Rasierer, um zumindest im Gesicht spiegelglatt zu werden. Das würde höchstens bis morgen früh halten, aber immerhin sah er nicht mehr aus, als würde er unter einer Brücke hausen.
Erica war nicht immer nett, aber immer reinlich. Die Klamotten, die er beim letzten Mal hier gelassen hatte, waren sauber und dufteten nach Veilchen oder irgendeinem anderen Gewächs. Gordan hatte angeboten, seine Kleider selbst zu waschen, aber Erica hatte so entsetzt geschaut, als würde die Waschmaschine explodieren, wenn sie ihm in die Pranken geriet.
Das ist ein hochkomplexes Instrument, hatte sie gesagt. Klar, als Chemikerin kannte sie sich mit komplexem Zeug aus. Nicht wie er, der Höhlenmensch, der den ganzen Tag mit Ton rummatschte. So ähnlich war ihre Vorstellung von seinem Job und bisher hatte er sie nicht vom Gegenteil überzeugen können.
***
Der Schnösel schnöselte in der Küche rum, als Gordan veilchenduftend hereinkam. Genauer gesagt schnöselte er lässig an den Induktionsherd lehnend herum, umrahmt von antibakteriellen Edelstahlschränken und kindersicheren Schubladen.
»Wo ist Erica?«, fragte Gordan.
»Sie und die Kinder sind draußen im Garten.« Der Goldjunge deutete zum Fenster. »Sie machen eine Yogaübung, die die Konzentration fördert. Luke hat außerhalb der Linien gemalt.«
»Und jetzt muss er zur Strafe auf einem Bein stehen.« Gordan seufzte. »Alles klar.«
Die Nervensäge sah weiter zum Fenster hinaus. Leichte Verunsicherung legte sich über seine Züge, als er die Verrenkungen betrachtete, die Erica und die Kinder anstellten. »Ist das normal? Ich meine, in Ihren Kreisen?«
»In Ericas Kreisen bestimmt.« Gordan verschränkte die Arme. »Ich weiß, wie das aussieht. Aber sie gibt sich wirklich Mühe, eine gute Mutter zu sein. Andere kümmern sich gar nicht um ihre Kleinen.«
»Oh, ich meinte nicht … Ich weiß.« Ein Schatten flog über sein Gesicht und mit einem Mal wirkte der Goldjunge recht düster. Sekunden später war sein Gesicht wieder glatt und nichtssagend. Schade. »Nun, zumindest Ihre Schwester schien begeistert von meinem Angebot. Werden Sie …«
»Nein.« Selbst wenn er wollte, könnte er nicht. Aber das musste der kleine Scheißer ja nicht wissen. »Ich koche jetzt. Wenn du hierbleiben willst, musst du helfen.«
»Oh, kein Problem.« Die Augen des Blödmanns leuchteten auf. »Was gibt es zu tun?«
Kein Wunder, dass der sich so freute. Wie Gordan kurz darauf feststellte, hatte der Kerl noch nie gekocht und betrachtete es als neues, großes Abenteuer. Es war ein Wunder, dass er das Küchenmesser richtig rum hielt.
Trotz seiner Hilfe standen eine Stunde später fünf Teller mit Aberdeen Angus-Steaks auf dem blank polierten Esszimmertisch. Die Kinder strahlten. Sonntag war Fleischtag. Der einzige. Wenn Erica ihr Glas Weißwein geleert hatte, würde Gordan sie vielleicht sogar überreden können, den Kindern eine zweite Portion alkoholfreies Cranachan zu erlauben.
»Dann mal los«, sagte Gordan und wartete ab, bis die Kleinen ihre Dankbarkeitssätze aufgesagt hatten. Dann war Erica dran. Sie endete mit: »Ich bin dankbar, dass mein Bruder eine weitere Chance bekommt, und hoffe sehr, dass er es diesmal nicht verbockt.«
»Ich bin dankbar, dass ich eine Schwester habe, die mich nimmt, wie ich bin. Und, dass ich einen ausgezeichneten Neffen und eine wunderbare Nichte habe. Und dass die Tür zum Atelier abschließbar ist.« Gordan nickte dem Goldjungen zu. »Du bist dran.«
Der schaute leicht verwirrt.
»Du musst sagen, wofür du dankbar bist«, flüsterte Lucy.
»Ja, das habe ich verstanden.« Er lächelte. »Ich bin dankbar, dass …« Zögern. »Dass ich heute so ein wunderbares, selbstgemachtes Essen bekomme. Und dafür, dass ich mir mit dem Küchenmesser nicht den Daumen abgesäbelt habe. Und dafür, dass ich nicht mit einem miefigen Affen duschen musste.«
»Für jemand mit einem Arschversohl-Fetisch stellst du dich ganz schön an.«
»Gordan!« Erica zwang sich zu einem Lächeln. »Guten Appetit.«
Einen Moment lang herrschte wunderbares Schweigen. Die Steaks waren echt gut geworden. Das Fleisch zerging Gordan auf der Zunge, wenn er nur dagegen drückte. Weich und zartfaserig. Perfekt. Erica wusste halt, wo man das gute Zeug bekam. Vermutlich vom Sedlerhof. Mit deren Sohn hatte sie, lange vor Georg, mal ein Techtelmechtel gehabt.
»Gordan, hör dir das Angebot an, das Herr von Romberg-Krieger dir macht.« Mist, das Steak hatte ihr kaum fünf Minuten lang das Maul gestopft.
»Nein.«
»Gordan.« Einatmen. »Hör es dir an.«
»Gut.« Wütend sah er zu dem Goldjungen hinüber. Der feixte. »Aber ich nehme es nicht an.«
»Gordan, du …«
Ausgerechnet der Schnösel sprang ein und hinderte sie daran, weiterzureden.