Rob. Regina Mars
Читать онлайн книгу.sich richtig ins Zeug. Einer von ihnen lächelte Rob zu. Der hätte zurückgelächelt, aber er war zu genervt.
»Was?« Er schubste Zebulon an. »Was ist los? Reißt du dich gerade zusammen?«
»Wovon laberst du, Schmonzetten-Weib?«, knurrte Zebulon. »Und jetzt sag endlich, wie oft.«
»Kein Mal«, gab Rob zu. Obwohl er es einmal gedacht hatte. So sehr daran geglaubt hatte, dass es ihn dumm und unvorsichtig gemacht hatte. »Und du?«
»Einmal.« Zebulon sah zu Boden. »Ich … schätze, dass es so war.«
Rob schwieg. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Tiefschürfende Gespräche über die Vergangenheit waren nicht seine Stärke. Oder Zebulons. Und schon gar nicht, wenn sie sie miteinander führten. »Noch ein Bier?«
»Ja, bitte.« Zebulon seufzte. Irgendetwas war anders. Valentin musste versehentlich etwas wachgerüttelt haben. Etwas Altes, Menschliches, das ab und zu hinter der arroganten Fassade hervorblitzte.
Rob beschloss, nicht darüber nachzudenken. Sie waren hier, um zu trinken und etwas Nettes für die Nacht zu finden. Der dunkelhaarige Student auf der Tanzfläche war ganz süß. Der breite ältere Kerl an dem Ecktisch allerdings auch. Rob hatte keinen festen Typ. Zebulon warf ihm sogar vor, alles mitzunehmen, was ging und vermutlich hatte er recht.
Als er mit den Bieren zurückkehrte, hatte Zebulon sich in den alten Sauertopf zurückverwandelt. »Das hat ja gedauert«, murrte er und nahm das Bier entgegen.
»Gern geschehen, Zebilein«, flötete Rob. »Die nächsten zahlst du, klar?«
»Geizkragen.«
»Pleitekragen«, korrigierte Rob und stieß mit ihm an.
»Oh, richtig.« Wieder sah Zebulon zu Boden.
Galle stieg in Robs Hals hoch. Der Mistkerl wusste Bescheid. Das hätte ihn nicht wundern sollen. Anscheinend wussten alle Bescheid, selbst die, die Julius nie kennengelernt hatten.
»Kein Mitleid«, zischte er und ärgerte sich über sich selbst. Das war vorbei. Lange vorbei. Es ging ihm wieder gut.
»Mit keinem Mitleid kann ich dienen.« Zebulon rang sich sogar ein halbes Lächeln ab und hob sein Bier. »Prost.«
»Prost.« Vielleicht war das der Grund, aus dem er Zebulon … mochte? Nein, das war das ganz und gar falsche Wort. Aber Zebulon behandelte ihn nicht wie ein rohes Ei. Nicht so mitleidig und verständnisvoll wie seine anderen Freunde. Na, außer Milan. Dem konnte man selten etwas vom Gesicht ablesen. Vermutlich waren dem schlimmere Dinge zugestoßen, als dass sein Ex ihn ausgenommen hatte.
Rob traf eine Entscheidung. »Zebi, ich habe beschlossen, heute zu saufen. Scheiß auf Erotik.«
»Scheiß auf Erotik«, sagte Zebulon aus vollem Herzen. Einen Moment lang herrschte sowas wie Einigkeit zwischen ihnen. Dann begann Zebulon wieder, sich über Valentin zu beschweren, und Rob hörte schicksalsergeben zu. Gut, dass er das Bier hatte. Und das nächste. Und das nächste.
Als Zebulon nur noch in unzusammenhängenden Tiraden schwafelte, hatte die Bar sich geleert. Die Studenten waren verschwunden und Rob hatte die Gelegenheit verpasst, einen von ihnen anzusprechen. Der Typ am Ecktisch war ebenfalls weg. Nur noch er und Zebulon hielten den Barkeeper von seinem Feierabend ab, was der ihnen mit grantigen Blicken verständlich machte.
Seufzend ergab Rob sich in sein Schicksal. Kein Sex heute Abend, nur die Ergüsse seines Backpackerkumpels und der angenehme Bierschwindel. Nicht ideal, aber ein Umstand, mit dem er leben konnte. Morgen war auch noch ein Tag.
»Und genau das ist das Problem unserer Gesellschaft: Niemand hört mehr zu! Niemand nimmt sich mehr die Zeit, auf andere zu achten, auf ihre Bedürfnisse einzugehen und …«
»Zebulon, ich glaube, der Barkeeper hat das Bedürfnis, zu schließen. Und ich habe das Bedürfnis, einen Liter Bier auszupissen und dann nach Hause zu gehen.«
»Ich auch«, grollte Zebulon. »Und dann will ich nur noch vergessen.«
»Was vergessen?«
»Alles.« Zebulon marschierte voraus zu den Herrentoiletten.
Einträchtig nebeneinander stehend füllten sie die Pissoirs, wuschen sich die Hände, trockneten sie an den Hosen ab und verließen die Bar. Kalte Frühlingsluft empfing sie und brachte ihre schweißbedeckten Arme zum Frösteln. In der Bar war es heiß gewesen. Die Straßen waren leer, nur vereinzelt stolperten Partygänger über den Asphalt. Ab und zu rauschte ein Auto vorbei. Abgase und Dönerdüfte schwängerten die Luft. Die Straßenlaternen schienen trüb auf Hundescheiße, Gestrüpp und besprühte Betonpoller. An einem der Poller lehnte eine Oma und sang ein Lied auf Fantasie-Englisch. Rob fühlte sich einsam. Furchtbar einsam. Das Gefühl war mit einem Schlag da, vielleicht, weil er zu viel an Julius gedacht hatte. Irgendetwas stimmte heute Abend nicht.
»Ich habe einen guten Whisky daheim«, sagte er, als wäre es egal.
»Schottischen Whisky?«, fragte Zebulon. »Diesen amerikanischen Fusel trinke ich nicht, wie du weißt.«
»Das weiß ich. Du bist ein offenes Buch, was das betrifft, alter Freund.« Rob seufzte. »Kommst du mit oder nicht?«
Kurzes Zögern. »Jemand muss ja auf dich aufpassen.«
»Auf mich? Warum?«
»Auf dem Weg könnte dich die Idee für eine furchtbare Milliardärs-Entführungs-Romanze anfallen. Das werde ich verhindern.«
Rob hatte ein Notizbuch voll Milliardärs-Entführungs-Ideen, aber das sagte er Zebulon nicht. Ungewohnt harmonisch torkelten sie über das Pflaster. Zebulon gähnte, stolperte und prallte gegen Rob. Wieder fiel dem der Zartbitterduft auf. Er schnupperte an Zebulons straßenköterblonden Strähnen. Im Licht der Straßenlaterne wirkten sie grau.
»Was ist das?«, fragte er. »Kann man das kaufen?«
»Was laberst du, Schnulzenschreiberling?«
»Dein Parfüm? Oder ist das irgendein Räucherstäbchen?«
»Ich schmücke mich nicht mit fremden Düften«, sagte Zebulon hoheitsvoll und stolperte schon wieder. »Pass doch auf.«
»Pass du auf.« Rob schnüffelte noch einmal an Zebulons Kragen. »Willst du mir erzählen, dass du die ganze Zeit schon so riechst?«
»Hör auf, mich zu beschnüffeln.« Zebulons Hand griff Robs Schulter und drückte ihn weg.
»Freu dich doch, dass du mal von einem Alpharüden beschnüffelt wirst, Kleiner.« Rob grinste.
»Kleiner.« Zebulon lachte. »Ich bin größer als du. Und ich habe nicht mal Schuhe an.«
»He, du hast recht.« Rob legte den Arm um Zebulons Nacken und packte ihn. »Und jetzt?«
»Lass das, du Luder!«
»Sag bitte, Kleiner.«
Stattdessen griff Zebulon in Robs Hemd und warf sich nach vorne. Straßenlaternen und Häuserwände rauschten an Rob vorbei, bis sie plötzlich verkehrt herum um ihn aufragten. Hä? Verwirrt setzte er sich auf. »Wie hast du das gemacht?«
»Das war der Wurf des lästigen Hundes. Der erste Wurf, den mein Sendho mir beibrachte.« Zebulons Gesicht nahm einen verklärten Ausdruck an. »Sendho könnte man mit ›Meister‹ übersetzen. Von ihm lernte ich die uralte Kampfkunst Tul-Amarh, die fast in Vergessenheit geraten ist. Nur noch knapp hundert Mönche praktizieren sie in einem entlegenen Kloster …«
»Oh, verdammt, wird das ein Vortrag?«
Es wurde ein Vortrag. Er dauerte, bis sie in Robs Wohnung ankamen, wo der die Schuhe abstreifte und sich in die Küche flüchtete. Dahin, wo der Whisky stand.
»Rette mich, Whisky«, flüsterte Rob. Der besoffene Schotte auf der Flasche zwinkerte ihm liebevoll zu. Der Kühlschrank brummte beruhigend und der Zitronenduft des Allzweckreinigers besänftigte seine Nerven.
»Aber