Die Traumdeutung. Sigmund Freud

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Die Traumdeutung - Sigmund Freud


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wieder eine Wunscherfüllung; es tut mir leid, dass ich dies Gefäß nicht mehr besitze, wie übrigens auch das Wasserglas auf Seiten meiner Frau mir nicht zugänglich ist. Der Aschenkrug passt sich auch der nun stärker gewordenen Sensation des salzigen Geschmacks an, von der ich weiß, dass sie mich zum Erwachen zwingen wird. Das Tatsächliche der Durstträume war auch Weygandt bekannt, der 1893, 41 darüber äußert: »Gerade die Durstempfindung wird am präzisesten von allen aufgefasst: sie erzeugt stets eine Vorstellung des Durstlöschens. – Die Art, wie sich der Traum das Durstlöschen vorstellt, ist mannigfaltig und wird nach einer naheliegenden Erinnerung spezialisiert. Eine allgemeine Erscheinung ist auch hier, dass sich sofort nach der Vorstellung des Durstlöschens eine Enttäuschung über die geringe Wirkung der vermeintlichen Erfrischungen einstellt.« Er übersieht aber das Allgemeingültige in der Reaktion des Traumes auf den Reiz. – Wenn andere Personen, die in der Nacht vom Durst befallen werden, erwachen, ohne vorher zu träumen, so bedeutet dies keinen Einwand gegen mein Experiment, sondern charakterisiert diese anderen als schlechtere Schläfer. – Vgl. dazu Jesaias, 29, 8: »Denn gleich wie einem Hungrigen träumet, dass er esse, wenn er aber aufwacht, so ist seine Seele noch leer; und wie einem Durstigen träumet, dass er trinke, wenn er aber aufwacht, ist er matt und durstig« ….

      Solche Bequemlichkeitsträume waren bei mir in juvenilen Jahren sehr häufig. Von jeher gewöhnt, bis tief in die Nacht zu arbeiten, war mir das zeitige Erwachen immer eine Schwierigkeit. Ich pflegte dann zu träumen, dass ich außer Bett bin und beim Waschtisch stehe. Nach einer Weile konnte ich mich der Einsicht nicht verschließen, dass ich noch nicht aufgestanden war, hatte aber doch dazwischen eine Weile geschlafen. Denselben Trägheitstraum in besonders witziger Form kenne ich von einem jungen Kollegen, der meine Schlafneigung zu teilen scheint. Die Zimmerfrau, bei der er in der Nähe des Spitals wohnte, hatte den strengen Auftrag, ihn jeden Morgen rechtzeitig zu wecken, aber auch ihre liebe Not, wenn sie den Auftrag ausführen wollte. Eines Morgens war der Schlaf besonders süß. Die Frau rief ins Zimmer: Herr Pepi, stehen S’ auf, Sie müssen ins Spital. Daraufhin träumte der Schläfer ein Zimmer im Spital, ein Bett, in dem er lag, und eine Kopftafel, auf der zu lesen stand: Pepi H… cand. med., zweiundzwanzig Jahre. Er sagte sich träumend: Wenn ich also schon im Spital bin, brauche ich nicht erst hinzugehen, wendete sich um und schlief weiter. Er hatte sich dabei das Motiv seines Träumens unverhohlen eingestanden.

      Ein anderer Traum, dessen Reiz gleichfalls während des Schlafes selbst einwirkte: Eine meiner Patientinnen, die sich einer ungünstig verlaufenen Kieferoperation hatte unterziehen müssen, sollte nach dem Wunsche der Ärzte Tag und Nacht einen Kühlapparat auf der kranken Wange tragen. Sie pflegte ihn aber wegzuschleudern, sobald sie eingeschlafen war. Eines Tages bat man mich, ihr darüber Vorwürfe zu machen; sie hatte den Apparat wiederum auf den Boden geworfen. Die Kranke verantwortete sich: »Diesmal kann ich wirklich nichts dafür; es war die Folge eines Traums, den ich bei Nacht gehabt. Ich war im Traum in einer Loge in der Oper und interessierte mich lebhaft für die Vorstellung. Im Sanatorium aber lag der Herr Karl Meyer und jammerte fürchterlich vor Kieferschmerzen. Ich habe gesagt, da ich die Schmerzen nicht habe, brauche ich auch den Apparat nicht; darum habe ich ihn weggeworfen.« Dieser Traum der armen Dulderin klingt wie die Darstellung einer Redensart, die sich einem in unangenehmen Lagen über die Lippen drängt: Ich wüsste mir wirklich ein besseres Vergnügen. Der Traum zeigt dieses bessere Vergnügen. Herr Karl Meyer, dem die Träumerin ihre Schmerzen zuschob, war der indifferenteste junge Mann ihrer Bekanntschaft, an den sie sich erinnern konnte.

      Nicht schwieriger ist es, die Wunscherfüllung in einigen anderen Träumen aufzudecken, die ich von Gesunden gesammelt habe. Ein Freund, der meine Traumtheorie kennt und sie seiner Frau mitgeteilt hat, sagt mir eines Tages: »Ich soll dir von meiner Frau erzählen, dass sie gestern geträumt hat, sie hätte die Periode bekommen. Du wirst wissen, was das bedeutet.« Freilich weiß ich’s; wenn die junge Frau geträumt hat, dass sie die Periode hat, so ist die Periode ausgeblieben. Ich kann mir’s denken, dass sie gerne noch einige Zeit ihre Freiheit genossen hätte, ehe die Beschwerden der Mütterlichkeit beginnen. Es war eine geschickte Art, die Anzeige von ihrer ersten Gravidität zu machen. Ein anderer Freund schreibt, seine Frau habe unlängst geträumt, dass sie an ihrer Hemdenbrust Milchflecken bemerke. Dies ist auch eine Graviditätsanzeige, aber nicht mehr vom ersten Mal; die junge Mutter wünscht sich, für das zweite Kind mehr Nahrung zu haben als seinerzeit fürs erste.

      Eine junge Frau, die Wochen hindurch bei der Pflege ihres infektiös erkrankten Kindes vom Verkehr abgeschnitten war, träumt nach glücklicher Beendigung der Krankheit von einer Gesellschaft, in der sich A. Daudet, Bourget, M. Prévost u. a. befinden, die sämtlich sehr liebenswürdig gegen sie sind und sie vortrefflich amüsieren. Die betreffenden Autoren tragen auch im Traum die Züge, welche ihnen ihre Bilder geben; M. Prévost, von dem sie ein Bild nicht kennt, sieht dem – Desinfektionsmanne gleich, der am Tag vorher die Krankenzimmer gereinigt und sie als erster Besucher nach langer Zeit betreten hatte. Man meint den Traum lückenlos übersetzen zu können: Jetzt wäre es einmal Zeit für etwas Amüsanteres als diese ewigen Krankenpflegen.

      Vielleicht wird diese Auslese genügen, um zu erweisen, dass man sehr häufig und unter den mannigfaltigsten Bedingungen Träume findet, die sich nur als Wunscherfüllungen verstehen lassen und die ihren Inhalt unverhüllt zur Schau tragen. Es sind dies zumeist kurze und einfache Träume, die von den verworrenen und überreichen Traumkompositionen, die wesentlich die Aufmerksamkeit der Autoren auf sich gezogen haben, wohltuend abstechen. Es lohnt sich aber, bei diesen einfachen Träumen noch zu verweilen. Die allereinfachsten Formen von Träumen darf man wohl bei Kindern erwarten, deren psychische Leistungen sicherlich minder kompliziert sind als die Erwachsener. Die Kinderpsychologie ist nach meiner Meinung dazu berufen, für die Psychologie der Erwachsenen ähnliche Dienste zu leisten wie die Untersuchung des Baues oder der Entwicklung niederer Tiere für die Erforschung der Struktur der höchsten Tierklassen. Es sind bis jetzt wenig zielbewusste Schritte geschehen, die Psychologie der Kinder zu solchem Zwecke auszunützen.

      Die Träume der kleinen Kinder sind häufig simple Wunscherfüllungen und dann im Gegensatz zu den Träumen Erwachsener gar nicht interessant. Sie geben keine Rätsel zu lösen, sind aber natürlich unschätzbar für den Erweis, dass der Traum seinem innersten Wesen nach eine Wunscherfüllung bedeutet. Bei meinem Material von eigenen Kindern konnte ich einige Beispiele von solchen Träumen sammeln.

      Einem Ausflug nach dem schönen Hallstatt im Sommer 1896 von Aussee aus verdanke ich zwei Träume, den einen von meiner damals achteinhalbjährigen Tochter, den anderen von meinem fünfeinvierteljährigen Knaben. Als Vorbericht muss ich angeben, dass wir in diesem Sommer auf einem Hügel bei Aussee wohnten, von wo aus wir bei schönem Wetter eine herrliche Dachsteinaussicht genossen. Mit dem Fernrohr war die Simony-Hütte gut zu erkennen. Die Kleinen bemühten sich wiederholt, sie durchs Fernrohr zu sehen; ich weiß nicht, mit welchem Erfolg. Vor der Partie hatte ich den Kindern erzählt, Hallstatt läge am Fuße des Dachsteins. Sie freuten sich sehr auf den Tag. Von Hallstatt aus gingen wir ins Echerntal, das mit seinen wechselnden Ansichten die Kinder sehr entzückte. Nur eines, der fünfjährige Knabe, wurde allmählich missgestimmt. Sooft ein neuer Berg in Sicht kam, fragte er: Ist das der Dachstein? worauf ich antworten musste: Nein, nur ein Vorberg. Nachdem sich diese Frage einige Male wiederholt hatte, verstummte er ganz; den Stufenweg zum Wasserfall wollte er überhaupt nicht mitmachen. Ich hielt ihn für ermüdet. Am nächsten Morgen kam er aber ganz selig auf mich zu und erzählte: Heute Nacht habe ich geträumt, dass wir auf der Simony-Hütte gewesen sind. Ich verstand ihn nun; er hatte erwartet, als ich vom Dachstein sprach, dass er auf dem Ausflug nach Hallstatt den Berg besteigen und die Hütte zu Gesicht bekommen werde, von der beim Fernrohr so viel die Rede war. Als er dann merkte, dass man ihm zumute, sich mit Vorbergen und einem Wasserfall abspeisen zu lassen, fühlte er sich getäuscht und wurde verstimmt. Der Traum entschädigte ihn dafür. Ich versuchte Details des Traumes zu erfahren; sie waren ärmlich. »Man geht sechs Stunden lang auf Stufen hinauf«, wie er es gehört hatte.

      Auch bei dem achteinhalbjährigen Mädchen waren auf diesem Ausflug Wünsche rege geworden, die der Traum befriedigen musste. Wir hatten den zwölfjährigen Knaben unserer Nachbarn nach Hallstatt mitgenommen, einen vollendeten Ritter, der, wie mir schien, sich bereits aller Sympathien des kleinen Frauenzimmers erfreute. Sie erzählte nun am nächsten Morgen folgenden Traum: Denk’ dir, ich hab’ geträumt, dass der


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