Western Sammelband 4 Romane: Lady in Blei und andere Western. Pete Hackett
Читать онлайн книгу.fuhren nun schon sechs Wochen zusammen auf dem Wagen. Das Geschäft hatte sich gut angelassen. Sheres Voraussagen hinsichtlich des von Schiffen in La Porte angelandeten Frachtgutes waren eher untertrieben gewesen. Es gab Aufträge in Hülle und Fülle.
Sie fuhren den Wagenweg von Crockett nach Dallas hinauf. Seit der Sache mit der Herde war er in diese Gegend nicht wieder gekommen. San Antonio, Austin, Houston, Pecos und El Paso waren bisher ihre Ziele gewesen. Die beiden anderen Frachtwagen bekamen sie nur höchst selten einmal zu Gesicht. Jack war in diesen sechs Wochen ganze sechs Tage daheim bei Shere gewesen.
Nathan zog seine verbeulte Mundharmonika aus der Manteltasche und begann darauf zu spielen. Das Gewehr klemmte er dabei zwischen die Beine.
Plötzlich hielt er inne. »War das hier? Ich meine den Überfall auf die Rinderherde.«
»Nein, hinter Dallas im Norden.«
»Und wann sind wir in Dallas?«
»Heute noch.« Jack ließ die Peitsche knallen, weil die vier Zugpferde langsamer wurden.
Der Wagen ratterte wieder schneller über den Wagenweg.
Nathan spielte noch eine Weile auf der Mundharmonika, dann steckte er sie brummend in die Tasche. Er ließ den Blick umherschweifen und legte das Spencergewehr quer über die Knie. »Verdammt einsame Gegend hier.«
Jack ließ die Peitsche wieder knallen.
»Bleiben wir in der Stadt? Ich meine, bis morgen?«
»Keine Sorge, du kriegst ein richtiges Bett.«
Nathan lächelte. »Würde es dich sehr erschrecken, wenn ich über den Winter pausiere?«
»Nein«, entgegnete Jack gleichmütig. »Damit habe ich sogar fest gerechnet.«
»So.« Nathan vermied es, den Mann neben sich anzuschauen. Stattdessen ließ er den Blick wieder über die spärlichen Grasnarben, die Kakteen und die skurrilen Felsen in der Einöde streifen. Noch war die Stadt nicht zu sehen. Wahrscheinlich lag sie hinter der Bodenwelle rund zwei Meilen vor ihnen. Die Radrinnen führten darüber hinweg.
Sie brauchten fast eine Stunde, bis der schwere Wagen mit den hohen Bordwänden und der derben Plane auf der Ladung die Höhe erreichte.
Dann sahen sie die Stadt. Sie lag inmitten eines weiten Tales; ein wüstes Gewirr von Hütten und Häusern, aus denen mehrstöckige Saloons und ein hölzerner Kirchturm emporragten. Staub lag über Dallas wie eine Glocke. Der Wagenweg führte in die Stadt hinein.
Die Pferde liefen abwärts schneller. In der Ebene gab ihnen Jack wieder die Peitsche.
Als sie die Stadt erreichten, dämmerte es bereits.
Jack hielt am ersten Haus und fragte einen Mann nach dem Store eines Mister Bernstein.
»Da oben, wo der Ranchwagen steht!« Der Mann deutete die Main Street hinauf.
»Danke.« Truman trieb die Pferde erneut an. »Los, los, noch ein paar Yard, dann ist Schluss für heute.«
Eine Menge Leute standen an den Hauswänden; die Blicke, die den Wagen trafen, waren uninteressiert.
»Handwerker müsste man sein, dann hätte man jetzt längst Feierabend«, maulte Nathan.
Aus dem Store kam ein Mann von wuchtiger, schrankbreiter Gestalt, der einen großen Karton auf der Schulter trug. Jack sah deshalb sein Gesicht nicht. Als er aber den Karton auf einen flachbordigen Wagen lud, erkannte Jack ihn.
»Jed Dunn«, sagte er überrascht.
Der ehemalige Cowboy sah Jack im gleichen Augenblick und starrte ihn wie einen Geist an.
Die vier Pferde vor dem Frachtwagen blieben stehen.
Dunns Erstarrung hielt sekundenlang an, dann quälte er sich ein schiefes Grinsen ab. »Hallo«, sagte er lahm. »Das ist aber eine Überraschung!«
»Das kann man wohl sagen«, erwiderte Jack.
Dunn kam näher, sah das Schild am Frachtwagen und sagte: »Jack Truman. Was denn, der gehört dir?«
»Shere hat eine Erbschaft gemacht und das Fuhrunternehmen des alten Lawrence gekauft. Sie bestand darauf, meinen Namen darauf zu schreiben.«
»Ach so.« Dunn nahm den Hut ab und kratzte sich am Kopf.
17
Jack stieg ab.
»Ich warte im Saloon.« Nathan kletterte auf der anderen Seite vom Wagen und ging auf den nächsten Saloon zu, vor dem ein paar Mädchen standen, die ihn in Empfang nahmen und ins Innere schleiften.
»Wie klein die Welt ist«, brummte Jed. Er grinste wieder unsicher und setzte den Hut auf.
»Wie hat es dich hierher verschlagen?«, fragte Jack.
»Eigentlich wollten wir zu den Goldfeldern in Montana. Aber wir hatten kaum noch Geld. Und die Ausrüstung fehlte uns auch. Also wir blieben ein paar Tage in einer einsam gelegenen Handelsstation westlich von hier. Der alte Zion Hunt und seine Frau lebten allein dort. Und der Alte, das wussten wir erst gar nicht, ist ein leidenschaftlicher Pokerspieler. Er wollte es immer wieder wissen, obwohl er verdammt schlecht ist. Seine Frau hat geschimpft wie ein Rohrspatz.« Jed Dunn lachte.
Jack wartete.
»Na ja, drei Tage ging das so. In der letzten Nacht hatten wir ihm das Bargeld abgenommen. Lumpige dreihundert Bucks, mehr besaß er gar nicht. Aber er wollte sie unbedingt zurückgewinnen.« Dunn hob die Schultern an. »Was sollten wir machen. Er hatte ein Recht auf Revanche. Am Morgen war er dann am Ende. Hatte den ganzen Laden verspielt. Außer dem Wagen und seinen Habseligkeiten.«
»Ihr habt ihm alles abgenommen?«
Dunns Gesicht verzog sich als hätte er in eine Zitrone gebissen. »Er wollte es nicht anders. Keiner von uns hatte vor, den Rest seines Lebens in einer abgelegenen Station zu verbringen. Dabei ist das gar nicht übel, wie wir später feststellten. Du kannst pennen, solange du willst, kriegst selbst billigen Whisky und kannst für das Zeug verlangen, was du willst.«
»Und die alten Leute?«
»Die fuhren weg. Sollen hier sogar durchgekommen sein, wie mir der Sheriff später erzählte. Ich muss los, Jack. Ves wartet auf mich. Wird sowieso noch zwei Stunden dauern, bis ich endlich draußen bin. Vielleicht sehen wir uns mal wieder.«
Jack blickte dem ehemaligen Cowboy nach. Dunn stieg auf seinen Wagen und trieb die beiden Pferde an. Er wendete auf der breiten Main Street und fuhr nach Westen.
Truman ging zur anderen Seite seines Wagens und schaute dem Gefährt nach.
»Hallo, bringen Sie etwas für mich?«, rief der Händler.
Jack wandte sich um.