Ich möchte Dir ein Liebes schenken. Rainer Maria Rilke

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Ich möchte Dir ein Liebes schenken - Rainer Maria Rilke


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      AUS DER TRÜBE MÜDER ÜBERDRÜSSE

      Aus der Trübe müder Überdrüsse

      reißt, die wir einander bebend bringen,

      uns die Botschaft. Welche? Wir vergingen –

      Ach wann waren Worte diese Küsse?

      Diese Küsse waren einmal Worte;

      stark gesprochen an der Tür ins Freie

      zwangen sie die Pforte.

      Oder waren diese Küsse Schreie …

      Schreie auf so schönen Hügeln, wie sie

      Deine Brüste sind. Der Himmel schrie sie

      in den Jugendjahren seiner Stürme.

      OH WIE FÜHL ICH STILL ZU DIR HINÜBER

      Oh wie fühl ich still zu Dir hinüber,

      oh wie gehen mir von Deinem Bild

      steigende Gefühle flutend über.

      Ungeheuer ist mein Herz gewillt.

      In dem Raume, den ich in mich schaute

      aus dem Weltraum und dem Wind am Meer,

      gehst Du, unbegreifliche Vertraute,

      wie sein eigenstes Geschöpf umher.

      Nun erst schließ ich, ach nach wie viel Zeiten

      meine Augen über mir; nun mag

      keine Sehnsucht mehr mich überschreiten;

      denn vollendeter wird Nacht und Tag.

      Schau ich aber leise auf, so heilt

      mir die Welt am milderen Gesichte –,

      oh so war ja doch: dass ich verzichte,

      allen Engeln noch nicht mitgeteilt.

      SO WIE EINE TÜRE, DIE NICHT ZUBLEIBT

      So wie eine Türe, die nicht zubleibt,

      geht im Schlaf mir immer wieder stöhnend

      die Umarmung auf. Oh wehe Nächte.

      Draußen wird der Garten weich im Mondschein

      und die Blüten trüben mir das Fenster

      und die Nachtigall ist nicht vergebens.

      DEIN HERZ SEI WIE EIN NEST IM UNERREICHTEN

      Dein Herz sei wie ein Nest im Unerreichten.

      Hilf keinem zu der Wildnis Deines Baus,

      doch manchmal wirf am Morgen einen leichten

      neuflüggen Engel in die Himmel aus.

      VERGISS, VERGISS UND LASS UNS JETZT NUR DIES

      Vergiss, vergiss und lass uns jetzt nur dies

      erleben, wie die Sterne durch geklärten

      Nachthimmel dringen; wie der Mond die Gärten

      voll übersteigt. Wir fühlten längst schon, wies

      spiegelnder wird im Dunkel; wie ein Schein

      entsteht, ein weißer Schatten in dem Glanz

      der Dunkelheit. Nun aber lass uns ganz

      hinübertreten in die Welt hinein

      die monden ist –

      EIN JUNGES MÄDCHEN: DAS IST WIE EIN STERN

      Ein junges Mädchen: das ist wie ein Stern:

      die ganze Erde dunkelt ihm entgegen

      und ist ihm aufgetan wie einem Regen,

      und niemals trank sie einen seligern.

      Ein junges Mädchen: das ist wie ein Schatz,

      vergraben neben einer alten Linde;

      da sollen Ringe sein und Goldgewinde,

      doch keiner ist erwählt, dass er sie finde:

      nur eine Sage geht und sagt den Platz.

      Ein junges Mädchen: dass wir’s niemals sind.

      So wenig hat das Sein zu uns Vertrauen.

      Am Anfang scheinen wir fast gleich, als Kind,

      und später sind wir manchmal beinah Frauen

      für einen Augenblick; doch wie verrinnt

      das fern von uns, was Mädchen sind und schauen.

      Mädchen gewesen sein: dass es das gibt.

      Als sagte Eine: einmal war ich dies

      und zeigte Dir ein Halsband von Türkis

      auf welkem Sammte; und man sieht noch, wie’s

      getragen war, verloren und geliebt.

      DU DUFTEST AUS DIR HINAUS

      Du duftest aus Dir hinaus,

      schon schwindelt von Dir den Sternen.

      Heute lass mich die Fernen

      weghalten und wie ein Haus

      warm sein um Dich und zu.

      [Wohn in mir diese Nacht

      wach in mir und gib acht]

      DER DUFT

      Wer bist Du, Unbegreiflicher: Du Geist,

      wie weißt Du mich von wo und wann zu finden,

      der Du das Innere (wie ein Erblinden)

      so innig machst, dass es sich schließt und kreist.

      Der Liebende, der eine an sich reißt,

      hat sie nicht nah; nur Du allein bist Nähe.

      Wen hast Du nicht durchtränkt als ob Du jähe

      die Farbe seiner Augen seist.

      Ach, wer Musik in einem Spiegel sähe,

      der sähe Dich und wüsste, wie Du heißt.

      EHE

      Sie ist traurig, lautlos und allein.

      Sieh, sie leidet. Deine Nächte legten

      sich auf ihre leisen leicht erregten

      Nächte wie ein stürzendes Gestein.

      Hundertmal in Deiner dumpfen Gier

      warst Du ihr Vergeuder und Vergifter;

      aber dass Du einmal wie ein Stifter

      still und dunkel knietest neben ihr

      macht Dich männlich und geht aus von Dir.

      INITIALE

      Aus unendlichen Sehnsüchten steigen

      endliche Taten wie schwache Fontänen,

      die sich zeitig und zitternd neigen.

      Aber, die sich uns sonst verschweigen,

      unsere


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