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      »Wirklich.« Miriam rang um ihre Fassung.

      »Wir haben seit gestern ein gemeinsames Kind.«

      »Ihr habt was?«

      Ich will nicht bösartig sein, aber ich muss zugeben, es gefällt mir, dich endlich einmal sprachlos zu sehen, dachte Anna, als Miriam nach Worten suchte.

      »Habt ihr zu viel von dem neuen Bier der Brauerei Schwartz getrunken oder was ist mit euch los?«, machte sich Miriam Luft, nachdem sie sich wieder gefangen hatte.

      »Nein, wir haben uns an Traudels Prosecco bedient, um auf unser gemeinsames Patenkind anzustoßen«, klärte Sebastian sie mit einem charmanten Lächeln auf.

      »Das war der Notfall, verstehe. Sabine hat Nummer vier auf die Welt gebracht, richtig? Mein Vater hat mir erzählt, dass ein Rettungshubschrauber in der Nacht unterwegs war. Er meinte, er sei in der Nähe des Mittnerhofes gelandet. Womit er dann wohl recht hatte. Was war denn los, warum musste der Hubschrauber kommen?«

      »Sabine und dem Kind geht es gut, ich habe vorhin mit dem Krankenhaus telefoniert«, sagte Sebastian, was aber mehr an Anna als an Miriam gerichtet war.

      »Das ist eine wunderbare Nachricht.« Anna atmete erleichtert auf. »Hast du auch mit deiner Familie gesprochen?«, wollte sie wissen, weil er ihr in der Nacht erzählt hatte, dass er sich Sorgen um sie gemacht hatte.

      »Ja, habe ich, es ist alles in Ordnung. Emilia hat mir eine freudige Überraschung angekündigt, was immer das bedeuten soll.«

      »Um noch einmal auf den Notfall zurückzukommen. Es stimmt wohl doch nicht, was man sich so erzählt, dass man bei dir in guten Händen ist. Sonst hättest du nicht einen Arzt hinzuziehen müssen.«

      Miriam sah Anna mit vorwurfsvoller Miene an.

      »Setze keine Gerüchte in die Welt, Miriam. Wenn dich Sabine wirklich interessiert, dann besuche sie und sprich mit ihr«, forderte Sebastian sie auf.

      »Ich muss dann auch los.« Anna holte ihren Rucksack aus der Diele und setzte ihn auf. Ihr täglicher Bedarf an Miriams Gesellschaft war bereits gedeckt.

      »Du willst keinen Kaffee mehr?«, fragte Sebastian enttäuscht.

      »Ein anderes Mal gern. Ich wünsche euch einen schönen Tag.«

      »Den wünschen wir dir auch«, entgegnete Miriam mit einem gönnerhaften Lächeln.

      Schade, ich hatte mich darauf gefreut, noch eine Weile mit dir zusammen zu sein, dachte Sebastian und schaute Anna nach, wie sie ihr Fahrrad aus dem Wintergarten holte, ihren Helm aufsetzte und zur Straße hinunterfuhr.

      »Was ist nun mit dem Kaffee?«, quengelte Miriam.

      »Komm rein, ich möchte ohnehin mit dir reden«, sagte er und hielt ihr die Tür auf.

      *

      Anna musste unwillkürlich schlucken, als sie auf die Straße einbog und sich noch einmal umdrehte. Das Haus mit den grünen Fensterläden, der gepflegte Rasen, der Steingarten, sie hatte dieses Anwesen schon immer gemocht, aber jetzt war es das Haus, in dem er wohnte, Sebastian Seefeld, dessen Nähe sie so sehr in Aufregung versetzte.

      Ich muss mich zusammenreißen, die letzte Nacht war eine Ausnahmesituation. Sobald wir beide richtig ausgeschlafen haben, wird sich der verschwörerische Zauber, der uns für ein paar Stunden einander nahe gebracht hat, wieder verflüchtigen. Und den Rest wird Miriam erledigen. Miriam, deren Vater im Stadtrat saß und gute Chancen hatte, die nächste Bürgermeisterwahl zu gewinnen. Miriams Familie und die Seefelds kannten sich seit Generationen, sie war die Fremde aus der Stadt, die noch einen langen Weg vor sich hatte, bis sie dazu gehörte. Nein, so durfte sie nicht denken. Es gefiel ihr doch in Bergmoosbach. Die hellen sauberen Häuser mit ihren roten Dächern, die sich umgeben von saftig grünen Wiesen vor der kleinen Barockkirche mit ihrem Zwiebelturm ausbreiteten.

      »Grüß dich, Anna!«, rief eine Frau, die mit einem Kinderwagen an einem Zebrastreifen stand und sie freundlich vorbeiwinkte. »Das war gerade unsere Anna, die dir auf die Welt geholfen hat, Mäxchen«, sagte sie und schaute ihr Baby an, bevor sie der jungen Frau mit dem rosa Helm und dem hellblauen Rucksack nachsah, die mit ihrem pinkfarbenen Fahrrad die Apotheke ansteuerte.

      Das weiße Gebäude mit den grau weißen Fensterläden und dem Walmdach war seit drei Jahren Annas Zuhause. Im ersten Stock über dem Laden hatte sie ihre Praxis untergebracht und in dem gemütlichen Appartement unter dem Dach wohnte sie.

      Sie stellte ihr Fahrrad im Hof ab, betrat das Haus durch den Hintereingang und lief die hellblaue Holztreppe hinauf. In ihrer Wohnung angekommen legte sie den Rucksack in der Diele ab, schlüpfte aus ihren Schuhen und öffnete die Fenster. Gleich darauf zog der Duft von frisch gemähtem Heu herein. Anna liebte ihr kleines Paradies, das größere Zimmer mit dem gelben Sofa und der Kommode aus glänzendem Ahornholz, das kleinere mit dem blauen Polsterbett und das Bad mit den dunklen Fliesen und den Messing­armaturen, die so elegant wirkten. Der­ Mittelpunkt aber war die Küche mit den roten Einbauschränken und dem Balkon, den sie mit Rosenbäumchen und Margeritenstämmchen geschmückt hatte, die sie vor neugierigen Blicken schützten, wenn sie die Nacht auf der Liege verbrachte, die sie dort aufgestellt hatte. Anna mochte es, wenn sie mit dem Blick an den Sternenhimmel einschlafen konnte.

      »Ich darf mich nicht in ihn verlieben«, flüsterte sie, als sie zum Haus der Seefelds hinüberschaute und einen Stich in der Magengrube verspürte. Ob Miriam noch dort bei ihm war?

      *

      »Papa!« Emilia stürmte ins Haus, als sie mit ihrem Großvater und Traudel von ihrem Ausflug zurückkam. »Du hast Besuch?« Enttäuscht blieb sie in der Terrassentür stehen, als sie Miriam sah, die mit Sebastian auf der Terrasse saß und Kaffee trank.

      »Nicht so schüchtern, setz dich zu uns, wir kennen uns doch schon«, sagte Miriam.

      »Ich bin nicht schüchtern, ich möchte nur mit meinem Vater allein sprechen.«

      Demnächst kreuzt du noch jeden Tag hier auf, dachte Emilia und betrachtete Miriam mit einem abschätzenden Blick. Sie konnte sich noch gut an ihr erstes Zusammentreffen mit ihr erinnern. Sie waren gerade einmal zwei Stunden in Bergmoosbach, da stand sie schon vor der Tür und führte sich auf, als sei ihr lieber Sebastian, wie sie ihn ständig nannte, von einem anderen Planeten zurückgekehrt. Dass du vor ewigen Zeiten mal mit Papa zusammen warst, bedeutet nicht, dass du ihn nun ständig bekletten kannst, dachte Emilia.

      »Was willst du mir sagen, Schatz?«, fragte Sebastian und sah seine Tochter an, die wie immer in ihrer geliebten Jeans und dem T-Shirt ihres Fußballvereins unterwegs war.

      »Wir haben etwas mitgebracht.«

      »Du sprichst von der Überraschung?«

      »Ja, allerdings, komm mit, ich möchte sie dir zeigen.«

      »Darf ich auch mitkommen?«, fragte Miriam mit unschuldigem Augenaufschlag.

      »Wie gesagt, ich möchte mit meinem Vater allein sein«, wiederholte Emilia und ließ Miriam ihre Abneigung spüren.

      »Nun, dann möchte ich diese traute Zweisamkeit nicht stören. Auf bald.«

      »Denke bitte darüber nach, worüber wir gerade gesprochen haben, Miria­m«, bat Sebastian sie. Der ein­zige Grund, warum er sich überhaupt die Zeit genommen hatte, mit ihr Kaffee­ zu trinken, war der, dass er ihr klar machen wollte, dass es ihr nicht zustand, über Annas Arbeit zu urteilen.

      »Ich denke über alles nach, was du gesagt hast«, versicherte sie ihm. Insbesondere darüber, wie ich deinen Blick von der braven kleinen Anna wieder loseise. Ich will dich, und ich bekomme dich, das ist der Plan, dachte sie, während sie Sebastian und Emilia noch einmal freundlich zunickte. Gleich morgen wollte sie Sabine im Krankenhaus besuchen und vielleicht, wenn sie ein bisschen Glück hatte, würde sie etwas ausplaudern, was sie gegen Anna verwenden konnte.

      »Was ist denn nun die Überraschung?«, wandte sich Sebastian seiner Tochter wieder zu.

      »Versprich mir zuerst, dass du nicht sauer bist, auch nicht


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