Harry Piel sitzt am Nil. Gerhard Henschel

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Harry Piel sitzt am Nil - Gerhard Henschel


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gegen die Juden ging stets ihre Schmähung voraus. »In ihrer Schamlosigkeit übertreffen sie sogar Schweine und Ziegen«, erklärte der Kirchenvater Johannes Chrysostomos im vierten Jahrhundert. Sie seien »voller Trunkenheit und Fettleibigkeit«, nähmen das Joch Christi nicht und zögen nicht den Pflug der Lehre: »Solche Tiere aber, die zur Arbeit unnütz sind, sind reif zur Schlachtung. So geht es auch ihnen: Sie haben sich für die Arbeit als unnütz erwiesen und sind deshalb reif zur Schlachtung geworden.« Für den heiligen Bischof Hilarius von Poitiers waren die Juden »ein Schlangengezücht und Knechte der Sünde«, der syrische Kirchenvater Ephräm ereiferte sich über den »Gestank der stinkenden Juden«, Augustinus nannte sie »eine triefäugige Schar« und »aufgerührten Schmutz«, und Papst Leo der Große, der von 440 bis 461 amtierte, verdammte »die fleischlich gesinnten Juden« als Frevler, Gottlose und »brüllende Raubtiere«.

      Jahrhundertelang wurde der Vorwurf wiederholt, daß die Juden unrein, teuflisch oder tierisch seien. »Ich weiß wirklich nicht ob der Jude ein Mensch ist, weil er weder der menschlichen Vernunft weicht noch sich mit der göttlichen oder eigenen Satzungen zufrieden gibt«, stellte im zwölften Jahrhundert Petrus Venerabilis fest, der Großabt von Cluny. Wenn die Juden aber nicht als Menschen galten, war es kein Verstoß gegen das Gebot der Nächstenliebe, sie zu demütigen, zu berauben, zu vertreiben, zu ermorden oder wenigstens davon zu phantasieren, so wie der Verfasser des Frankfurter Passionsspiels, der in der Mitte des 14. Jahrhunderts dem König Herodes die Worte in den Mund legte: »man sulle die Judden alle hencken! / sie haben mir gethan vil vertrieß, / darumb ich sie todten ließ«. Noch ärger zog der Meistersinger Hans Folz im späten 15. Jahrhundert in seinen heiteren Fastnachtsspielen über die Juden her: »Die kinder gotes das sint doch wir, / Die giftigen würm das seit ir«, reimte er und bezeichnete sie als »unzifer« und »pluthunt«. In seinem Stück »Ein spil von dem herzogen in Burgund« ließ er eine ganze Reihe von Figuren Gericht über die Juden halten und die bestmöglichen Strafen erwägen. Ein Ritter schlägt vor, die Juden nackt auszuziehen und auf ihre Mutter zu binden, und ein anderer Ritter greift diesen Vorschlag auf – man solle sie nackt in eine Latrine setzen, einen Tag lang auf sie defäkieren und sie dann zufrieren lassen:

      Ich urtail, das man sie alle jar

      Ganz ploß und nacket ziehe auß,

      Setz ieden unter ein scheißhaus

      Und ließ ein Tag auf sie schmaliern

      Und darnach gar rein uberfriren.

      Diese Sülze fräße der Teufel gern, sagt daraufhin eine Närrin. Es folgt der Vorschlag, den Inhalt der Latrine in einen Schweinetrog zu füllen und von den Juden verzehren zu lassen (»Maul auf, lecker! Sprich: Mum mum!«), und ein weiterer Ritter entwickelt den Plan, die Juden an den Zitzen einer Sau saugen zu lassen und den Kot der Sau verschlingen zu lassen.

      Damit hatte Hans Folz alles bisher Dagewesene an Dreckigkeit überboten. Wenn der Begriff des Schweinischen jemals etwas gedeckt hat, dann hier. Erst Martin Luther gelang es, diesen Versen etwas Ebenbürtiges an die Seite zu stellen. In seiner Hetzschrift »Von den Jüden und jren Lügen« zog er 1543 gegen die »verdampten Jüden« zu Felde und riet ihnen, die Exkremente von Schweinen zu schlucken: »Seid jr doch nicht werd. das jr die Biblia von aussen sollet ansehen. schweige, das ir darinnen lesen sollet. Jr soltet allein die Biblia lesen, die der Saw unter dem Schwantz stehet, und die buchstaben, so da selbs herausfallen, fressen und sauffen.«

      Es ist keine Entschuldigung, daß er an Hämorrhoiden, Nierensteinen, Blutstuhl und Durchfall litt. Ein Mann von Luthers geistigen Kapazitäten hätte es sich nicht erlauben dürfen, seine Wut, auf wen auch immer, im Stil eines besoffenen Schweinehirten zu artikulieren und das Gepolter auch noch in Druck zu geben. Doch das hat er getan, und er hat die gesamte Christenheit zum Haß aufgestachelt:

      Wenn du sihest oder denckest an einen Jüden, So sprich bey dir selbs also: Sihe, Das maul, das ich da sehe, hat alle Sonnabent meinen lieben Herrn Jhesum Christ, der mich mit seinem theuren Blut erlöset hat, verflucht und vermaledeit und verspeiet, dazu gebettet und geflucht fur Gott, das ich, mein Weib und Kind und alle Christen erstochen und aufs iemerlichst untergangen weren, wolts selber gern thun, wo er kündte, das er unser güter besitzen möchte, Hat auch villeicht heute dieses tages viel mal auff die Erden gespeiet uber den Namen Jhesu (wie sie pflegen), das jm der Speichel noch im Maul und Bart henget, wo er raum hette zu speien. Und ich solte mit solchem verteufelten maul essen, trincken oder reden, So möcht ich aus der schüssel oder kannen mich voller Teufel fressen und sauffen, als der ich mich gewis damit teilhaftig machet aller Teufel, so in den Jüden wonen und das theure blut Christi verspeien.

      Und er wurde noch deutlicher: Man müsse die Juden verjagen wie tolle Hunde.

      Der zuständige Obervogt handelte also ganz in Luthers Sinn, als er den Juden von Pforzheim im Jahre 1726 verbot, sich während der Ostertage auf der Straße blicken zu lassen; sollten sie es dennoch tun, würden sie acht Tage lang in einen Schweinestall gesperrt und mit Saudreck beworfen: Eine Strafandrohung, hinter der sich mehr schlecht als recht die Lust verbirgt, tatsächlich mit beiden Händen im Schweinekot zu wühlen und andere Menschen damit zu bewerfen. In Deutschland wurden solche Wahnträume furchtbare Wirklichkeit, als die SA Jüdinnen dazu zwang, mit ihren Blusen Kot aufzuwischen, und die SS Juden in Jauchegruben ertränkte.

      Ein vielgelesener Vorläufer der Nationalsozialisten war Hartwig Hundt-Radowsky. In seinem »Judenspiegel« faßte er 1819 alle umlaufenden Vorurteile zusammen:

      Heimtückische lauernde Arglist, schmutziger Geiz und Wuchersinn ein unbesieglicher Hang zu Betrügereien und Ränken, Neid, eitler Hochmuth verbunden mit sklavischer, schmarotzender Kriecherei, Wollust, unerbittliche Rachgier und Grausamkeit, trotziges Prahlen im Glück und verzagte Feigheit im Unglück: dies waren und sind, und werden ewig die Grundbestandtheile des jüdischen Volkscharakters sein. Hiezu kömmt noch ihr specifischer Geruch, den sie durch ihre unnatürlichen Laster, als ein Allen gemeinschaftliches Erbgut, erworben haben, und der ihnen so häufig in der heiligen Schrift mit den Worten: ihr habet euch stinkend gemacht mit euren Sünden! vorgerückt wird.

      Er halte »die Tödtung eines Juden weder für Sünde, noch für ein Verbrechen, sondern blos für ein Polizeivergehen«, schrieb er, und dann gönnte er sich einen politischen Tagtraum von Deportation und Vernichtung:

      Mit einigen Tausend Kanonen, könnte man das Ungeziefer über die Türkei bequem fortschüppen, Abrahams Nachkommen würden ihre beschnittenen Halbbrüder, die Ismaeliten gleichfalls weiter schieben, und wir hätten Constantinopel ohne einen Tropfen Christenbluts dann wieder erobert.

      Um ihre Sitten zu verbessern, und den Schacherteufel ihnen auszutreiben, müßte man nur Napoleon Bonaparte von Helena zurückberufen und ihn zum Könige der Juden ernennen. Hoffentlich würde er sie fleißig zu Kriegen gegen die Türken gebrauchen, wodurch ihr Muth wieder gestählt würde, und vielleicht könnten sie auf diese Weise ganz von der Erde vertilgt werden, ohne daß man nöthig hätte, selbst Hand an sie zu legen.

      Hundt-Radowsky hatte dem Rassenantisemitismus gründ­lich vorgearbeitet, dem der Orientalist Paul de Lagarde 1887 in seinem Buch »Juden und Indogermanen« eine Stimme gab:

      Es gehört ein Herz von der Härte der Krokodilshaut dazu, um mit den armen ausgesogenen Deutschen nicht Mitleid zu empfinden und – was dasselbe ist – um die Juden nicht zu hassen, um diejenigen nicht zu hassen und zu verachten, die – aus Humanität! – diesen Juden das Wort reden oder die zu feige sind, dies Ungeziefer zu zertreten. Mit Trichinen und Bazillen wird nicht verhandelt, Trichinen und Bazillen werden auch nicht erzogen, sie werden so rasch und so gründlich wie möglich vernichtet.

      Dieser Aufruf zum Völkermord konnte unzensiert erscheinen, während Gustave Courbets Gemälde einer Vulva – »Der Ursprung der Welt« – in einer Privatsammlung versteckt werden mußte. Heute aber hängt es öffentlich aus, im Musée d’Orsay in Paris, und Paul de Lagarde ist geächtet. Da können sich die Taliban auf den Kopf stellen.

       *

      Frauen, die auf Anstand hielten und den Anblick ihres eigenen nackten Körpers vermeiden wollten, wurde in der Biedermeierzeit


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