Pink Floyd. Mark Blake

Читать онлайн книгу.

Pink Floyd - Mark  Blake


Скачать книгу
in jenem Sommer gerade sein Medizinstudium abgeschlossen und machte sich nun einen Namen als Londons hipster Arzt. „Es gab da diese Idee, Syd zum ‚lieben Onkel Doktor‘ zu schicken“, erzählt Hutt heute. „Schließlich wusste ich ja alles über Drogen und nahm sie auch selbst, ohne dabei aus dem Ruder zu laufen.“

      Hutt hatte sich inzwischen eine Finca auf Formentera gemietet. Die Insel repräsentierte für all jene, die es nicht in den Osten verschlug, das westliche Ende ihrer Hippie-Route. Syd und Lindsay, Richard und Juliette, Sam, dessen Frau und ihr junger Sohn begaben sich schließlich für zwei Wochen dorthin. Später schlossen sich auch noch Roger und Judy Trim an, die aber auf dem benachbarten Ibiza wohnten. Der Plan bestand darin, Barrett „zurückzuholen“, ihn dazu zu bewegen, Gitarre zu spielen, sich in der Sonne zu entspannen und das Leben zu genießen. Syd folgte diesen Vorgaben pflichtbewusst und schien während des Urlaubs phasenweise recht zufrieden. Allerdings gab es da auch einen Haken, wie sich Hutt erinnert: „Er zog sich ständig LSD rein.“

      Die mediterrane Idylle wurde auch regelmäßig von Gewittern heimgesucht, was nicht gerade dazu beitrug, Syds angeschlagene Psyche zu schonen. „Das Wetterleuchten hinter den Wolken erhellte den ganzen Himmel“, erinnert sich Hutt. „Auch wenn man nichts genommen hatte, konnte einen das in Aufruhr versetzen. Nun füge dieser Gleichung noch Acid hinzu: Syd ging im wahrsten Sinne des Wortes die Wände hoch. Er krallte sich in die Wand, während er sich vom Boden lösen wollte.“

      „Ich fand es total beschissen.“ Pete Townshend von The Who gehörte zu jenen, die The Piper at the Gates of Dawn nach seiner Veröffentlichung im August nicht vom Hocker reißen konnte. Townshend bemängelte in erster Linie, dass die Platte der Live-Show der Gruppe und der für sie typischen „Wall of Sound“ nicht gerecht wurde. Doch Norman Smith hatte nur getan, worum man ihn gebeten hatte. Er hatte die exzessiveren Seiten der Band abgeschliffen und Peter Jenner dabei geholfen, seinen Traum von einer Avantgarde-Popgruppe zu verwirklichen. Nur zwölf Monate zuvor hatte Pink Floyds Repertoire noch Songs wie „Louie Louie“ umfasst. Doch auf ihrem ersten Album war kaum noch etwas vom Blues-Einfluss der Band zu hören. Richard Wrights Vorlieben für klassische Musik und Jazz scheinen an dessen Stelle gerückt zu sein, wobei sein Keyboard die Lücken füllte, an denen üblicherweise eine Leadgitarre zu hören gewesen wäre, wodurch die Platte über weite Strecken hinweg eine sinistre Unterschwelligkeit erhielt. Auch wenn Songs wie „Bike“, „The Gnome“ und „Flaming“ um Kinderreime herum entstanden zu sein schienen („Watching buttercups come to life … sleeping on a dandelion“), vermittelten „Matilda Mother“ und „The Scarecrow“ doch auch eine gewisse Bedrohlichkeit – wie vertonte Märchen der Gebrüder Grimm. „Lucifer Sam“ wird erfüllt von einem Sixties-Agentenfilm-Thema. Auch findet darin Jenny Spires in Gestalt von „Jennifer Gentle“ Erwähnung.

      Nächtliche I Ging-Sessions in der Earlham Street fanden ihren Niederschlag in „Chapter 24“, das von dröhnenden Keyboards und Percussion getragen wird, während die Band zusätzlich noch Gebrauch von den abstrusen Musikinstrumenten machten, die so im Studio herumlagen. „Interstellar Overdrive“ und „Astronomy Domine“ waren hingegen in einer tristeren, lärmigeren Ecke angesiedelt. Zweiterer Song ähnelte in den Worten Nick Masons dem, „was Roy Lichtenstein in seine Bilder einfließen ließ“. Er klang, als ob Pop Art und Science Fiction zu einem Rocksong kombiniert worden wären – ein Eindruck, der noch dadurch verstärkt wurde, dass Peter Jenner durch ein Megaphon aus einem Kinderbuch über die Planeten astronomische Koordinaten vorlas, während Roger Waters primitive Bassläufe beisteuerte.

      Während Barretts Songs einen wehmütigen, kindlichen Charme verbreiten, wirken „Pow R. Toc H.“ und das alleinig von Waters komponierte „Take Up Thy Stethoscope and Walk“ mittlerweile wie grobe Muster späterer Songs des Bassisten. Sowohl die fieberhafte Andeutung von Wahnsinn als auch das wilde Geheul sollten auf Dark Side of the Moon und Animals erneut zum Einsatz kommen.

      Syds märchenhafte Beiträge zum Album trafen den Nerv derjeniger, die ebenso aus Cambridge stammten. „Alles erinnerte einen stark an Cambridge“, meint etwa Seamus O’Connell. „Als wir diese außergewöhnlichen Songs zum ersten Mal hörten, etwa ‚Bike‘, fiel uns allen diese Verbindung auf.“

      „Ich vermutete immer schon, dass Syds Kindheit auf sonderbare Art und Weise nie zu Ende gegangen war“, sagt Anthony Stern. „Deshalb fand sich das auch alles in seiner Musik wieder. Die Kindheit war eine idyllische Zeit und ich denke, er fand die Vorstellung, erwachsen zu werden und sich mit der Welt der Eltern auseinanderzusetzen, als ernsthaft beängstigend.“

      Für Sue Kingsford ist Syds Verlangen nach seiner Heimatstadt nur allzu vertraut. „Wenn er nicht in Cambridge war, bewegte er sich außerhalb seiner Wohlfühlzone“, vermutet sie. „Wir beide fuhren an den Wochenenden nachhause. Ich erinnere mich daran, wie wir eines Nachts in der Cromwell Road gemeinsam auf LSD waren. Syd, der stundenlang kein Wort gesagt hatte, fragte plötzlich: ‚Fährst du am Wochenende heim?‘ Ich bejahte dies, woraufhin er antwortete: ‚Weißt du, das ist alles, was ich tun möchte. Einfach heimfahren.‘“

      So wie auch Sgt. Pepper stand Pink Floyds Debüt-LP repräsentativ für das Jahr 1967 und entfaltete seine Wirkung auch auf nachfolgende Generationen von Hörern. Die Kritiker meinten es gut mit dem Album, obwohl einige der „irren Sounds“, wie sie der Record Mirror bezeichnete, für viele Pop-Fans ihrer Zeit noch etwas voraus gewesen seien.

      Fotograf Vic Singh, der verpflichtet worden war, das Cover-Foto der Band zu schießen, ist sich ebenso nicht ganz sicher. „Ihre Musik wirkte fremd und ziemlich surreal“, sagt er heute. „Als ich sie zum ersten Mal hörte, dachte ich, dass das nie funktionieren würde.“ Singh, der sich damals ein Studio unter anderem mit David Bailey teilte, war ein angesagter Society-Fotograf, der mit George Harrison befreundet war. „George hatte eine Prisma-Linse geschenkt bekommen, wusste aber nicht, was er damit anfangen sollte, weshalb er sie mir gab.“ Singh wies Jenner und King an, alle Boutiquen, die sie kannten, nach bunten Klamotten zu durchstöbern, in die sie die Band stecken sollten. Dieses eine Mal schien sogar Syd sich gerne an Spielregeln zu halten. Vic gelang es, die Band „mithilfe von ein paar Joints und ein paar Shots Scotch im Kaffee“ ein wenig aufzulockern, bevor er „einfach drauflos fotografierte“. Die Spezial-Linse des „stillen Beatles“ teilte das fertige Bild und verdoppelte somit die Floyds. „Es war ungewöhnlich und anders – und sie waren begeistert vom Resultat“, erzählt Singh. „Und Syd steuerte für die Rückseite des Covers sogar eine kleine Zeichnung bei.“ The Piper at the Gates of Dawn sollte eines der wenigen Pink-Floyd-Studioalben sein, welches die Gruppe auf der Vorderseite des Covers zeigte.

      Vic Singhs Erfahrungen mit Syd standen im krassen Kontrast zu dem, was Andrew Whittuck mit ihm mitmachen musste. Der freiberufliche Fotograf, der in jenem Sommer auch die Beatles und den Maharishi in London ablichtete, fotografierte Pink Floyd sowohl in den Abbey Road Studios als auch im Haus seiner Eltern. „Ich hatte ja zusammen mit Nick Mason die Grundschule in Hampstead besucht“, erzählt er heute. „Allerdings waren wir beide zu cool, das Thema zur Sprache zu bringen.“ Die Band traf mitsamt einem Roadie und ihrer Beleuchtungsapparatur ein und baute diese in Whittucks Schlafzimmer auf: „Sie spielten mir ihr Album vor, das anders war als alles, was ich jemals gehört hatte. Sie sprachen auch viel über den Komponisten Stockhausen, der es anscheinend echt draufhatte, und machten sich alle im Zimmer meines Bruders breit. Syd schlief praktisch in einem Eck zwischen Bett und Tür, in das er sich hineingequetscht hatte. Irgendwann kam meine Mutter zur Türe herein, sah ihn und verkündete: ‚Der Junge sieht aus, als könnte er eine starke Tasse Tee vertragen.‘ Sie machte sich auf den Weg und holte ihm eine. Natürlich war mir das peinlich, aber – um fair zu sein – Syd wurde daraufhin tatsächlich ein wenig lebhafter.“

      Pink Floyd zogen mittlerweile die Aufmerksamkeit der Musikpresse auf sich, doch bei den damaligen Interviews waren es vor allem Waters und Mason – und nicht der Leadsänger –, die als Wortführer in Erscheinung traten. „Ich lüge und bin ziemlich aggressiv“, erklärte Roger im Gespräch mit Disc and Music Echo. „Ich will erfolgreich sein und für alles, was ich tue, geliebt werden“, verkündete Nick im selben Interview. Im Gegensatz dazu gab sich Barrett zurückhaltender und weniger wortreich. „Unsere Musik gleicht einem abstrakten Gemälde“, erklärte er in einem kurzen Augenblick der Erkenntnis. „Sie soll


Скачать книгу