Das Tagebuch der Mademoiselle S.. Anonym

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Das Tagebuch der Mademoiselle S. - Anonym


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Unannehmlichkeiten sind immer Folgen eines Geheimnisses, um welches mehr als zwei wissen. Da der junge Graf eben alles genießen konnte, was ihm einfiel, so wurde er endlich des Verhältnisses überdrüssig, ersichtlich kälter, wohl auch erschöpft bei zwei so verlangenden Frauen. Kurz, er verließ Genf nach ziemlich kaltem Abschiede. Von diesem Augenblicke an suchte die Baronin Marguerite los zu werden und bald genug war eine Entzweiung herbeigeführt. Marguerite hatte von der Baronin und dem Grafen in kurzer Zeit über 3.000 Francs geschenkt bekommen, beging aber die Torheit, auch dieses Geld dem Vormunde zur Verwaltung für sie zu übergeben. Einige Zeit lebte sie unabhängig bei einer Freundin, die früher Erzieherin gewesen war und erhielt von dieser Unterricht, weil sie die Idee hatte, nach Rußland zu gehen, wo Schweizer Gouvernanten schon oft ihr Glück gemacht haben. Die Veränderung ihrer Verhältnisse war aber zu plötzlich gewesen, als daß sie sich in dem stillen Hause ihrer Verwandten unter ernsten Studien hätte vollkommen glücklich fühlen können. – Sie hatte dort bei der Baronin alles gehabt, was sie in ihrer Lebensstellung irgend wünschen konnte. Ja, sie hatte sehr vieles mehr gehabt, als Mädchen überhaupt gefahrlos haben können und das hatte sie verwöhnt! Gewisse Dinge waren ihrem Körper zur Notwendigkeit geworden und sie entbehrte nicht allein den Umgang mit dem jungen, schönen Grafen, sondern auch die vertraulichen Spielereien mit der Baronin. Das machte ihr in den ersten Monaten viele unruhige Nächte und aufregende Träume. Das Hilfsmittel, welches ihr die eigene Hand bot, gewährte nur schwachen Ersatz, und vergebens sah sie sich nach einer Bekanntschaft um, von der sie nichts zu fürchten gehabt hätte, denn sie konnte doch die Bedingungen, welche sie dem Grafen gestellt und durch ganz besondere Verhältnisse begünstigt, stellen durfte, keinem anderen Manne stellen. Nie gesteht ein Mädchen ihre Bekanntschaft mit Dingen ein, die sie bei Männern herabsetzen könnten. Unter Büchern und Karten verlebte sie fast ein Jahr lang ein sehr einsames und freudloses Leben. Es war in ihrem Innern etwas lebendig und verlangend geworden, was sich nicht mehr abweisen ließ und manchmal so gebieterisch auftrat, daß es sich namentlich in der Nacht in unruhigen und wollüstigen Träumen sehr bemerklich machte. – Endlich machte sie in einer Badeanstalt die Bekanntschaft einiger junger Mädchen, mit denen sich bald ein ähnliches vertrauliches Verhältnis entwickelte, als sie es mit der Baronin gehabt. Allerlei Neckereien, neugieriges Plaudern und Belehren über verborgene Dinge und Versuche führten bald zwischen zweien, dann zwischen mehreren die lüsternsten Vergnügungen herbei. Jede ließ sich belehren und stellte sich so unwissend als möglich, wenn sie es auch selbst schon oft genug versucht und Ursache wie Wirkung ganz genau kannte. So glaubten die anderen, Marguerite belehrt zu haben, während diese sie stufenweise zu allem führte, was sie so genau kennengelernt. Je unbelauschter, verschwiegener und vergnügender diese Zusammenkünfte und Vertraulichkeiten unter den Mädchen aber waren, je wacher riefen sie das Begehren der so verwöhnten Marguerite. Da machte sie die Bekanntschaft des Bruders einer ihrer Freundinnen, eines ebenso schönen als gebildeten und in jeder Beziehung liebenswürdigen jungen Mannes. Vom ersten Augenblicke an zeigte er das Bestreben, ihr zu gefallen. Mit der ganzen Scheu und Unbeholfenheit eines jungen Mannes, der sich zum ersten Male zu einem Mädchen hingezogen fühlte und dem dunklen, aber mächtigen Naturtrieb folgen muß, näherte er sich Margueriten, die genug zu tun hatte, um nur die Ungeschicklichkeiten dieser Annäherung weniger auffallend zu machen. Wie gern wäre sie seinen letzten, ihm noch ganz unbewußten Wünschen entgegengekommen, wenn sie nur ein Mittel hätte erdenken können, ihn zu einer ähnlichen Verpflichtung unaufgefordert zu bestimmen, wie der Graf seinen beiden Geliebten gegenüber sie eingehen mußte. Charles war auf dem Lande erzogen, vollkommen unwissend in allen solchen Dingen und eine hohe Sittlichkeit lag in allem, was er sprach und tat. Marguerite lernte nun auch die Liebe kennen und kämpfte vergebens gegen die Macht derselben an. Sie hatte geglaubt, schon alles zu wissen, schon alles kennengelernt zu haben und daher gegen ihre Herrschaft gewaffnet zu sein! Wie sanken alle Vorsätze, alle Klugheiten vor der Gewalt des ersten Kusses zusammen! Wie wehrlos fühlte sie sich den anfangs schüchternen Berührungen des Geliebten gegenüber! Sie waren so schüchtern, daß sie ihm entgegenkommen mußte, ohne merken zu lassen, daß sie das tat. Aber wie schnell treibt die Natur auch den Unwissendsten, den Tugendhaftesten auf dem gefährlichen Pfade weiter, wenn er einmal betreten ist! – Es machte der erfahrenen Marguerite ein ganz unbeschreibliches Vergnügen, wie sie sah, was der so liebenswürdige, unerfahrene junge Mann alles tat, um zu dem ihm noch unbekannten Ziele zu kommen. Sie fühlte sich diesen oft ungeschickten Anstrengungen gegenüber so überlegen, daß sie glaubte, sie würde im Momente der wirklichen Gefahr die Kraft haben, den schon bei der nur äußeren Berührung zwischen den beiden entscheidenden Punkten halb sinnlosen Geliebten an der Vollendung, dem Ausströmen des Samens in ihren Schoß zu hindern, und gestattete endlich das Eindringen der Spitze. Aber sie hatte nicht bedacht, wie nun auch bei ihr jeder Nerv, jedes Fältchen ihres Innern der Vereinigung entgegendrängte und wie schwach das Weib gegen einen wirklich geliebten Mann ist, wenn er erst mit dem Inbegriff seiner Kraft ihr Inneres erwärmt. In übermäßiger Wollust vergaß sie jeden Widerstand, jeden Vorsatz und plötzlich fühlte sie den elektrischen Schlag des Hineinströmens eines heißen Strahls, der ihr ganzes Inneres ausfüllte. Es war geschehen! Vergebens versagte sie jede Wiederholung, vergebens hoffte sie, daß dieser eine unbewachte Augenblick nicht geschadet haben würde. Das Ausbleiben ihrer Regel zeigte ihr, daß das Unglück geschehen, ihre Ehre verloren, ihre Zukunft vernichtet sei. Von dem Augenblicke an, wo sie Gewißheit über ihren Zustand hatte, gewährte sie dem Geliebten zwar wieder alle Rechte eines Gatten und genoß drei Monate lang ungestört das höchste irdische Glück; dann aber traten die Schläge des Schicksals in wahrhaft betäubender Folge über sie herein. Der Vormund machte bankerott und floh mit ihrem ganzen Vermögen nach Amerika; ihr Geliebter erkrankte und starb; sie wurde in Schimpf und Schande aus dem Hause gejagt, kam in Schimpf und Schande in einem Dorfe nieder und verlor nach zwei Jahren der schwersten Leiden und Entbehrungen auch ihr Kind durch den Tod, bis sie schließlich in Deutschland ein Unterkommen als Gouvernante fand.

      Wie eindringlich warnte sie mich vor jenem einen unbewachten Augenblick!

      Alles hatte Marguerite mir aufrichtig und wahr erzählt. Mit welchem Instrument sie aber noch jetzt die Erinnerung an jene Zeit wachrief, das hatte sie mir doch verschwiegen.

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