Die Spürnase. Anonym

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Die Spürnase - Anonym


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Gräfin war eine Beante ersten Ranges. Keine neunzehn Jahre war sie alt, eine hohe, schlanke Blondine mit feurigen, blauen Augen und von einer bezaubernden Liebenswürdigkeit. Natürlich war die gesamte Garnison am ersten Tage bereits in sie verliebt. Alle Waffengattungen, die Infanterie, die Jäger, die Leute von der Artillerie, die Husaren, die Pioniere, die Trainer, alles alles, machte der schönen »Reservistin« den Hof. Wenn sie auf der Promenade erschien, war die gesamte Weiblichkeit von Kronstadt für die Herren vom Säbel gestorben.

      Die Husaren waren selbstverständlich von der Konkurrenz nicht sehr erbaut; sie versuchten die Reservistin ganz allein für sich in Beschlag zu nehmen … aber der Ansturm war zu groß. Der Ring, den sie um ihren Schoß schlossen, ward immer wieder durchbrochen. Zu meiner Ehre muss ich gestehen, ich war vielleicht der Einzige, welcher der schönen Gräfin nicht nachlief. Ich war zu stolz dazu.

      Und ich hätte es eigentlich am leichtesten gehabt. Sie wohnte im Hotel Bellevue, wo die Bataillonskanzlei untergebracht war und wo infolgedessen auch ich logierte. Das Geschick, welches einmal beschlossen hatte, mich mit der schönen K… in Verbindung zu bringen, hatte es so gefügt, dass sie die Zimmer neben unserer Kanzlei bekam. Das Schlafzimmer des jungen Paares war sogar nur durch eine dünne Tür von der Kanzlei getrennt. So stolz war ich aber wieder nicht, um nicht daraus meinen Vorteil zu ziehen. Möchte den sehen, der sich gleichgültig verhielte, wenn er weiß, im Nebenzimmer, nur durch eine dünne Wand getrennt, schläft ein blendend schönes Weib.

      Wenn ich ihm oder ihr auf dem Korridor oder im Restaurant begegnete, machte ich ihnen eine höfliche Verbeugung. Den Grafen, der mir als dem Höheren die Ehrenbezeugung zu leisten hatte, grüßte ich sogar kollegial von oben herunter. Nie wechselte ich ein Wort mit ihnen, setzte mich nie an den Tisch, an dem die Gräfin »Hof« hielt. So mit im Schwarm der anderen mitzurennen, passte mir durchaus nicht. Ich finde überhaupt, wir Männer machen uns einfach lächerlich, wenn wir sinn- und charakterlos jedem hübschen Gesicht nachlaufen. Um ein schönes Weib werben, lange werben … ja. Aber glücklich sein, wenn einem in der Masse ein zufälliger Blick streift, oder wenn einem gar die Gnade zuteil ward, einen hinuntergefallenen Handschuh aufzuheben … nein. Zumal wenn die Geschichte nicht die geringste Aussicht auf Erfolg hat.

      Und so war es bei der Gräfin. Da war keiner unter all den Jammerlappen, die sie mit ihren aufdringlichen Aufmerksamkeiten verfolgten, der sich auch nur der leisesten Gunstbezeugung hätte rühmen können. Im Gegenteil, ich hatte als entfernt stehender, kühler Beobachter den Eindruck, als ob sie sich über alle zusammen lustig machte. Sie war nicht im geringsten kokett und dass sie es bei dieser blödsinnigen Kurschneiderei nicht wurde, konnte ihr nicht hoch genug angerechnet werden. Die Männer sind es ja immer, die aus den Frauen herzlose Kokotten machen. Wie oft sah ich, dass ihr Blick über all die Majore, Rittmeister, Hauptleute und Oberleutnants hinweg, sich in die Augen ihres Mannes stahl und dort mit einem innigen Leuchten hängen blieb. Wenn sie in seinen Armen liegt, lacht sie alle aus, dachte ich.

      Und hatte recht. – Eines Abends hatte ich noch in der Kanzlei zu tun. Es galt die Rechnungsablegungen der Kompanien durchzuführen und zu prüfen. Da ich mich nicht gern auf meine Feldwebel verließ, setzte ich mich selbst hinter diese geisttötende Arbeit, so verhasst sie mir auch war. Zwölf Uhr schlugs und noch immer raufte ich mit diesen endlosen Zahlenreihen herum.

      Da hörte ich meine Nachbarn in ihr Zimmer treten. Wie das Läuten einer Kristallglocke klang das helle Lachen des jungen Weibes zu mir herüber. Augenblicklich drehten sich meine schönen Zahlenkolonnen von oben nach unten und von unten nach oben, – ich sah überhaupt nichts mehr. Dafür hörte ich … die Tür war für einen jungen starken Menschen, der zu arbeiten hat, viel zu dünn.

      Zunächst vernahm ich weiter nichts, als das Lachen. Dann ein paar Küsse … ich stand schon längst an der Tür und presste das Ohr auf die Spalte … und dann jenes gewisse Kichern und Seufzen, mit dem die Frau die ersten Liebesangriffe des Mannes quittiert.

      »So lass mich doch erst einmal ausziehen«, hörte ich flüstern.

      Seine Antwort konnte ich nicht verstehen, aber sie muss sehr handgreiflich gewesen sein, denn das Kichern und Seufzen vermehrte sich.

      Sehen konnte ich leider nichts, denn vor der Tür stand von der anderen Seite ein großer Schrank. So konzentrierte ich denn meine ganze Lauschkraft aufs Hören. Und ich hörte genug.

      Zunächst war nichts zu vernehmen, als das Rascheln eiligst abgelegter Kleider. Dann wieder Küsse und Küsse und jenes gewisse Klatschen, wenn eine vor Gier zitternde Hand die Reize eines schöne Weibes karessiert.

      »Du bist so schön«, flüsterte er. »Jeden Tag leide ich dich mehr …«

      »Weil ich den Andern so gefalle?«

      »Ach die – – wenn das nicht alles meine Vorgesetzten wären – – ich brächte sie einzeln um.«

      »Bist du so eifersüchtig?«

      »Rasend, Schatz …«

      »Ach Liebster … wenn du wüsstest, wie zuwider sie mir schon alle sind! Was die sich alle einbilden! Ich halte sie ja nur zum Narren!«

      Herrgott, war ich froh, dass ich nicht unter diese »Alle« zählte, zum ersten Mal, dass der Lauscher an der Wand nicht seine eigene Schand’ hörte!

      Drinnen ging man aber von Worten zu Taten über.

      Ich hörte, wie sie aufs Bett fielen. Dann wieder Küsse, – Seufzer, – Gekicher … einmal einen leisen Aufschrei der jungen Frau. Wahrscheinlich hatte er den noch schmalen Engpass zu rasch forciert. Die Hotelbetten am Ende Siebenbürgens sind nicht sehr diskret … eine Höllenmusik ging an, dass mir siedend heiß dabei wurde. Sie schien der feurigere Kämpe zu sein. Er tat still und lautlos seine »Arbeit«, sie aber begleitete die Ihrige mit einer Fülle glühender Liebesworte …

      »Ach … das … ist … süß … so … fest …! Oh … ich … habe … dich … so … lieb … soooo … oh … oooh … wahnsinnig … lieb! … die … Andern … aah … jetzt … Schatz … du … Süßer … aaah … jetzt … jetzt … ich … sterbe … hmmm!

      Sie starb nicht. Denn nach einer halben Stunde ging der Tanz von Neuem los. Dann hörte ich noch ein paar Küsse, ihr Glockenlachen … Hierauf Ruhe … Er gab sich augenscheinlich einer seiner Meinung nach wohlverdienten Ruhe hin. Sie, hörte ich noch ein- zweimal tief seufzen. Die junge Gräfin schien mir zu den Frauen zu gehören, die immer »noch« sagen.

      Ich stand hinter meiner Tür, mit zitternden Knien, selber sinnlos vor Aufregung. Vor meinen Augen sah ich das schöne Weib sich in seiner göttlichen Wollust werfen und winden. Ich malte mir ihre Reize aus, – – mit selbstquälerischer Geilheit bis ins kleinste Detail … den Busen, die Schenkel, den Popo … und jenen Teil des Paradieses! – – Himmelherrgott, läge ich an der Stelle des Grafen K… ich wüsste mir was Besseres, als zu schlafen! Umbringen hätte ich den Schlappier können!

      Ich tat’s nicht. War überhaupt so vernünftig, nicht mehr zu lauschen. Wenn sie in ihr Zimmer traten, schaute ich, dass ich aus der Kanzlei herauskam …

      Die achtundzwanzig Tage des Grafen gingen zu Ende. Ich hatte mich ihm und seinem feurigen Weibe nicht mehr genähert als früher. Im Gegenteil, ich ging ihnen jetzt direkt aus dem Wege, denn wenn ich die runden Hüften und den zartgewölbten Busen der jungen Frau nur von weiten sah, begannen vor meinen Augen rote Funken zu tanzen.

      Anstatt zu lauschen und mir durch ihre Liebesmusik unnötig einheizen zu lassen, schulterte ich mein gutes Winchestergewehr, pfiff meinem »Lord« und ging hinauf in die Berge. Schon seit Wochen stellte ich so einem alten Kerl von Bären nach, konnte die Bestie aber nie vor die Flinte bekommen. Er war selten und hielt mich akkurat so zum Narren, wie die K… ihre Anbeterlegion.

      Nachdem der Graf sich beim Regiment abgemeldet hatte, blieben er und seine Frau noch einige Tage in Kronstadt. So viel ich hörte, wollten sie einen Ausflug auf den 1800m hohen »Schulter« unternehmen. Die Partie ist nicht sehr anstrengend und war höchstens dadurch gefährlich, dass der Nagru sich mit seinen Banditen dort oben herumtrieb. Allerdings hatten die Halunken über zwei Monate nichts mehr von sich hören lassen,


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