Raumkrieger im Wurmloch: 6 Science Fiction Abenteuer auf 1660 Seiten. Mara Laue
Читать онлайн книгу.verließ ebenfalls unter Applaus das Podium, um nun dem Hauptredner dieser Veranstaltung Platz zu machen.
Chris Barrington.
Er trat gemessenen Schrittes an das Pult.
"Die technologische Entwicklung, die die Menschheit in den letzten Jahren hinter sich gebracht hat, ist bemerkenswert. Bemerkenswert ist aber auch, dass keineswegs alles, was wir inzwischen bereits für Selbstverständlichkeiten halten, auf unserer eigenen Forschung und unseren eigenen Entdeckungen beruht. Ganz im Gegenteil! Ohne die Technologie der Alienwandler, wie man die Nugrou früher nannte, wären wir noch immer ein Planet am Rande des Atomzeitalters. Unsere Raumschiffe noch immer schrecklich langsam und vor allem unsicher! Jeder von Ihnen wird etwas mit dem Begriff "X-Space"-Effekt anfangen können, wenn ich mich nicht irre..."
Der Professor blickte in die Runde.
Niemand widersprach ihm.
"Vor fast vierzig Jahren wurde diese bislang im übrigen weitgehend unerforscht gebliebene Möglichkeit, schneller als das Licht zu fliegen, entdeckt. Mit den Transitionen unserer heutigen Raumschiffe hat dieser Effekt nicht das geringste zu tun. Beide verhalten sich etwa so wie die Ruderer eine Strafgaleere gegen den Antrieb einer Hochgeschwindigkeitsbahn zueinander. Sie sind völlig verschieden. Wie wir heute wissen, hatte der "X-Space"-Effekt durchaus seine Tücken. Beispielsweise kann es zu völlig unkontrollierten Raumsprüngen kommen. Dieser einzige von der Menschheit selbst entwickelte Überlichtantrieb stammt aus den 2910er Jahren. Annähernd dreißig Jahre lang schien in seiner Weiterentwicklung die Perspektive für die menschliche Raumfahrt zu liegen. Es schien nur eine Frage der Beherrschbarkeit dieses Effekts zu sein, wie weit man ins All vorstoßen konnte. Dann kam es im Mai des Jahres 2951 zu einem unkontrollierten Sprung des Raumschiffs GALAXIS. Das ist Geschichte. Jeder von uns dürfte das eine oder andere darüber gehört haben. 4300 Lichtjahre wurde die GALAXIS damals in Nullzeit hinaus ins All geschleudert. Aus diesem Unfall zog die terranische Wissenschaft wertvolle Erkenntnisse. Insbesondere, was den Zusammenhang zwischen Schockabgabedauer der Plasmaenergie und der Sprungweite angeht. Diese Erkenntnisse machten zunehmend kontrollierte Sprünge möglich. Die Zukunft der irdischen Raumfahrt schien vorgezeichnet. Sie schien in einer immer weitergehenden Perfektionierung des auf den "X-Space"-Effekt beruhenden Antriebs zu beruhen. Aber dann kam es in der Geschichte unseres Planeten zu gravierenden Umwälzungen, die Terra einen ganz anderen Weg haben einschlagen lassen. Einen Weg, den auch andere Völker vor uns gegangen sind. Ich erinnere nur an die Kelradan!" Barrington machte eine kurze rhetorische Pause, blickte dabei im Publikum herum und sah schließlich in Jimmys Richtung, der vollkommen brav auf dem Boden hockte.
"Ich spreche von der Übernahme der Technologie, die wir durch die Titans und die Hinterlassenschaften der Alienwandler kennenlernten. Die Raumfahrt des weit in die Galaxis reichenden Imperiums der Kelradan basiert ebenfalls auf den Hinterlassenschaften der Alienwandler, von denen wir inzwischen wissen, dass es sich um amöbenhafte Gestaltwandler handelt, die sich selbst Nugrou nennen und einst ein gewaltiges intergalakisches Imperium besiedelten. Die Nugrou-Raumerflotte Terras fliegt mit Sternensog oder Transitionstriebwerken, wobei die Frage eher philosophischer Natur ist, ob nicht der Antrieb durch den "X-Space"-Effekt eine primitive Vorstufe der von den Titans und Alienwandler übernommenen Transitionstriebwerke handelt. Ich bin da, wie ich schon anfangs äußerte, eher skeptisch und denke, dass man beides nicht einen Topf werfen sollte."
Kurt Farmoon saß wie erstarrt da.
Er hörte mit glühenden Ohren Chris Barringtons Worten zu.
Selbst die dunkelhaarige Assistentin des Hochenergietechnik-Professors war in diesem Moment nicht mehr von Bedeutung.
Kurt konnte gar nicht genau sagen, was diese Faszination eigentlich ausgelöst hatte. Sicher war Chris Barrington eine beeindruckende Persönlichkeit, aber andererseits referierte er über die Dinge, die man letztlich auch in jeder Datenbank nachlesen konnte.
Bis auf eine Kleinigkeit.
Die Sache mit dem "X-Space"-Effekt...
Ich bin skeptisch, hatte Kurt die Worte Barringtons im Ohr. Barrington neigt offenbar eher der These zu, dass es sich bei dem "X-Space"-Effekt-Triebwerken um eine völlig eigene Antriebsgattung handelte, die mit dem Transitionseffekt vielleicht eng verwandt, aber keineswegs identisch ist!, ging es ihm durch den Kopf. Was wäre gewesen, wenn man diesen Weg in der Raumtechnik weiter verfolgt und zu einem befriedigenderen Abschluß gebracht hätte?
Eine Idee, die Kurt Farmoon faszinierte.
Natürlich lag es auf der Hand, dass die alten Triebwerke, die auf dem "X-Space"-Effekt beruhten, in dem Augenblick keine Chance mehr hatten, in dem etwas Besseres, Ungefährlicheres zur Verfügung stand. Eine Technologie, nach der man nur zu greifen brauchte und die man schon benutzen konnte, noch ehe man sie auch nur annähernd verstanden hatte. Bei vielen Hinterlassenschaften der Nugrou-Technik war das bis heute der Fall. Ein Raumschiff wie die NOVA GALACTICA barg noch immer ungelöste Geheimnisse und auf so manchem Kolonialplaneten waren rätselhafte Hinterlassenschaften der Alienwandler gefunden worden, deren Funktionsweise sich den Menschen bis heute nicht vollständig erschlossen hatte.
Barrington referierte weiter über die Möglichkeiten der modernen, Tirifotium-basierten Raumtechnik im Vergleich zu den noch sehr eingeschränkten Möglichkeiten, die man seinerzeit an Bord der GALAXIS gehabt hatte. Als er kurz schilderte, welche technischen Umstände zum ungewollten Raumsprung der GALAXIS zum Loc 7112-System und der anschließenden Notlandung auf dem fünften, "Epoh" genannten, Planeten geführt hatten, bekam die Stimme des schwergewichtigen Mannes einen fast wehmütigen Tonfall. Etwas, was man bei einem Menschen, der sich überwiegend mit nüchternen Fakten und glasklaren technischen Daten befasste, kaum erwartete. Als verwunderlich sah Kurt das allerdings auch nicht an. Schließlich war Barrington ja selbst einer der ersten Siedler von Epoh gewesen.
"Aber zurück in die Gegenwart! Die Gegenwart von Sternensog und Tirifotium - zumindest in der Raumtechnik!", wies Barrington sich selbst zurecht. "Die alten Zeiten sind vorüber und das ist auch gut so. Denken wir nur an die Schrecken der Titans-Invasion. Niemand von uns, der auch nur einigermaßen klar bei Verstand ist, möchte so etwas noch einmal durchmachen."
Kurt Farmoon vernahm neben sich eine flüsternde Stimme.
Wladimir Krylenko sprach zu ihm.
Er konnte sich offenbar eines Kommentars zu Barringtons Ausführungen einfach nicht enthalten.
"Die alten Zeiten hatten auch ihr Gutes", meinte er.
Kurt sah ihn fragend an, hob die Augenbrauen dabei.
"Pssst!"
"Ist doch wahr!", verteidigte sich Wladimir. "Die konnten damals noch als erste hinaus in die Milchstraße geschleudert werden und damit zur Legende werden...."
"Beruhige dich, Wladimir. Das Universum ist groß genug!", mischte sich Nick Gonglor ein.
"Haltet die Klappe!", sagte Kurt etwas gereizt.
Nichts gegen Albereien unter Kameraden, aber im Moment interessierten ihn die Ausführungen Chris Barringtons einfach mehr, so dass er für nichts anderes ein Ohr hatte.
Die Mescaleros waren still.
Das Problem war nur, dass Kurt um einige Dezibel zu laut gesprochen hatte.
Ein Teil des Publikums drehte sich in seine Richtung.
Auch der Blick des Redners glitt suchend über das Publikum und blieb schließlich bei Kurt Farmoon stehen.
Barrington fixierte Kurt regelrecht.
Verdammt, was verrät mich?, durchzuckte es ihn siedend heiß. Mein roter Kopf vielleicht?
Jimmys Bellen löste die Situation auf.
Ein kurz aufbrandendes Gelächter war die Folge.
Unbeirrt und mit einem nachsichtigen Lächeln um die Mundwinkel setzte Chris Barrington seine Ausführungen fort.
Barrington schilderte eindrucksvoll, wie sich die Menschheit nach und nach die Alienwandler-Technik