Raumkrieger im Wurmloch: 6 Science Fiction Abenteuer auf 1660 Seiten. Mara Laue
Читать онлайн книгу.Chris Barrington— nur wenige Schritte von ihm entfernt.
Der schwergewichtige Mann löste sich gerade aus einem illustren Gesprächskreis, zu dem unter anderem Generalmajor Angham und Master Sergeant Karalaitis zählten. Die Männer waren in ein angeregtes Gespräch vertieft, von dem Kurt nur Bruchstücke mitbekam, da in einer Gruppe von Gardisten plötzlich lautes Gelächter ausbrach.
"Sie entschuldigen mich, ich brauche jetzt etwas zwischen den Zähnen", sagte Barrington schließlich. Er klopfte sich mit der flachen Hand auf den recht voluminösen Bauch und grinste verschmitzt. "Ob Sie es glauben oder nicht, ich bin heute noch nicht einmal zum Frühstücken gekommen!"
Barrington wandte sich dem Buffet zu, nahm sich ein paar Häppchen und probierte mal hier und mal dort. Dabei näherte er sich Kurt Farmoon zusehends.
Als Barrington vor ihm stand, wagte Kurt es endlich, den Gastredner der Garde-Universität anzusprechen.
"Entschuldigen Sie", sagte er und brachte anschließend ein paar Sätze heraus, die kaum mehr als sprachliche Bruchstücke darstellten. Gestammel, aus dem beim besten Willen niemand schlau werden konnte. Selbst ein Genie wie Barrington nicht. Kurt verwünschte sich insgeheim für seine Nervosität.
Barrington kaute auf einem Stück Toast herum und musterte Kurt stirnrunzelnd.
Kurt schluckte.
"Das, was Sie vorhin über den "X-Space"-Effekt gesagt haben, hat mich sehr beschäftigt", erklärte Kurt schließlich.
Barrington war überrascht.
Er hob die Augenbrauen.
"Eigentlich sollte es nur eine kleine Randbemerkung sein", meinte er. "Das Thema meines Vortrags lautete ja nicht etwa 'Die verpassten Möglichkeiten des "X-Space"-Effekts'. Aber ich gebe zu, dass dieses Thema mich immer schon fasziniert hat!"
Kurt nickte.
"Kann ich gut verstehen", meinte er.
"So?"
"Naja -—Sie, als einer der Siedler, die mit der GALAXIS nach Epoh gelangten."
Barrington lächelte.
"Behandeln Sie mich besser nicht wie ein Denkmal, das kann ich nämlich nicht leiden. Aber ich verstehe, was Sie meinen", behauptete er, griff nach einem weiteren Toast mit synthetischem Blue Star-Kaviar und nahm einen großen Bissen davon. Das Buffet schien ihm zuzusagen.
"Ich bin der Überzeugung, dass man diesen Effekt weiter hätte erforschen sollen", sagte Kurt.
Barrington hob das Kinn. Er kaute etwas schneller und schluckte den Bissen hinunter. "Im Prinzip bin ich ganz Ihrer Meinung, Mister..."
"Farmoon. Kurt Farmoon, Schütze des 14. Zuges der Raumgarde."
Barrington kam nun in sein Element. Es schien ihm überhaupt nicht unangenehm zu sein, auf den "X-Space"-Effekt angesprochen zu werden. Ganz im Gegenteil. Chris Barrington freute sich offenbar darüber, dass jemand an seinen Ansichten zu dieser Sache interessiert war.
"Solange der "X-Space"-Effekt genutzt wurde, gab es Probleme damit", gestand er. "In so fern habe ich sogar Verständnis dafür, dass sich kein Mensch mehr damit befassen wollte, als es durch die Alienwandler-Technik endlich eine Alternative gab."
"Aber Sie meinen doch auch, dass es sich gelohnt hätte, diesem Phänomen etwas gründlicher auf die Spur zu kommen und vielleicht sogar Anwendungsmöglichkeiten zu entdecken, die uns bis heute verborgen geblieben sind."
In Barringtons Augen blitzte es.
"Gewiss!", bestätigte er. "Aber man müsste dabei natürlich die Schwierigkeiten realistisch im Auge behalten. Aus meiner Sicht war das Hauptproblem immer die mangelnde Reinheit des Nabal-Metalls, aus dem die Speichersilos für den X-Space-Schub bestanden. Dieser Reinheitsgrad konnte sehr unterschiedlich sein und dazu führen, dass die normale Sprungweite von 1,7 Lichtjahren erheblich überschritten wurde. Bis zu fünftausend Lichtjahre weit!"
"Und diese Wirkung lässt sich nicht kontrollieren?", fragte Kurt.
Barringtons Blick wurde nachdenklich.
Er schüttelte entschieden den Kopf.
"Nein", murmelte er. "Leider nicht. Glauben Sie mir, wir haben damals einiges angestellt, um das doch hinzubekommen. Aber es hat einfach nicht geklappt. Der Effekt ist scheinbar nicht gezielt beeinflussbar!"
"Und Sie sehen da überhaupt keine Möglichkeit? Was wäre gewesen, wenn man diesen Weg in der Triebwerkstechnik nicht so vorzeitig aufgegeben hätte..."
"Dass man den "X-Space"-Effekt nicht mehr erforscht hat, seit es Alternativen gab, halte ich in der Tat für einen Fehler", gab Barrington unumwunden zu und schränkte dann ein: "Aber eher im Hinblick auf wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn. Was die Herstellung von effektiven—und vor allem ungefährlichen!—Überlichtriebwerken angeht, so war die Nutzung des X-Space- Effekts höchstwahrscheinlich eine Sackgasse."
"Schade..."
"Ja, das ist auch meine Meinung."
"Vorhin, während Ihres Vortrags, hatte ich den Eindruck, dass..."
Kurt sprach nicht weiter.
Chris Barrington lächelte.
"Es sind vor allem nostalgische Gründe, die mein Interesse am "X-Space"-Effekt wachhalten. Nicht die Hoffnung auf einen praktischen Nutzen."
"Ich verstehe."
Barrington trat etwas näher. Er sprach jetzt in gedämpftem Tonfall. "Ist es nicht so, dass für eine Offizierslaufbahn in der Raumgarde ein Doktortitel obligatorisch ist?"
Kurt Farmoon nickte. "Das trifft zu", bestätigte er etwas verwirrt, denn im Augenblick hatte er nicht die geringste Ahnung, worauf sein Gegenüber eigentlich hinauswollte. "Wie kommen Sie jetzt darauf?"
Barrington hob die Augenbrauen und kratzte sich am Kinn.
"Nun, falls Sie mit dem Gedanken spielen sollten, den "X-Space"-Effekt zum Thema einer Promotion zu machen, kann ich Ihnen nur dringend abraten."
"Wieso? Sie selbst sagten doch, dass dessen naturwissenschaftliche Grundlagen nie wirklich erforscht wurden."
"Mag sein. Aber wenn Sie sich auf dieses Gebiet begeben, werden Sie wahrscheinlich alt und grau, bevor Sie mit der Arbeit fertig werden." Barrington grinste. "Wahrscheinlich werden Sie sogar die Altersgrenze für Offiziersanwärter überschreiten. Ich rate Ihnen: Nehmen Sie etwas Handfesteres. Schließlich wollen Sie doch vorwärts kommen, oder?"
Kurt Farmoon zuckte die Achseln.
"Um ehrlich zu sein, an eine Promotion hatte ich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht gedacht."
"Gott sei Dank, Sie sind ein vernünftiger Mann!", witzelte Barrington.
Ein haariges Bündel drängelte sich durch den Wald aus Beinen, den dieser Empfang aus der Sicht eines Hundes darstellte. Zumindest was diese Perspektive anging, unterschied sich Jimmy nicht von ganz gewöhnlichen Scotch Terriern, deren Innenleben nicht aus Schaltkreisen und einem Kristallsensor bestand.
"Na, da bist du ja, Jimmy!", sagte Barrington.
"Hier kann man sich ja ganz schön verlaufen", meinte der Robothund. "Ein gut ausgebildeter Hunde-Geruchssinn würde mir jetzt wohl mehr nützen als ein Energiestrahler in der Zunge!"
Barrington lachte schallend.
Er wandte sich an Kurt Farmoon.
"Die Kritik der Kreatur am Schöpfer!", meinte er. "Ich gebe Ihnen einen guten Rat: Konstruieren Sie niemals einen Roboter, der in der Lage ist, künstliche Intelligenz zu entwickeln! Sie haben nur Ärger!"
*
Abends, nach Dienstschluss