Seewölfe Paket 26. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.teilen zu müssen.
Es war für sie auch bezeichnend, daß sie über den Tod ihrer Kumpane in rauhes und rohes Gelächter ausbrachen und die Schadenfreude sehr groß war.
„Jetzt wird nur noch durch sechs geteilt, und dann kann jeder mit seinem Gold anfangen, was er will.“
Wieder folgte Prados Worten befreiendes Gelächter.
Gegen drei Uhr morgens erreichten sie die Ostseite der Insel und zogen das Floß auf den Strand.
Prado und Morro sahen sich um. Sie entdeckten gleich darauf eine Stelle mit dichtem Buschwerk und nickten sich zu.
„Dort verstecken wir das Floß. Da kann es niemand sehen.“
Das Floß wurde hochgehoben und zu dem Dickicht geschleppt. Dahinter befand sich eine kleine Lichtung, die nur von oben einsehbar war. Selbst vom Strand aus konnte man nichts erkennen.
„Nehmt jetzt die Waffen und den Proviant mit“, befahl Prado. „Und dann zischen wir ab zur Westseite der Insel, wo der Kahn liegt. Dort werden wir vorerst die Beobachter spielen und abwarten, bis ein paar der Kerle an Land gehen.“
Nachdem sie alles zusammen hatten, überquerten sie die Insel und stießen zur Westseite vor. Oberhalb des Strandes fanden sie einen hervorragend gegen Sicht geschützten Platz, hinter dem sie in Deckung gingen.
Es war jetzt kurz vor Sonnenaufgang. Die Sicht war schon besser geworden, so daß sie Einzelheiten erkennen konnten.
„Hier werden die uns nie vermuten“, sagte Prado. „Die warten doch sicher darauf, daß wir von See her angreifen wie der selige Acosta und seine dämlichen Genossen. Gott hab’ sie selig.“
Wieder lachten sie leise und hielten nach dem Floß Ausschau. Doch es gab keine Spuren und auch keine Trümmer davon, weder auf dem Wasser noch am Ufer.
Als die Sonne aufging, hatten sie einen glänzenden Überblick.
Da lag die Karavelle vor ihnen – fast zum Greifen nah, und doch noch so unendlich fern. Ein paar Kerle erschienen an Deck.
Prado stierte das Schiff immer wieder an.
„Ich möchte nur wissen, was es mit der Karavelle auf sich hat“, sagte er kopfschüttelnd. „Das ist eine verdammt merkwürdige Angelegenheit. Der kleine Dreimaster gibt mir immer wieder Rätsel auf. Die Kerle bewegen sich auf dem Schiff, als seien sie dort zu Hause. Ich verstehe das einfach nicht.“
An dem kleinen Dreimaster hatten auch die anderen schon vergeblich herumgerätselt. Selbst Morro zuckte immer wieder mit den Schultern.
„Kapiere ich auch nicht. Der Kahn tauchte gestern früh unbemannt vor der Insel auf, die Kerle pullten hinüber und besetzten ihn mit der größten Selbstverständlichkeit, als hätten sie auf ihn gewartet. Jetzt ist die Situation umgekehrt: Die Bastarde haben ein Schiff, und wir sind schiffbrüchig.“
Merkwürdig war das Ganze für sie schon, denn sie fanden keine vernünftige Erklärung.
Aus dem kleinen Abzugsrohr über der Pantry kräuselte sich blauer Rauch, den der Wind langsam zerblies.
„Die frühstücken jetzt gleich“, maulte Santos, „und wir können uns die Zähne am Zwieback ausbeißen. Vielleicht gibt es bei denen Eier mit Speck oder so was.“
Neidvoll sahen sie zu, wie ein hagerer Mann ein paar Kummen an Deck brachte. Die Kerle da drüben hatten ihre Morgenwäsche gerade beendet, die darin bestand, daß sie sich ein paar Pützen Wasser über die Köpfe gossen.
Prado mampfte in Gedanken ebenfalls mit, als die Männer von dem Dreimaster sich gemütlich an Deck setzten und zu essen begannen.
Bei dem einen Kerl hockte ein Papagei auf der linken Schulter, der mit seinem großen Schnabel gierig nach einem Brocken faßte, dem ihm ein Riese von Kerl zusteckte.
„Der Köter sieht verdammt gefährlich aus und scheint auch sehr scharf zu sein“, kommentierte Prado. „Hoffentlich nehmen sie den nicht mit, wenn sie an Land gehen.“
„Dann knallen wir ihn eben ab“, sagte Morro. „Wir haben ja einen guten Überblick und sehen alles rechtzeitig.“
Nachdem der Papagei den Brocken geschluckt hatte, erhob er sich von der Schulter des Riesen und flog eine Runde über das Schiff.
Die Prado-Meute beobachtete den bunten Vogel. Sie kannten ihn und wußten, daß er unflätige Beschimpfungen ausstoßen konnte. Die Kerle hatten ihm einen reichhaltigen Wortschatz beigebracht. Zudem konnte der Papagei krächzen, kreischen und krakeelen, daß es ihnen jedes Mal durch Mark und Bein ging.
Der bunte Schreihals drehte eine zweite Runde. Dann fand er das wohl zu langweilig und flog zum Ufer. Der Riese sprang auf und rief ihm etwas nach, offenbar um ihn vom Landflug abzuhalten, doch der Papagei flog unbeirrt weiter. Er stieß nur wieder dieses entsetzliche Gekreische aus.
Scheinbar ziellos flog der bunte Vogel am Strand entlang. Dann war er über ihnen und zog neugierig ein paar Kreise.
Anfangs hielt er noch den Schnabel, doch dann wurde er ausfallend und begann hoch über ihren Köpfen zu krakeelen, zu zetern und zu schimpfen. Es waren auch ein paar hundsgemeine spanische Brocken dabei, die Prado sehr aufregten.
„Dieser mistige Schreihals“, fluchte er. Doch gleich darauf atmete er erleichtert auf, denn offenbar hatte der Papagei das Interesse an ihnen verloren. Auf fast schnurgeradem Kurs flog er zu der dreimastigen Karavelle hinüber. Dort setzte er die Krakeelerei weiter fort, schimpfte erbost und kreischte entsetzlich.
Nachdem er ein paar Runden über dem Schiff gedreht hatte, kehrte er zum Entsetzen der Kerle wieder zurück und zog neue Kreise. Er flog etwas tiefer und kreischte so laut, daß ihnen die Ohren wehtaten.
Santos griff voller Wut nach seiner Pistole.
„Den knall’ ich ab, den Kreischer!“ zischte er.
Prado drehte sich blitzschnell um und schlug ihm mit der Faust auf den Handrücken.
„Du Idiot! Willst du es unbedingt darauf anlegen, daß die Kerle uns entdecken. Ein Schuß – und wir sind verraten und verkauft. Laß das Vieh doch kreischen.“
„Aber der verrät unseren Standort.“
„Blödsinn, dazu ist er viel zu dämlich. Der benimmt sich immer so, das haben wir ja schon erlebt.“
„Aber die Kerle werden schon aufmerksam.“
Prado stierte zur Karavelle hinüber. Der Breitschultrige unterbrach gerade sein Frühstück und schaute dem Papagei nach, der immer noch krakeelend und schimpfend seine Runden drehte.
„Wir ziehen uns ein Stück zurück“, sagte er. „Nur so weit, daß wir die Mastspitzen der beiden Schiffe noch sehen. Da ist auch die Deckung besser.“
Der schimpfende Schreihals über ihnen gab jedoch keine Ruhe. Er lamentierte weiter und flog wieder hin und zurück.
Er beruhigte sich erst, als Prado mit seiner Meute weiter achteraus im Dickicht verschwand.
Sie saßen an Deck und futterten ihr Frühstück, als die Sache mit Sir John losging.
Carberry steckte ihm ein Stück Schiffszwieback zu, das der Vogel krachend zerbiß. Dann hatte er anscheinend genug und setzte zu seinen „Erkundungsflügen“ an.
„Hiergeblieben!“ donnerte der Profos. Sir John kümmerte das nicht. Er zog einen weiten Kreis um das Schiff, ließ die üblichen rotzfrechen Sprüche ab und flog zur Insel hinüber.
„Der gehorcht dir auch nicht mehr aufs Wort“, meinte der Kutscher anzüglich. „Früher hat er ja noch einigermaßen pariert, aber jetzt ist er stur und kümmert sich nicht darum.“
„Wenn ich wollte, könnte ich ihn zurückpfeifen“, prahlte Carberry, „aber er soll sich nur austoben. Ihm gefällt das, so herumzufliegen und alles zu beobachten.“
Sie sahen dem farbenfrohen Punkt nach, der jetzt über der kleinen Insel