Seewölfe - Piraten der Weltmeere 611. Fred McMason

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 611 - Fred McMason


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Helfer, ein verschlagener Bursche mit einem kleinen Buckel, schnippelte Pastinaken in den Fraß. Die Wurzeln waren matschig, verdrückt und rochen faulig. Er schnitt auch keine schlechten Stellen heraus. Er zerschnippelte sie mit einem großen Messer auf einer schmierigen Bohle, raffte sie dann zusammen und feuerte sie abwechselnd in die großen Töpfe, aus denen es jedesmal aufspritzte.

      „Ob die Herren auf dem Achterdeck das Zeug auch essen?“ fragte ein untersetzter Mann mit Backenbart seinen Nachbarn.

      „Ganz sicher“, erwiderte der höhnisch. „Und dazu trinken sie fauliges Wasser, weil es so bekömmlich ist.“

      „So sieht der Kapitän auch gerade aus“, sagte der Backenbärtige. „Für ihn wird extra gekocht, und nur vom Besten und Feinsten. Möchte wissen, was der sich an Vorräten heimlich beiseite geschafft hat, während wir hier vor Hunger fast krepieren. Aber damit läßt der feine Herr es ja nicht bewenden. Er betrügt auch noch die Leute beim Würfelspiel und belästigt die Frauen.“

      Der andere drehte sich hastig und ziemlich verlegen um. Durch ein Blinzeln gab er dem Backenbärtigen noch schnell ein Zeichen, doch der bemerkte nichts. Er wollte noch etwa hinzufügen, doch dann sah er den Bootsmann Bruce Watts und biß sich auf die Lippen. Der Kerl sah ihm in die Augen und grinste hinterhältig. Er war sich nicht sicher, ob der Bootsmann seine Äußerung gehört hatte.

      Er trat vor einen der dampfenden Kübel und hielt seine Kumme hin.

      Eine schwielige Faust griff nach seinem Handgelenk und hielt es mit eisernem Griff fest.

      „Kein Essen für diesen Kerl“, sagte der Bootsmann zu dem Backschafter, der die Kelle in den Brei tauchte.

      Ein paar Leute wichen angstvoll zurück und gingen auf die Seite. Sie wollten damit nichts zu tun haben. In ihren Gesichtern stand Angst.

      „Kein Essen, aye, aye“, wiederholte der Backschafter gleichmütig. „Wie Sie meinen, Mister Watts.“

      Der Backenbärtige hieß Wintrop und schrumpfte jetzt merklich zusammen. Hart schluckend starrte er auf die Pranke des Bootsmannes, die immer noch sein Handgelenk umklammerte.

      „Ich – ich habe Hunger, Sir“, sagte er kleinlaut.

      „Aber sicher doch, natürlich hast du Hunger. Aber du wirst heute beim Kapitän speisen, Mister. Ich bin sicher, daß er dich einladen wird, weil du doch so freundlich über ihn gesprochen hast.“ Er riß Wintrop die Kumme aus der Hand, warf sie an Deck und stieß sie mit dem Fuß über die Planken.

      „Sir, hier muß ein Mißverständnis vorliegen“, jammerte Wintrop, dessen Angst immer größer wurde.

      „Das wird sich gleich herausstellen. Los, ab nach achtern!“

      Einige der anderen taten so, als sähen sie nichts. Die Angst, ebenfalls vom Essen ausgeschlossen zu werden, ließ sie so handeln.

      Wintrop ging mit schlotternden Knien nach achtern. Der Bootsmann half ein bißchen nach, wenn der Mann zögerte.

      Auf dem Achterdeck stand Granville, der Kapitän, ein dicklicher, finsterer Mann, der Wintrop verächtlich musterte. Er lehnte an der Balustrade, die das Achterdeck vom Quarterdeck trennte.

      „Was gibt es?“ fragte er scharf.

      „Der Kerl hier hat sich sehr lobend über Sie ausgelassen, Sir“, berichtete der Bootsmann. „Natürlich so, daß es auch die anderen alle hören konnten. Er hetzt ein bißchen herum. Dachte, ich sollte das zur Meldung bringen, Sir.“

      „Recht so, Mister Watts. Ich höre.“

      Auf dem Achterdeck befanden sich außer Granville noch der Erste Offizier Harris, der mit unbeweglichem Gesicht über das Wasser blickte, und der Rudergänger, der so tat, als höre er nichts.

      „Dieser Kerl hier“, sagte Watts mit hämischer Schadenfreude, „behauptete ganz unverfroren, Sie, Sir, würden nur das Beste vom Besten zu essen kriegen, und Sie schafften sich heimlich Vorräte zur Seite, während die anderen vor Hunger krepieren. Außerdem würden Sie die Leute beim Würfelspielen betrügen und die Frauen belästigen.“

      Auf Granvilles Gesicht erschien ein dünnes, gefährliches Grinsen. Die Augen blieben kalt und ausdruckslos. Er trat von der Balustrade weg und ging zwei Schritte nach vorn.

      „Schwere Anschuldigungen, sehr schwere Anschuldigungen, die natürlich an der Wahrheit vorbeigehen. Haben Sie Beweise dafür, daß ich Vorräte heimlich beiseite schaffen lasse, Mister? Wie war doch gleich Ihr ehrenwerter Name?“

      „Wintrop, Sir“, erwiderte der Mann, an allen Gliedern zitternd. „Nein, natürlich nicht, Sir, ich wollte das auch gar nicht sagen. Es war nur so dahingeredet.“

      Granville sah, daß der Mann hündische Angst vor einer Bestrafung hatte und immer mehr in sich zusammenkroch wie ein Hund, der Prügel zu erwarten hatte. Sein Grinsen wurde impertinent.

      „Aber, mein Bester“, sagte er jovial. „Man kann doch nicht einfach so daherreden und andere verleumden. Sie untergraben nicht nur meine Autorität, sondern beleidigen mich auf unverschämteste Art und Weise. In Ihren Augen bin ich ein Betrüger, ein Sittenstrolch und Dieb. Halten Sie diese Anschuldigungen auch weiterhin aufrecht?“

      Wintrop schüttelte schnell den Kopf.

      „Nein, Sir, ganz gewiß nicht. Es ist mir so herausgerutscht. Ich bitte um Verzeihung, Sir.“

      „Sie stehen also nicht zu Ihrem Wort, Mister. Was sind Sie nur für ein erbärmlicher Knecht! Erst behaupten Sie von mir alles Mögliche, und dann ziehen Sie alles wieder zurück. Sie werden doch hoffentlich verstehen, daß ich das nicht so einfach hinnehmen kann. Da nutzt auch Ihre Entschuldigung nichts. Ein anderer Kapitän, der kein Verständnis für Ihre nicht gerade einfache Situation hat, der hätte Sie jetzt nach einer kurzen Anhörung an die Rah gehängt.“

      Granville ließ die Worte erst einmal wirken. Sie wirkten auch, denn Wintrop zitterte noch heftiger, und Schweiß stand in dicken Perlen auf seiner Stirn. Seine Blicke irrten unstet hin und her.

      „Aber ich will Ihnen noch einmal vergeben, Mister. Daß die Anschuldigungen völlig haltlos sind, das weiß hier jeder. Sie stehen jedoch nicht zu Ihrem Wort und sind ein Feigling.“

      Wintrop wußte nicht, was er erwidern sollte. Er blickte scheu aus den Augenwinkeln zur Kuhl, als erwarte er dort Rettung für sich. Die Leute waren jedoch mit dem Essen beschäftigt und schenkten den Vorfällen auf dem Achterdeck keinen Blick.

      „Darf ich vorschlagen, Sir, ihn mit einem Dutzend Hieben zu bestrafen?“ fragte der Bootsmann grinsend. „Schläge läutern bekanntlich einen verstockten Kerl und lockern sein Hirn.“

      Granville hätte Wintrop nicht nur ein Dutzend Hiebe, sondern am liebsten gleich hundert Schläge aufgebrummt. Noch lieber hätte er den Kerl über Bord werfen lassen, wie es seiner Mentalität entsprach. Aber mit dem Auspeitschen mußte er vorsichtig sein, denn der Seewolf auf der Schebecke hatte verdammt scharfe Augen, denen nichts entging. Er hatte ihn, Granville, ganz besonders im Visier und wartete nur auf eine Gelegenheit ihm an den Kragen zu gehen. Sie waren schon mehrmals ziemlich aneinandergeraten.

      „Zwölf Hiebe sind zu hart, Bootsmann“, erklärte Granville. „Der Mann weiß nicht, was er sagt. Vielleicht ist er sogar ein bißchen verrückt oder ganz einfach ein Hitzkopf. Einem Hitzkopf sollte man etwas Abkühlung verschaffen. Sie sind doch ein bißchen hitzig, nicht wahr?“ erkundigte er sich leutselig.

      Wintrop sah wieder einen Hoffnungsschimmer und nickte bereitwillig.

      „Manchmal schon, Sir. Ich bitte noch einmal um Vergebung und möchte nicht gepeitscht werden, Sir.“

      „Nein, nein, Sie werden nicht gepeitscht, Mister. Ich werde Ihnen lediglich ein wenig Zeit zum. Nachdenken geben. Sie können dabei ins Wasser blicken und in aller Ruhe überlegen.“

      „Vielen Dank, Sir.“

      „Sie brauchen sich nicht zu bedanken, Mister. Vielleicht teilen Sie mir später das Ergebnis Ihrer Überlegungen freundlicherweise


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