Seewölfe Paket 23. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 23 - Roy Palmer


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      „Weg! Oder ich erschieße dich!“ schrie Gomez.

      Der Sargento sorgte selbst dafür, daß der alte Mann nicht gefährdet wurde. Trotz seines Protestes packte er ihn am Arm und zerrte ihn zur Seite. Der Alte stolperte und prallte mit einem der anderen Soldaten zusammen, der mit völlig entgeisterter Miene auf Gomez blickte.

      „Teufel“, murmelte der Soldat. „Der tut’s wirklich.“

      Gomez hielt die Pistole mit beiden Händen und war in seiner grenzenlosen Wut im Begriff, auf den Sargento abzudrücken. Doch genau in diesem Augenblick tauchte Hasard oben auf dem Felsquader auf.

      Von den Steilfelsen aus hatten Hasard, Ribault und der Profos einen bisher unentdeckten Abstieg entdeckt, der sie auf den Pfad hinunterführte. Sie waren fast steckengeblieben, doch die Mühe hatte sich gelohnt – unbemerkt waren sie bis an den Felsklotz herangelangt, während sich auf der anderen Seite die Lage zuspitzte.

      Jetzt war Gomez völlig überrascht, als der „schwarzhaarige Bastard“ seine Pistole auf ihn richtete und den Hahn spannte. Deutlich war das Knacken zu vernehmen.

      „Lassen Sie die Pistole fallen, Teniente, oder ich schieße“, sagte Hasard.

      „Der Bastard!“ brüllte Gomez wie von Sinnen.

      Vergessen war der Sargento. Er richtete die Pistole auf den Seewolf und zog durch. Im selben Moment feuerte auch Hasard. Gleichzeitig wich er zur rechten Seite aus.

      Gomez’ Kugel pfiff haarscharf an ihm vorbei. Hasard vermutete im ersten Hinsehen, daß auch seine Kugel fehlgegangen war. Aber er irrte sich. Gomez war getroffen.

      Gomez wurde zurückgestoßen. Er taumelte quer über den Pfad und verlor die leergeschossene Pistole aus der Hand. Seine Hände griffen ins Leere und schienen irgendwo nach einem Halt zu suchen. Er röchelte und faßte sich an die Brust. Jetzt war auch der dunkle Fleck an seinem ungeschützten Hals zu sehen, der sich allmählich vergrößerte.

      Nur noch einen einzigen Schritt tat Alvaro Gomez, dann hatte er – unter den Blicken seiner Männer – den Rand des Pfades erreicht. Keiner traf Anstalten, ihn festzuhalten. Er kippte über den Rand und verschwand in der Finsternis. Sein gellender Schrei tönte durch die Nacht und verebbte, dann war nichts mehr zu vernehmen, nicht einmal ein Aufprall.

      In der Zwischenzeit war auch Jean Ribault neben Hasard aufgetaucht. Hasard wandte sich halb um. Carberry warf ihm einen Blunderbuss zu, Hasard fing ihn geschickt auf, spannte den Hahn und richtete ihn auf die Soldaten.

      „Weg mit den Waffen!“ befahl er ihnen.

      Der Sargento gehorchte als erster. Die anderen folgten seinem Beispiel.

      Der Alte grinste sogar und sagte: „Na also. Jetzt sind wir Gefangene, aber wenigstens ist es Gomez nicht gelungen, dich abzuknallen, Sargento.“

      „Damit wäre auch ich nicht einverstanden gewesen“, sagte Ribault mit ernster Miene.

      „In Ordnung, Señores“, sagte Hasard. „Sie marschieren jetzt nach Potosi zurück.“

      „Sie wollen uns – wirklich laufen lassen?“ fragte der Sargento erstaunt.

      „Ja, das habe ich vor. Haben Sie etwas dagegen?“

      „Natürlich nicht. Aber ich …“

      „Señor“, sagte Ribault. „Sie können auch bleiben, wenn Sie wollen. Vielleicht ziehen Sie es vor, Don Ramón de Cubillo Gesellschaft zu leisten?“

      „Auf keinen Fall!“

      „Sargento“, sagte der alte Soldat. „Ich glaube, es wird Zeit, daß wir verschwinden.“

      „Die Maultiere bleiben natürlich hier“, sagte Hasard. „Sie müssen es schon auf sich nehmen, den Rückweg zu Fuß anzutreten. Ich glaube aber, daß es Ihnen keine allzu große Mühe bereiten wird.“

      „Danke“, sagte der Sargento, der jetzt seine Fassung wiedererlangte. „Sie haben mir das Leben gerettet, Señor. Und meinen Kameraden auch.“

      „Dafür brauchen Sie sich nicht zu bedanken“, sagte der Seewolf kühl. „Ich habe etwas dagegen, wenn man guten Männern keine Chance läßt. Und zu den guten Männern zähle ich vor allem jene, die in den Minen von Potosi für Ihren König von Spanien krepieren müssen.“

      Der Sargento senkte unwillkürlich den Blick.

      „Ich verstehe“, murmelte er.

      „Vielleicht denken Sie darüber einmal nach“, sagte Hasard. „Mein Gott – kein Vizekönig, kein Provinzgouverneur und kein Luis Carrero hat das Recht, unschuldige Menschen zu versklaven, auszurotten, zu schinden oder zu demütigen. Und auch Indios sind Menschen, Señores. Sie haben dieselben Rechte wie wir. Man hat sie ihres Landes beraubt, und jetzt sollen sie ausgerottet werden. Kann man einem Volk etwas Schlimmeres antun?“

      „Wer sind Sie, Señor?“ fragte der Sargento.

      „Ein Feind Ihres Königs“, erwiderte Hasard.

      „Das merkt man“, sagte der alte Soldat. Hölle, er konnte es einfach nicht verbergen: Dieser schwarzhaarige Riese imponierte ihm!

      „Und ein Feind aller derer, die sich anmaßen, über andersfarbige Menschen zu herrschen und die Peitsche zu schwingen“, fuhr der Seewolf fort.

      Der Sargento blickte zu ihm auf und versuchte, mehr aus den Zügen dieses Mannes zu lesen. Was für ein sonderbarer Mann, dachte er, aber er hat doch recht, dieser Fremde. Wer sind wir eigentlich? Gott auf Erden? Eines Tages gibt es einen gewaltigen Knall, und das spanische Königreich existiert nicht mehr.

      Auch der Sargento mußte sich eingestehen, daß er eine ungeheure Achtung vor dem schwarzhaarigen Riesen hatte. Unglaublich: Dieser Mann hatte das Unmögliche fertiggebracht und Potosi mit einem Schlag aus den Angeln gehoben – mit nur elf Männern! Das bewies einerseits, wie verletzlich Spanien doch war, und andererseits, daß auch Städte wie Potosi vor dem Zugriff eines Feindes nicht sicher waren. Ein starker Gegner – er war nicht zu überwältigen. Wenn man ihm fünfzig Soldaten nachgesandt hätte, wäre er auch mit diesen fünfzig fertig geworden.

      „Noch etwas“, sagte Hasard. „Nehmen Sie Ihren Kameraden mit. Ich habe nicht das geringste Interesse daran, ihn hierzubehalten.“

      Carberry verschwand auf sein Zeichen hin und kehrte über den Pfad zu der Brustwehr zurück, wo die anderen mit gespannten Mienen warteten.

      „Ihr habt es ja gehört“, sagte der Profos. „Wir lassen die Dons verduften. Es ist aber auch richtig so. Was sollen wir mit so vielen Gefangenen?“

      Pater David hatte den Gefangenen bereits aus der Höhle geholt. Er nahm ihm den Knebel ab, und der Mann stammelte: „Was habt ihr vor? Was wollt ihr mit mir machen?“

      „Du kehrst nach Potosi zurück“, entgegnete der Gottesmann.

      „Ich … Wer hat mich niedergeschlagen?“

      „Ich.“

      „Dafür wird der Teniente Gomez mich zu Tode peitschen.“

      „Der Teniente Gomez lebt nicht mehr“, sagte Pater David. „Er wird keinen Menschen mehr mißhandeln, Soldat. Wie heißt du?“

      „Hernan Tores.“

      „Gut, Hernan Tores. Geh hin, bete zu Gott und danke ihm dafür, daß du mit einem blauen Auge davongekommen bist.“

      „Ihr seid – Spanier, Padre?“

      „Ja. Einen schönen Gruß auch an Potosi, und man soll es aufgeben, gute Soldaten für sinnlose Unternehmen zu verheizen.“

      „Ja, ja“, sagte Hernan Tores. „Ich wußte nicht, daß ein Padre so hart zuhauen kann.“

      „Ein Padre kann dies und anderes mehr“, erwiderte Pater David mit gütiger Miene. „Aber jetzt geh endlich, mein Sohn, sonst verpaßt du den Anschluß.“

      Er


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