Seewölfe - Piraten der Weltmeere 378. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.hatte.
Jetzt wurde Caligula hellhörig.
„Ein neuer Mann in Havanna?“ wiederholte er verblüfft. „Ein Spanier, der die Seewölfe sucht? Das muß die Queen sofort erfahren.“
Die Black Queen war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie hatte sich von Caligula halb in ihrer Koje aufrichten lassen und saß mit dem Rücken gegen einen Berg Kissen gelehnt da, aber selbst das bereitete ihr Schmerzen und Anstrengung. Ihr Gesicht war verkniffen, fast pausenlos stieß sie leise Flüche aus.
Als sie die Schritte zweier Männer durch den Mittelgang des Achterkastells heranpoltern hörte, wandte sie nur langsam den Kopf. Ihre Augen waren schmal, ihr Mund blutleer. Sie war abgemagert. Seit dem Kampf gegen El Tiburon, bei dem dieser sie niedergeschossen hatte, hatte sie sich ihrer Mannschaft nicht mehr gezeigt. Keiner wußte genau, wie es inzwischen um sie bestellt war. Im Grunde verließen sich alle auf Caligulas Hinweise, der ständig hervorhob, daß es mit der Queen „wieder bergauf“ ginge.
Cariba erschrak jedoch, als er hinter Caligula die Kapitänskammer betrat. Wie eine Fremde wirkte die Queen auf ihn. Unwillkürlich blieb er stehen. Seine Betroffenheit entging der Queen nicht. Wütend sah sie ihn an.
„Cariba, du Teufel!“ zischte sie. „Was willst du hier?“
„Ich habe ihn mitgebracht, damit er dir selbst von dem berichten kann, was er in Matamano aufgeschnappt hat“, sagte Caligula. „Ich halte es für richtig, daß du es aus seinem Mund vernimmst.“
„Dann redet nicht lange herum“, sagte sie. „Ich höre.“ Auch ihre Stimme hatte sich verändert, sie war brüchig geworden. Die Blessur hatte ihr schwer zugesetzt und an ihr gezehrt. Der Feldscher der „Caribian Queen“ hatte ihr zwar die Kugel aus der linken Schulter geholt, wo sie dicht über dem Herzen gesessen hatte, aber sie hatte mit Wundfieber und Entzündungen wochenlang auf Leben und Tod gelegen. Der Blutverlust hatte sie geschwächt, Fieberträume hatten sie geplagt. Es hatte eine Stunde gegeben, in der es so ausgesehen hatte, als müsse sie sterben, aber dann hatte der Teufel sie doch nicht gewollt. Sie hatte sich halbwegs wieder erholt, aber die Zeichen der Krankheit und des Kampfes gegen den Tod hatten deutlich ihr Gesicht gezeichnet.
Doch ihr Haß brannte lodernd. Vielleicht war er es sogar, der sie am Leben erhalten hatte. Noch lag sie hilflos in ihrer Koje, zu schwach, um aufzustehen, aber schon hatte sie erste Pläne gefaßt, wie sie gegen ihren Todfeind, den Seewolf, vorgehen würde, wenn sie erst wieder bei Kräften war.
Cariba schilderte, wie sich sein Abstecher zur Kaschemme „Yerba Buena“ im einzelnen abgespielt hatte. Da horchte auch die Queen auf wie zuvor Caligula. Plötzlich sah sie in ihrer fanatischen Rachsucht und in ihrem Haß eine Möglichkeit, den Bund der Korsaren zu vernichten.
„Ausgezeichnet“, sagte sie, als Cariba seinen Bericht abgeschlossen hatte, und mit einemmal klang ihre Stimme gar nicht mehr so schwach und brüchig. „Dieser Spanier, dieser Don Juan, kommt mir wie gerufen. Ich hoffe, es ist euch klar, wie wir ihn für unsere Zwecke ausnutzen können.“
Caligula sah den Zeitpunkt gekommen, seinen Scharfsinn unter Beweis zu stellen. „Natürlich. Wir brauchen diesem Spürhund nur den Bund der Korsaren in die Hände zu spielen. Er ist ja versessen darauf, englische Piraten zu jagen.“
„Ja“, bestätigte Cariba, ohne die Queen aus den Augen zu lassen. Ihm war noch nicht ganz klar, wie sie sich durch den Spanier einen Vorteil verschaffen wollte. Schließlich konnte sie sich aus dem Versteck nicht wegrühren – noch nicht. Was hatte sie also vor?
„Wir liefern den Seewolf und seine Bande von Hurensöhnen ans Messer“, sagte die Queen voll Haß. „Man braucht Don Juan nur die Lage der Schlangen-Insel zu verraten, und die Spanier erledigen die Arbeit.“
„Das habe ich mir auch gedacht“, sagte Caligula. „Nichts einfacher als das.“
Die Black Queen stemmte sich mit verzerrtem Gesicht von ihrem Kissenlager hoch. Ihre Augen hatten einen fiebrigen, erregten Glanz.
„Das wäre das Ende dieser Bastarde samt ihres Anhangs von Indianerschlampen“, sagte sie. Gemeint waren die Schlangenkriegerinnen unter der Führung von Arkana. „Damit schaffen wir uns diese Widersacher endgültig vom Hals und haben freie Bahn in der Karibik.“ Ihr Blick richtete sich wieder auf den Kreolen. „Gut gemacht, Cariba. Das werde ich dir nicht vergessen.“
„Danke.“ Früher hätte er sich von einer Äußerung wie dieser einiges versprochen. Wer von den Kerlen an Bord der „Caribian Queen“ hätte die schwarze Frau nicht begehrt? Alle waren sie neidisch auf Caligula gewesen, der das Privileg genoß, hin und wieder mit ihr die Koje teilen zu dürfen. Jetzt aber war die Black Queen nicht mehr das stattliche, verführerische Weib, von deren Erscheinung allein sich jeder Mann beeindruckt gezeigt hatte. Sie hatte nichts mehr zu bieten – nur noch ihren grenzenlosen Haß, der sie auf geheimnisvolle Weise zu nähren und aufrecht zu halten schien.
Sie lächelte höhnisch. „Besser konnten wir es gar nicht treffen, wißt ihr das? Die Dreckarbeit, das blutige Geschäft, wird uns von den Spaniern abgenommen, und die Dons werden sicherlich auch nicht ungerupft bleiben. Das heißt, sie werden bei einem Angriff auf die Schlangen-Insel erheblich geschwächt – was für unsere Situation wiederum günstig ist.“
Nach wie vor war sie von dem Gedanken besessen, die unumschränkte Herrscherin über die Karibik zu werden. Dieses Ziel hatte ihr vorgeschwebt, als von ihr die Schlangen-Insel angegriffen worden war, als sie sich in El Triunfo Verstärkung geholt hatte und nach Tortuga und Hispaniola gesegelt war. Sie hatte nicht mit der Widerstandskraft und Hartnäckigkeit der Seewölfe und ihrer Verbündeten gerechnet, und sie hatte auch einen Mann wie El Tiburon nicht einkalkuliert. Aber die erlittene Niederlage hatte sie von ihrem ursprünglichen Ziel nicht abbringen können. Nach wie vor war sie darauf aus, sich aller Feinde zu entledigen und als „Königin“ aller Freibeuter über die Karibik zu herrschen.
Dennoch wagte Caligula, ihr in einem Punkt zu widersprechen.
„Eins dürfen wir jedoch nicht vergessen“, sagte er. „Wenn es den Spaniern gelingt, die Schlangen-Insel zu besetzen, dann eignen sie sich dort auch den ungeheuren Schatz an, den die Seewölfe zusammengetragen haben. Diesen Schatz brauchen wir aber selbst.“
„Das weiß ich“, sagte die Queen giftig. „Hältst du mich für blöd, Caligula? Ich brauche Gold und Silber, um meine Macht zu festigen und auszubauen.“
„Dann sollten wir uns vielleicht doch überlegen, ob wir Don Juan eine Nachricht über die Schlangen-Insel zuspielen“, sagte Caligula.
Jetzt brauste die Queen auf. Caligulas Argument brachte sie in Rage. Wäre sie nicht an ihr Krankenlager gefesselt gewesen, dann wäre sie jetzt aufgesprungen und hätte sich auf ihn gestürzt. Sie raste vor Wut, und ihre alte Wildheit brach durch.
„Glaubst du, ich bin mir des Risikos nicht bewußt?“ schrie sie ihn an. „Ich habe alles genau bedacht, du Narr! Rede mir nicht in meine Entscheidungen hinein! Die Hurensöhne und Bastarde müssen vernichtet werden!“ Ihr ging es ausschließlich darum, ihre Rachsucht zu stillen, nichts anderes galt bei ihr. Die Bekämpfung und Vernichtung des Bundes der Korsaren hatte absoluten Vorrang. „Hinterher können wir den Spaniern den Schatz wieder abnehmen!“ brüllte sie. „Will das nicht in deinen verfluchten Schädel?“
Caligula steckte zurück und gab klein bei, alles andere hatte keinen Zweck.
„Doch“, erwiderte er. „Ich hielt es nur für richtig, dich auf alle möglichen Risiken hinzuweisen.“
„Danke“, sagte sie hämisch. „Es ist rührend, wie du dich um mich bemühst. Aber langsam geht es mir auf den Geist.“ Sie richtete ihren Zeigefinger auf Cariba. „Komm her!“
Cariba trat an Caligula vorbei an die Koje der Queen. Caligula hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. Er wollte die Queen nicht weiter erregen und er spürte auch, daß bei ihr der Gedanke an die mögliche Vernichtung des verhaßten Gegners wie ein Elixier wirkte.
„Hör zu“, sagte die Queen zu Cariba. „Dies ist mein Auftrag. Du gehst sofort nach