Seewölfe - Piraten der Weltmeere 495. Fred McMason

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 495 - Fred McMason


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Großmeister hatte der Herr ganz besonders hart geprüft, denn der stand ihm sozusagen auch am nächsten. Das Gesicht des Erhabenen drückte diese harte Prüfung noch in schillernden Farben aus. Darüber schien der Großmeister auch recht unglücklich zu sein. Aber er war ein frommer Mann, und als solcher ertrug er die Leiden klaglos, wie sich das für ihn geziemte. Seit der letzten „Prüfung“ die in Gestalt eines narbengesichtigen Kerls mit einem gewaltigen Amboßkinn über ihn hereingefallen war, lispelte der Erhabene auch. Das rührte daher, daß ihm oben ein Schneidezahn fehlte.

      „Laßt uns Gott wohlgefällig sein und ihm zu Ehren einen Choral anstimmen!“ rief der Großmeister seinen Schäfchen zu, die immer noch voller Entsetzen auf den treibenden Riesenhai in der Bucht blickten.

      So ein Choral, besonders lautstark gesungen, half Webster oft über peinliche und schmachvolle Situationen hinweg. Es lenkte auch vom eigentlichen Geschehen ab.

      So ertönte denn aus mehreren hundert Kehlen ein Gesang, der in der ganzen Bucht widerhallte. Die fanatisierten Gläubigen, die Webster um sich geschart hatte, sangen aus vollen Kehlen.

      Und daneben stand mit strenger Miene der schulmeisterliche Harris, der strenggesichtig und wichtigtuerisch aufpaßte, daß auch ja alle inbrünstig mitsangen.

      Ja, sie sangen alle sehr inbrünstig mit, wie er feststellte. Auf allen vier Schiffen wurde lauthals gesungen. Am lautesten aber auf der „Kyrie eleison“, sozusagen dem Flaggschiff, auf dem sich der Großmeister befand.

      Als der Choral beendet war, herrschte lange Augenblicke andächtige Stille. Die Augen der Gläubigen richteten sich wieder auf den „Wächter von Jerusalem“. Sein Maul war weit aufgerissen, und die schrecklichen Zähne waren zu sehen, messerscharfe Zahnreihen in einem blutigen Maul, die allen einen Schauer über den Rücken jagten.

      Dieser Riesenhai hatte sich kürzlich schon ein Opfer geholt, einen Mann, der gewagt hatte, ein paar kritische Einwände vorzubringen. Webster hatte ihn über Bord werfen lassen, um dem Herrn ein wohlgefälliges Opfer darzubringen, wie es der Herr von Abraham im ersten Buch Mose, Kapitel zweiundzwanzig, verlangt hatte.

      Durch dieses Opfer war er einen Quengler los, einen Mann der denken und kritische Fragen stellen konnte. Dadurch, daß der Hai das Opfer angenommen hatte, hatte der Herr auch zugestimmt, daß in dieser herrlichen Bucht die Burg Jerusalem errichtet werden sollte.

      Keinem der Fanatiker kam es in den Sinn, daß Webster einen eiskalten Mord begangen hatte. Der Großmeister duldete in seinem „Orden“ keinen, der selbständig denken konnte. Außerdem war das grausige Schauspiel jenen eine Lehre, die Kritik äußern könnten. Daher ging Webster gegen jede Art von Opposition mit barbarischer Härte vor. Das bereitete ihm außerdem noch Lust, denn er war ein pervertierter Sadist, der sich an Quälereien ergötzte.

      Der Großmeister mußte jetzt auch noch die vierte Prüfung über sich ergehen lassen, denn die Stille, die nach dem Choral herrschte, wurde durch schnellen Riemenschlag unterbrochen.

      Zwei keuchende Männer pullten das Boot auf die „Kyrie eleison“ zu. Zwischen den Duchten hingen drei weitere Männer, leblos, offenbar waren sie tot oder sehr schwer verletzt.

      Webster blickte aus funkelnden Augen auf das Boot. Dann faltete er die Hände, blickte auf die Planken und sah wieder hoch.

      „Ich ahnte, daß uns noch weitere Prüfungen auferlegt werden“, sagte er entsagungsvoll. „Der Herr läßt nur die Geprüften walten, bis sie in seinen Augen wohlgefällig sind. Es ist ein langer und steiniger Weg, aber wir sind ihn bald gegangen, Brüder und Schwestern, und dann ist das Königreich unser.“

      Einer der Ruderer enterte schweigend auf, trat vor Webster hin und senkte den Kopf.

      „Wir haben drei Brüder auf der südlichen Landzunge gefunden, Erhabener“, sagte der Mann. „Sie wurden seit der Flucht der beiden Nattern vermißt. Jetzt fanden wir sie. Sie sind tot, erstochen von den erbärmlichen Schurken, die den Wächter von Jerusalem auf dem Gewissen haben. Ein weiterer Mann ist verletzt, wir haben ihn bereits versorgt. Was soll geschehen, Erhabener?“

      Webster sah wieder auf die Toten in der Jolle. Zusammengekrümmt lagen sie reglos zwischen den Duchten.

      „Diese schmutzigen Teufel!“ schrie der Großmeister in einem plötzlichen und rasenden Wutanfall mit donnernder Stimme. „Sie sind von den Mächten der Hölle besessen! Satansbrut, Schlangen und Natterngezücht, elendes! Sie werden diese Tat büßen, der Zorn Gottes wird sie grausam richten.“

      Sein Blick war flammend geworden, er hatte die Hände zu Fäusten geballt und sah sich mit fanatisch funkelnden Augen um.

      Er sah Entsetzen in den Gesichtern der Männer und Frauen, er sah Haß aufglimmen, der sich bis zur Raserei steigerte. Er stachelte die Leute noch mehr an, mit wilden Gesten, drohenden Fäusten und wilden Blicken, bis sie sich erneut in einen Taumel steigerten und lautstark nach Rache und Vergeltung riefen.

      In der einstmals so stillen und ruhigen Bucht war der Teufel los, als Websters fanatische Anhänger in ein Wutgebrüll ausbrachen.

      Diese drei Kerle, dachte er, die jetzt erstochen in der Jolle lagen, waren nicht einmal in der Lage gewesen, die Flucht der beiden Kerle zu verhindern. Schlappschwänze waren das seiner Ansicht nach, Feiglinge, die zu viert waren und sich einfach hatten abstechen lassen. Er hatte nur verächtliche Gedanken für sie übrig, denn durch die Unfähigkeit dieser Leute waren die beiden Kerle entwischt.

      Aber er hatte drei Märtyrer, und das war mehr wert, denn jetzt konzentrierte sich der ganze Haß seiner Anhänger auf die wilden Kerle, die hier wie die Teufel erschienen waren und kräftig aufgeräumt hatten.

      „Jawohl!“ brüllte er noch lauter mit einer Donnerstimme, die auch den letzten Mann noch erreichte. „Der Allmächtige wird dieser Mörderbande eine Lektion erteilen. Wir werden sie von Gottes Erdboden hinwegfegen. Der Himmel wird nicht eher ruhen, bis das feige Mördergesindel seine gerechte Strafe erleidet. Gottes Mühlen mahlen langsam, aber gerecht“, wärmte er eine alte Weisheit dann wieder auf.

      Webster sprach mal etwas leiser, dann wieder lauter. Er kannte die Augenblicke genau, wann er die Leute hart aufhetzen mußte, um sie anzustacheln. Mitunter klang seine Stimme flehend, befehlend, einschmeichelnd oder wild und herrisch, und sie duldete in keiner Tonlage einen Widerspruch.

      Bewundert sahen die Schäfchen zu ihm auf. Er führte sie, er sorgte für sie, sie vertrauten ihm grenzenlos und hießen alles gut, was er anordnete oder tat. Blindlings fielen an die vierhundert Menschen auf den Scharlatan herein, glaubten jedes Wort, nahmen begierig jedes erlogene Beispiel von ihm auf und sangen danach beglückt ein Halleluja für den Erhabenen.

      „Lasset uns nun für die tapferen Männer beten, Brüder und Schwestern, die so heldenhaft ihr Leben für die anderen einsetzten und durch feige Mörderhand umkamen. Unser Gewissen wird nicht eher ruhen, bis unsere toten Brüder gerächt sind. Auge um Auge, Zahn um Zahn, so steht es im Alten Testament geschrieben.“

      Nach dem Grundsatz hatten Mel Ferrow und Roger Lutz ebenfalls gehandelt, als man sie dem Riesenhai zum Fraß vorwerfen wollte. Wer das tat, der hatte auch keine Schonung zu erwarten. Sie hatten sich ihren Fluchtweg rigoros freigekämpft. Die andere Seite hatte auch kein Erbarmen gezeigt.

      Daran dachte der Großmeister natürlich auch, aber er hütete sich, das auszusprechen. Die Schuld lag immer bei den anderen und war niemals in den eigenen Reihen zu suchen.

      „Was soll geschehen, Erhabener?“ fragte der Mann demütig.

      „Wir werden sie begraben“, sagte Webster düster. „Dort auf jener Landzunge, wo sie im heiligen Kampf gefallen sind. Wir werden ihr Andenken auf ewig in Ehren halten, schwört mir das!“

      Die Menge stimmte frenetisch brüllend zu. Aber das Gebrüll ging an den Ohren des Erhabenen vorbei. Er hörte es nur wie ein weit entferntes Tosen, das er kaum wahrnahm.

      Augenblicklich beschäftigte ihn ein ganz anderer Gedanke. Er begriff jetzt, daß er einen Fehler begangen hatte. Er hätte die beiden Kerle niemals gegen den Hai kämpfen lassen sollen. Das war unklug von ihm, denn tote Geiseln brachten


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