Seewölfe - Piraten der Weltmeere 495. Fred McMason

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 495 - Fred McMason


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sah er sich nach links um, wo einer seiner „Oberjünger“ stand.

      Der Mann war Tischler und hieß John Moore. Webster hatte ihn bereits seit geraumer Weile im Auge, denn Moore war einer derjenigen, die bei aller Frömmelei und Bigotterie noch einen Funken Verstand hatten. Er kannte noch ganz gut die Realitäten und hatte bereits ein paarmal widersprochen.

      Ihre Blicke kreuzten sich. Websters Blick war flammend und leidenschaftlich. Moore hatte die Lider halb geschlossen, den Mund verkniffen und die Hände vor dem Bauch gefaltet. In sein Gesicht hatten sich tiefe Linien eingekerbt, die von Leid und Entbehrung zeugten. Sein schwarzgrauer Backenbart ließ ihn älter erscheinen, als er in Wirklichkeit war.

      Es war, als hätte Moore seine Gedanken gelesen, als wüßte er ganz genau, was Webster augenblicklich dachte.

      „Drei unserer Leute sind tot, Erhabener“, sagte er mit leiser Stimme. „Es waren gute Männer, aber es ist ihnen nicht gelungen, die Mörder zu fassen. Das Entkommen dieser beiden Gefangenen wird Konsequenzen nach sich ziehen. Verzeihung, ich möchte nur auf unsere augenblickliche Lage hinweisen.“

      Webster bedachte ihn mit einem eiskalten Blick. Moore senkte den Kopf noch tiefer. Er ertrug es nicht, in die fanatisch funkelnden Augen zu sehen. Dabei fühlte er sich immer, als würde er bis auf die Seele entblößt.

      „Sprich nur weiter“, sagte Webster gefährlich leise. „Als ob ich nicht selbst wüßte, wie unsere augenblickliche Lage aussieht.“

      „Die Ketzer werden wiederkommen, Erhabener. Der Oberketzer hat es angedroht. Mir klingen noch die Worte im Ohr. Er sagte, wenn wir die beiden Gefangenen nicht sofort herausgeben, wird hier eine Streitmacht von neun Schiffen aufmarschieren, und das würde das unweigerliche Ende unseres Ordens bedeuten.“

      „Sprich dich aus“, höhnte Webster so leise, daß es die meisten anderen nicht verstehen konnten.

      John Moore stand verlegen da. Er hob hilflos die Schultern und blickte wieder auf die fast weißgescheuerten Planken der Galeone.

      „Sie werden aufkreuzen“, hauchte Moore, „denn die anderen werden sie aufhetzen.“

      Webster hörte mit steinernem Gesicht zu. Ganz unterschwellig wollte Moore also damit sagen, daß er einen Fehler begangen hatte, indem er die beiden Kerle gegen den Hai kämpfen ließ. Gar nicht so dumm, der Mann, denn genau das waren seine eigenen Gedanken gewesen.

      „Was willst du damit sagen, John Moore?“

      „Zweierlei, Erhabener: Wir hätten die ketzerischen Halunken freigeben sollen. Jetzt, durch ihre Flucht, hat sich alles nur noch verschlimmert.“

      „Und was noch?“

      Websters rechte Hand wanderte langsam zum Gürtel seiner Hose. Darin steckte eine Peitsche mit Lederriemen, ein mörderisches Schlaginstrument, mit dem der Großmeister an Ort und Stelle jene züchtigte, die ihm widersprachen. Dabei war es gleichgültig, ob es sich um Männer, Frauen oder Kinder handelte. Mit dieser Peitsche trieb ihnen Webster auch die „fleischlichen Gelüste“ nachhaltig aus.

      Moore sah diese Handbewegung. Er stockte einen Augenblick, dann hob er kurz den Kopf.

      „Ich denke an die Frauen und Kinder, Erhabener, und ich möchte damit sagen, daß wir hier nicht mehr sicher sind. Offenbar hat der Herr im Himmel wohl doch kein Wohlgefallen daran, daß wir hier die Burg Jerusalem errichten. Wir sollten uns eine andere Insel suchen.“

      Die Umstehenden erstarrten ob solcher Worte. Entsetzt wanderten ihre Blicke zwischen John Moore und dem Großmeister hin und her. Dieser Moore hatte schon oft widersprochen, aber jetzt ging er so weit, die Worte des Erhabenen anzuzweifeln. Fast war das schon Gotteslästerung.

      Der Erhabene lief vor Wut rot an. Er glaubte, sich verhört zu haben, als Moore geendet hatte. Dann kriegte er wieder seinen berüchtigten Koller und fuhr explosionsartig aus der Haut.

      „Du kleinmütiger und ungläubiger Schwätzer!“ brüllte Webster los. „Du wagst, am Wohlgefallen des Herrn zu zweifeln, du erbärmliche, nichtsnutzige und ungläubige Hundeseele? Spukt der Satan in deinem verquasten Schädel herum? Du wirst dich auf der Stelle für deine gotteslästerlichen Worte entschuldigen, oder der heilige Zorn des Herrn wird dich treffen.“

      „Ich habe mich nur an die Tatsachen gehalten, Erhabener.“ Moores Stimme war bei den letzten Worten zu einem kaum hörbaren Flüstern geworden.

      „An die Tatsachen!“ brüllte Webster. „Wir haben hier unser heiliges Banner aufgepflanzt, wir haben die Schiffe mühsam genug entladen, und der Herr gab mir die Erleuchtung. Und da kommst du kleinmütiger und unwissender Schwätzer und säst Zwietracht und Zweifel. Aber das sind die Lästerer und Verführer, die es wagen, den Samen der Furcht und der Angst auszusäen und zu verbreiten und die Befehle des Herrn zu mißachten. O du Elender! Der Zorn des Herrn soll dich mit aller Härte treffen.“

      Websters Gesicht hatte sich zu einer schrecklichen Fratze verzogen, zu einer Fratze, die seinen ganzen Charakter offenbarte. Wild und unbeherrscht griff er zum Gürtel und riß mit einem wilden Ruck die Peitsche heraus.

      Dieses Marterinstrument, das schon viele zu spüren gekriegt hatten, nannte er die „Geißel des Herrn“.

      „Nimm die Geißel des Herrn!“ rief er theatralisch aus. „Auf daß sie dir die letzten Zweifel austreibe.“

      Die Peitsche zuckte hoch in der Hand des Erhabenen und holte zu einem vernichtenden Schlag aus.

      Aber John Moore sah nicht ein, daß er wegen der paar Worte, die der Wahrheit entsprachen, in aller Öffentlichkeit gezüchtigt werden sollte.

      Der Erhabene würde ihm das Folterinstrument ins Gesicht schlagen und ihn damit für alle Ewigkeit zeichnen. Da lief dem „Oberjünger“ plötzlich die Galle über.

      Noch bevor der Großmeister zuschlagen konnte, unterlief er den Arm mit der erhobenen Peitsche. Ein blitzschneller Satz brachte ihn in die unmittelbare Nähe des Erhabenen.

      „Erbarme dich!“ rief Moore heiser.

      Dann schlug er zu, und er schlug hart und kräftig und mit aller Kraft, die in seinem Körper steckte.

      Nun war es so, daß der Großmeister einen empfindlichen Punkt hatte, den auch schon Carberry und Hasard ausprobiert hatten. Webster hatte das, was man als Glaskinn bezeichnet.

      Auf diese Stelle krachte die Faust von John Moore mit aller Härte. Fassungslos und entsetzt sahen die anderen zu, wie der Hammer ausgerechnet auf des Großmeisters empfindlichen Punkt donnerte.

      Es krachte entsetzlich laut. Der Schlag hob den Erhabenen ein kleines Stückchen in die Höhe. Dann segelte er rückwärts davon und donnerte mit einem platschenden Geräusch rücklings auf die Planken seines Schiffes.

      Der Großmeister war bewußtlos, seine Kiefer zusammengepreßt und seine Augen glasig. Er lag da wie ein Toter und rührte sich nicht mehr. Auch die Peitsche war seiner Hand entfallen und lag jetzt neben ihm auf den Planken. Sang- und klanglos war der Erhabene abgenippelt.

      Vielleicht hätte er jetzt gern ein „Herr, erbarme dich“ angestimmt, aber er befand sich in einer Welt, wo Lobgesänge keine große Rolle mehr spielten, wo es dunkel und still war.

      Insofern hatte der Herr doch noch ein Erbarmen gehabt.

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