Seewölfe - Piraten der Weltmeere 150. Fred McMason
Читать онлайн книгу.Von Hutten lachte leise.
„Uns hat kein Mensch begrüßt, Hasard. Sie haben nicht einmal von uns Notiz genommen. Sonne dich in dem Ruhm, laß die Leute gaffen, sie brauchen Nervenkitzel.“
„Meinetwegen.“
Hasards geheimer Wunsch ging bald darauf in Erfüllung. Der Vertreter des Hafenkommandanten erschien mit einigen Leuten und begann unwillig damit, die Neugierigen fortzuscheuchen. Nur zögernd folgten sie seinen Anweisungen, murrten, protestierten laut und fluchten. Aber sie gingen zurück und blieben in der Nähe der Lagerhäuser und Schuppen stehen wie eine Mauer.
Der breitgebaute Mann näherte sich der „Isabella“. Seine drei Begleiter scheuchte er mit einer Handbewegung zurück. Dann rückte er seinen Uniformkragen zurecht und baute sich dicht vor dem Schiff auf. Sein Gesicht war mit Pickeln übersät, und seine wässrig blickenden Augen verschwanden hinter kleinen Fettpolstern.
„Weshalb haben Sie sich nicht sofort angemeldet?“ schnarrte er, und sah den Seewolf finster an. „Sie kennen wohl nicht die Vorschriften, was!“
„Was, wie!“ sagte Carberry grinsend.
Der Hafenkommandant wandte sich irritiert um.
„Was?“ fragte er.
„Ist was?“ fragte Ed. „Weshalb schreit dieser Mustopf von einem Hafenmeister eigentlich so laut herum, was, wie?“ fragte er die anderen lautstark.
Ein Höllengelächter setzte ein, und das baute schlagartig den Respekt des Mannes ab, der sich mit puterrotem Schädel umdrehte und einen seiner Begleiter heranwinkte.
„Was hat der Kerl eben gesagt?“ fragte er ächzend.
„Äh, Sir, ich habe es nicht richtig verstanden.“
„Ich will wissen, was er gesagt hat, Mann! Na los!“
„Äh, Sir, er sagte, glaube ich, Mustopf von einem Hafenkommandanten.“
„Mustopf!“ schrie der Dicke. „Sagte er Mustopf?“
Jean Ribault, der neben dem Seewolf stand, begann zu lachen, bis er sich krümmte.
„Er ist nur der Vertreter hier“, sagte er, „ein aufgeblasener Kerl, der sich wichtiger nimmt als alle anderen. Er hat überhaupt nichts zu sagen, aber er glaubt es ständig.“
„Der Kerl soll sich erst einmal etwas höflicher benehmen“, sagte Hasard. „Bis er den Bogen heraus hat, kann die Crew ihn meinetwegen auf den Arm nehmen, solange sie will.“
Die Seewölfe taten das auch ausgiebig, weil der picklige Kerl sich immer noch lautstark über den Mustopf aufregte. Dabei schwoll ihm die Zornesader, weil ihn niemand ernst nahm. Sein markiges Gebrüll prallte an den anderen Kerlen einfach ab.
„Wer bist du überhaupt?“ schrie der Dicke erbost zu Ed hinauf. „Dir werde ich schon noch Benehmen beibringen!“
Carberry schob sein Rammkinn vor.
„Ich bin der Profos“, sagte er laut, „und du bist der Mustopf, oder hast du einen anderen Namen? Dann sage ihn gefälligst und kotz hier nicht die Kai mit großen Worten voll.“
Das verschlug dem Dicken sekundenlang die Sprache. Er spürte, daß er immer lächerlicher wirkte, und dann trat ein Ereignis ein, das ihn endgültig der Lächerlichkeit preisgab.
Der Schimpanse Arwenack war auf halbe Masthöhe abgeentert und schien boshaft zu grinsen. Seine Lippen verzogen sich gräßlich, und in seiner rechten Hand hielt er eine Kokosnußschale.
Irgendwie schien der Affe zu merken, was hier vor sich ging und daß ein einzelner zum Gespött der anderen wurde. Dazu mußte der Schimpanse natürlich ebenfalls seinen Beitrag leisten.
Er hielt sich an den Wanten fest, holte mit der einen Hand weit aus und feuerte aus seiner luftigen Höhe die Schale ab.
Arwenack hatte schon andere Leute bombardiert und bei Enterkämpfen mit Belegnägeln um sich gefeuert. Meist traf er auch.
Den Vertreter des Hafenkommandanten erwischte es hart am Schädel.
Es gab einen dumpfen, leicht hohlen Ton, der sich mit dem schadenfrohen Gekecker des Affen mischte.
Der Mann sprang mit einem Aufschrei in die Höhe und verspürte einen brennenden Schmerz am Schädel.
In die lastende Stille hinein sagte Ed andächtig: „Er scheint genau den Mustopf getroffen zu haben!“
Diesmal brandete das Gelächter über den ganzen Hafen. Die Leute krümmten sich vor Lachen, als sie den Mann sahen, der sich verärgert und erbittert den Schädel rieb.
„Ihr werdet noch von mir hören!“ schrie er gequält. „Das lasse ich mir nicht gefallen, das nicht! Das hat noch Konsequenzen, das gibt Ärger!“
Er tobte noch eine Weile herum, aber als er sah, daß das Grinsen nicht aufhörte, und er sich noch mehr der Lächerlichkeit preisgab, zog er sich unter lautstarken Verwünschungen zurück.
Brighton erbot sich, das Schiff anzumelden, Zweck des Aufenthaltes anzugeben und die voraussichtliche Dauer.
„Es ist wirklich nicht nötig“, sagte der Franzose, „der Kerl will sich nur aufblasen. Ihr könnt solange warten, bis der Hafenkommandant persönlich wieder da ist.“
Hasard wollte jedoch keinen unnötigen Ärger, denn den würde es, seinem Gefühl nach, in England ohnehin bald geben, und so schickte er seinen Stellvertreter Ben Brighton los.
„Sage dem Kerl, daß wir aufdokken, und daß es ganz sicher länger als eine Woche dauert, bis alles erledigt ist.“
„In Ordnung.“ Brighton zog los.
„Ihr wollt auch aufdocken?“ fragte Ribault verblüfft. „Genau das gleiche hatten wir vor.“
„Na prächtig, dann gehen wir zusammen auf die Werft des alten Hesekiel Ramsgate. Er wird sich freuen. Wir gehen nachher zusammen hin und reden mit ihm. Wir sind in Tanger im Trockendock gewesen, weil die „Isabella“ so voller Muscheln und Algen hing, daß sie sich bei starkem Wind kaum noch aufrichtete. Jetzt wollen wir ein paar kleine Änderungen und Verbesserungen vornehmen lassen.“
Er sah den schlanken Mann neben sich an und lächelte.
„Du hast Neuigkeiten, Jean, und vorhin sagtest du, ihr hättet uns erwartet. Heraus mit der Sprache, von wem habt ihr die Informationen?“
„Das ist eine lange Geschichte, Hasard. Gehen wir aufs Achterkastell, hier versteht man sein eigenes Wort nicht.“
In der Kuhl wurde immer noch gebrüllt, erzählt und gelacht.
Die beiden Männer zogen sich zurück, lediglich gefolgt von von Hutten und dem jungen O’Flynn.
2.
„Wir erfuhren von Siri-Tong, daß ihr Kurs England segelt“, sagte Ribault, „und von dem Wikinger natürlich.“
Hasard war im ersten Augenblick so verblüfft, daß er keinen Ton hervorbrachte. Er und Dan sahen sich kopfschüttelnd an.
„Von Siri-Tong? Wo habt ihr sie getroffen? Als wir uns das letzte Mal sahen, lag der schwarze Segler in Shanghai.“
„Ich weiß“, sagte der Franzose. „Die Rote Korsarin ist ein paar Tage nach euch losgesegelt.“
Als er noch etwas sagen wollte, blieb sein Blick sehr sinnend und nachdenklich auf den beiden Jungen hängen, die am Niedergang des Achterdecks standen und nach oben blickten.
Die beiden waren schwarzhaarig und hatten eisblaue Augen, die Ribault und von Hutten ruhig und interessiert musterten. Sie trugen Segeltuchhosen und grobe Hemden, und alle beide hatten in ihrem Leinengürtel am Hosenbund ein Messer stecken.
Auch der exotisch wirkende von Hutten sah plötzlich ratlos von einem