Seewölfe Paket 21. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.ein Feind, vor dem jedem Seemann die Haare zu Berge standen. Die Furcht griff um sich und breitete sich unter den Männern der Besatzungen aus, und jeder hatte noch die Karavelle vor Augen, deren Brand an Bord die Pulverkammer entzündet und in die Luft gejagt hatte. Ein Schicksal, vor dem es jedem graute.
Sie verdoppelten ihre Anstrengungen und irrten wie die Besessenen hin und her, vom Schanzkleid, wo die frisch gefüllten Pützen und Kübel hochgehievt wurden, zu den Brandherden, die immer wieder neu aufflackerten.
Cubera war es gelungen, die Disziplin auf seinem Schiff wiederherzustellen. Eine lange Kette von Männern wurde auf dem Hauptdeck gebildet, sie reichten die Pützen und Kübel von einem zum anderen weiter und erhöhten auf diese Weise die Geschwindigkeit, mit der die Behälter entleert und wieder gefüllt wurden.
Die Maßnahme zeigte einen ersten Erfolg, das Feuer war jetzt unter Kontrolle.
„Weiter so!“ rief Cubera seinen Männern zu, und die Offiziere trieben die Decksleute zu Höchstleistungen an. Cubera hatte unterdessen wieder so viel Luft, daß er seinen Blick auf das Ufer der Insel richten konnte.
Er wurde Zeuge, wie zwei Schaluppen mit Höchstfahrt auf die westliche, größere der beiden Buchten zuliefen. Ihnen schien der Durchbruch offenbar zu gelingen, obgleich der Gegner nach wie vor alle Register zog und mit Kanonen, Drehbassen, Pfeil und Bogen und Wurfgranaten die drohend bevorstehende Landung zu verhindern trachtete.
Plötzlich aber wurden die beiden Schaluppen wie durch eine unsichtbare Riesenfaust gestoppt. Ja – sie prallten regelrecht zurück. Ihre Insassen, die Soldaten und die Rudergasten, taumelten und stürzten durcheinander, einige kippten ins Wasser.
Und wieder waren da die Indianer am Ufer, die hochschnellten und ihre Flaschenbomben schleuderten. Mit zischenden Lunten wirbelten sie durch die Luft, und die Schaluppen brachen wie lächerliche Spielzeugboote auseinander.
Ketten, dachte Cubera entsetzt, Herrgott, sie haben Ketten gespannt. Oder Taue. Sie stehen wirklich mit dem Teufel im Bunde.
Eine Jolle erreichte aber doch die westliche Landzunge. Ihr Führer war ein Teniente mit großer Kampferfahrung. Er hatte die Situation richtig eingeschätzt und sich entsprechend darauf eingestellt. Statt direkt in eine der Buchten zu pullen, ließ er die Landzunge ansteuern, weil der Widerstand dort offenbar nicht ganz so groß war. Daß sein Handeln richtig war, erwies sich, als die schnelle Fahrt der beiden Schaluppen überraschend gestoppt wurde.
Er, der Teniente, witterte jetzt seine große Chance. Ungehindert erreichte er das Land, ließ anlegen und sofort das Ufer erstürmen. Noch schien der Gegner ihn und seinen Trupp nicht bemerkt zu haben, noch regte sich an dieser Stelle des Ufers nichts.
Die Seesoldaten sprangen auf das überhöhte Ufer und rannten geduckt landeinwärts. Sie hielten ihre Musketen schußbereit an den Hüften. Die Säbel und die Wehrgehänge klirrten leise, aber der Teniente war sicher, daß diese Geräusche von dem Dröhnen der Kanonen und dem Wummern der detonierenden Flaschenbomben überdeckt wurden. Entschlossen führte er seinen kleinen, aber wehrhaften und voll einsatzbereiten Trupp an und rechnete sich bereits aus, daß er eins der Kanonennester im Sturm nehmen würde.
Die Jolle hatte viel Glück gehabt. Sie war nur von wenigen Pfeilen getroffen worden, die alle keinen nennenswerten Schaden angerichtet hatten. Es hatte keine Toten und Verletzten gegeben. Der Teniente hatte allen Grund zu berechtigten Hoffnungen.
Aber weit gelangte er nicht. Nur wenige Schritte hatte er mit seinen Männern zurückgelegt, da standen sie ihnen plötzlich wie aus dem Boden gewachsen gegenüber – Indianer!
„Feuer!“ brüllte der Teniente. Jetzt, da sie entdeckt waren, brauchte er sich wegen des Krachens der Schüsse nicht mehr vorzusehen. Sie würden zwar noch mehr Gegner herbeilocken, aber die ließen sich ohnehin nicht mehr zurückhalten oder täuschen.
Die ersten Musketen krachten. Zwei der halbnackten Gestalten sanken zusammen und wälzten sich auf dem Untergrund. Aber dann gingen die Schlangen-Krieger zum Gegenangriff über. Sie fielen wie die Wildkatzen über den Trupp her – mit Keulen, Pistolen, Hieb- und Stichwaffen. Im Nu war ein erbittertes Handgemenge entbrannt.
Der Teniente glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Und doch täuschte er sich nicht: Einige der Indianer, die besonders knabenhaft wirkten, hatten Brüste! Frauen! Sie kämpften wie die Teufel, verstanden, mit jeder Art von Handwaffe umzugehen und schienen keine Angst zu kennen.
„Nieder!“ schrie der Teniente. „Tötet sie! Durchbrechen!“
Er feuerte seine Muskete ab, riß die Pistole aus dem Gurt, spannte den Hahn und druckte auf einen keulenschwingenden Krieger ab, der sich auf ihn stürzte. Er traf, der Mann sank zu Boden. Der Teniente riß den Säbel aus der Scheide und drang mit einem Schrei weiter vor, hatte aber plötzlich zwei Männer und eine Frau gegen sich.
Einem der Indianer brachte er einen Streich bei, unter dem dieser mit einem entsetzten Keuchen zusammensank. Aber die beiden anderen vermochte er nicht abzuwehren. Die Frau klammerte sich an ihm fest und zerrte ihn zu Boden. Sie war wie eine Raubkatze, die nicht mehr von ihrer Beute abläßt. Der Teniente versuchte zwar, sie von sich zu stoßen, aber er schaffte es nicht mehr. Auch der Krieger war über ihm, und ein Messer blitzte wie weißes Licht auf.
Der Stich traf die Brust des Teniente, und er hatte das Gefühl, von glühendem Stahl durchbohrt zu werden. Erlösende Finsternis nahm ihn gefangen, und er hatte, ehe seine Sicht erlosch, keine Gedanken mehr. Er sah im Aufblitzen eines Mündungsfeuers nur noch die Gesichter der Indianer über sich. Dann war jede Wahrnehmung vorbei, und er sank leblos in sich zusammen.
Die Soldaten kämpften verzweifelt und versuchten, ihre Stellung auf dem eben erst eroberten Stück Ufer zu halten. Doch es gelang ihnen nicht. Die Musketen und Pistolen waren leer gefeuert, und jetzt waren sie auf ihre Blankwaffen angewiesen.
Aber sie sahen den Teniente neben sich zusammenbrechen und sterben und wußten, daß sie keine Chance mehr hatten. Wütend hieben sie auf die Gegner ein, deren Zahl immer größer zu werden schien. Sie kämpften auf verlorenem Posten – und sie wußten es.
Binnen weniger Augenblicke waren auch die letzten Soldaten niedergestreckt. Drei Schlangen-Krieger liefen auf die Jolle zu und schleuderten ihre Wurfbomben. Das Boot flog mit einem Donnerhall in die Luft. Es war aus, keiner anderen Jolle oder Schaluppe gelang die Landung.
Don Garcia Cubera fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und stöhnte auf. Vom Achterdeck der „San José“ hatte er auch den erfolglosen Kampf der Seesoldaten und die Explosion der Jolle verfolgen können. Es ist alles umsonst gewesen, dachte er erschüttert.
Dann zerknüllte er die Skizze der Schlangen-Insel zwischen seinen Fingern und gab dem Trompeter ein Zeichen. Dieser blies das Signal zum Rückzug, und die Aktion war beendet.
Ruhe trat ein, die Kanonen auf beiden Seiten schwiegen jetzt. Verhalten plätscherte das Seewasser an den Bordwänden der Schiffe, und immer noch knisterten die Flammen. Nach einiger Zeit waren aber auch die letzten Schwelbrände erstickt, der herbe Geruch kalter Asche und angesengten Holzes wurde vom Wind davongetragen.
7.
Zwei Schatten glitten durch die Nacht – die „Empress of Sea II.“ und die „Wappen von Kolberg“. Schon seit gut einer halben Stunde konnten die Männer, die von den Decks aus scharf Ausschau nach voraus hielten, das Zucken der Feuerblitze und das Krachen der Schüsse und Detonationen vernehmen. Bald tönte auch das Geschrei zu ihnen herüber, mit denen die Spanier quittierten, daß die Verteidiger der Schlangen-Insel ihnen wieder eine Falle gestellt hatten.
„Das kommt vom Südufer“, sagte der alte O’Flynn. „Verdammt, kann der elende Wind denn nicht auffrischen? Zur Hölle, warum muß das so lange dauern?“
Plymmie, die Wolfshündin, hockte neben ihm auf dem Achterdeck, hatte die Zähne gebleckt und knurrte erbost. Martin Correa, Nils Larsen, Sven Nyberg und Hasard junior sprachen kein Wort.
Nur Philip junior meinte: „Wir müssen gleich da sein. Es kann sich höchstens